Meerschweinchen ausgesetzt: während der Corona-Pandemie kein Einzelfall

Bad Oeynhausen. Ein leises Fiepen ließ Sabrina Claassen aufhorchen: Ein Tier? Doch wo auf dem Wanderparkplatz Plattenberg? Und vor allem welches? Claassens gute Freundin und Mitwanderin Julia Viering war sofort klar: ein Meerschweinchen. "Sie war früher in der Schule in einer Meerschweinchen-AG", sagt Claassen schmunzelnd.

Und tatsächlich: die Wanderer entdeckten ein kleines Meerschweinchen in den Brombeeren. Ausgesetzt.

"Wir haben zuerst gedacht, dass Tier sei weggelaufen", erzählt Sabrina Claassen. "Wie naiv", sagt sie kopfschüttelnd. Eine halbe Stunde haben die beiden Frauen und Sabrina Claassens Sohn versucht, das Tier einzufangen. Was schließlich gelang. "In einer Mütze haben wir es dann durch den Wald zurück zum Auto transportiert." Allerdings nicht, ohne sich vorher zu vergewissern, dass kein weiteres Tier in der Nähe war. "Als es endlich auf dem Arm war, war es auch zutraulich."

Daheim zog es vorübergehend in einen alten Vogelkäfig. "Wir haben im Tierheim und bei den Gurkendieben in Obernkirchen nachgefragt." Letztlich aber durfte das Meerschweinchen beim Nachbarn von Julia Viering einziehen. "Es ist ein Bock. Die sind schwer vermittelbar", weiß Claassen. Und appelliert: "Jeder, der sich ein Tier anschafft, muss sich im Vorfeld Gedanken machen über die Tierhaltung. Es geht doch nicht, Tiere einfach auszusetzen."

Erst informieren, dann ein Tier anschaffen

Dem kann Kerstin Sanker, Leiterin des Vlothoer Tierheims "Eichenhof" nur zustimmen. Auch sie verzeichnet deutlich mehr Fundtiere als früher. "Die Menschen haben sich in Coronazeiten, durch Homeoffice und mehr Zeit, auch mehr Tiere angeschafft", weiß sie. In den Kleinanzeigen, die das Tierheim im Blick hat, seien die Preise explodiert. "Das war Wahnsinn."

Da habe sicherlich der ein oder andere sein Tier häufiger werfen lassen - in der Hoffnung auf ein gutes Geschäft. "Wir haben mehr Katzen und auch mehr Kitten als sonst. Und vor allem deutlich mehr Kleintiere", berichtet Kerstin Sanker. "Der Zulauf an Kaninchen reißt nicht ab." Durchgehend zwischen 20 und 25 säßen in den Ställen. "Wir haben schon Teile des Katzenhauses freigeräumt, um alle unterzubringen." Denn Kaninchen bräuchten zum einen Platz und zum anderen wären die wenigsten kastriert.

Die Leiterin des Tierheims weiß auch, warum in erster Linie Kleintiere ausgesetzt oder abgegeben werden: "Kaninchen machen von allen Tieren am meisten Arbeit", ist sie überzeugt. Das würden viele unterschätzen. Auch würden sie oft als "Spielzeug" für Kinder angeschafft. Doch Kaninchen seien keine Kuscheltiere.

Kinder bräuchten keinen Zeitvertreib mehr

"Jüngst hatte ich einen Anruf von einer Mutter, die drei Kaninchen abgeben wollte. Weil die Schule ja nun wieder regelmäßig stattfinde und die Kinder keinen Zeitvertreib mehr bräuchten." Solche Anrufe machen Sanker oft sprachlos. "Ich finde so etwas schlimm. Das sind Lebewesen und kein Spielzeug. Wer sich ein Tier anschaffe, sollte das möglichst auch bis zu dessen Lebensende behalten. Natürlich können sich immer die Lebensumstände ändern, dafür haben wir auch Verständnis."

Zu Beginn von Corona hat auch das Tierheim selbst mehr Anfragen als sonst verzeichnet. "Alle wollten sie einen Hund", erinnert sich Sanker. Doch nicht immer finde sich ein für eine Familie passendes Tier. "Wichtig ist, dass die Menschen auch an später denken. Was ist nach dem Homeoffice? Was ist, wenn wieder mehr Urlaub gemacht wird?" Fragen, die Kerstin Sanker im Gespräch mit Interessenten erörtert. "Wir haben aufgrund von Corona derzeit geschlossen, bieten aber Beratung auf Termin an." Dann bleibe Zeit für ausführliche Vermittlungsgespräche.

Meerschweinchen in Hiddenhausen ausgesetzt Das Gras noch voller Frost, Temperaturen um die 0 Grad. Inmitten zwei junge Meerschweinchen, die sich zusammenkauern, um nicht zu erfrieren. So fand Christine Engelhardt die beiden Tiere auf einem Parkstreifen neben der Kirche in Eilshausen. "Wären wir nicht informiert worden, hätten die beiden die Nacht vermutlich nicht überlebt", sagt die Tierschützerin vom Verein Tiere in Not OWL in Hiddenhausen. Eine aufmerksame Spaziergängerin hatte die Nager am Donnerstagmorgen, 6. Januar, entdeckt und den Tierschutz angerufen. Als Engelhardt gegen 11 Uhr dort ankam, zitterten die Tiere. Es sei nicht schwer gewesen, sie einzufangen. "Es war sofort zu sehen, dass das keine Wildtiere sind", sagt die Tierschützerin. "Die Meerschweinchen hätten sich zu Tode gefroren, weil sie diese Temperaturen nicht kennen."

Ansonsten hätten die beiden einen passablen Gesundheitszustand gehabt. Sie waren nicht abgemagert und fingen auch gleich zu fressen an, sobald sie in der Notunterkunft für Tiere angekommen waren. Engelhardt schätzt, dass die beiden zwischen einem halben Jahr und ein Jahr alt sind. Nach einem kurzen Check-Up beim Tierarzt sollen die beiden Rosetten-Meerschweinchen auch wieder weiter vermittelt werden können.

Ein Haustier kann draußen selten alleine überleben Es ist nicht selten, dass Engelhardt so kurz nach Weihnachten einen Anruf bekommt, bei dem ihr gesagt wird, dass ein ausgesetztes Tier gesehen worden sei. Es sei sogar eher typisch: "Junge Tiere, die als Weihnachtsgeschenk herhalten sollten, werden kurz nach den Feiertagen quasi aus dem Auto rausgeschmissen." Ja, das Phänomen sei nicht neu, aber in den vergangenen Jahren habe es extrem zugenommen, so Engelhardt. In 2020 waren es besonders viele Kaninchen, die nicht mehr gewollt wurden. Die Tierheime waren schon voll, und so wurden die Tiere kurzerhand auf die Straße gesetzt. Oder auch Wellensittiche sind auf einmal zu laut und müssen raus. Viele denken, das überleben die schon. Die haben einen natürlichen Instinkt - doch das ist nicht so, sagt Engelhardt. Und meist sind diese Tiere auch nicht geimpft, sie bekommen Krankheiten, mit denen ein Wildtier klar kommen würde, aber die ein Haustier nicht überleben würde.

Streunerstationen helfen vor dem Verhungern "Wir haben auch sehr viele streunende Katzen bei uns im Kreis Herford", sagt Engelhardt. "Die verstecken sich nur so gut, dass wir sie nicht immer sehen." Würde der Verein hier nicht mit Futterangeboten unterstützen, würden sehr viele davon elendig verhungern. So wie im vergangenen Sommer bei einem Fall in Löhne, sagt Engelhardt. Die Organisation unterstützt drei Futterstellen im Kreis Herford: In Kirchlengern direkt, in Quernheim und in Löhne. Bei zwei Stationen sind es Privatpersonen, die etwa sechs Streuner regelmäßig füttern. Eine weitere wichtige Aufgabe des Vereins sei es, die Katzen zu fangen und zu kastrieren.

Weitere Informationen und Möglichkeiten, zu helfen gibt es unter www.tiere-in-not-owl.de oder unter Tel. (01 76) 46 78 23 65.

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