Aus blinder Liebe: Mann lässt sich gleich zweimal mit dem Auto überfahren

Bielefeld. Es ist einer der skurrilsten Fälle in OWL: Aus blinder Liebe ließ sich der Gärtner Thomas R. (alle Namen geändert) gleich zwei Mal überfahren. Seine Partnerin Sabine F. aus Schloß Holte-Stukenbrock wollte die Versicherungsprämien ergaunern, weshalb R. zuvor zwei Unfallversicherungen abschließen sollte. Der depressive und suizidgefährdete Bad Pyrmonter war ihr verfallen, ließ sich aus Liebe verstümmeln, trug bleibende Schäden davon. Und am Ende stand er mit leeren Händen da.

Der Bielefelder Landschaftsgärtner lernt seine Nachbarin 1988 kennen. Zu dem Zeitpunkte hat man sie gerade wegen räuberischer Erpressung zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilt. R. ist bereit, die Schuld auf sich zu nehmen und bezichtigt sich selbst der Tat. Man glaubt ihm jedoch nicht. Sabine F. muss die Strafe verbüßen. Das bizarre Paar lebt später mehrere Jahre zusammen, zwischen den beiden entwickelt sich ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis. Es macht den Anschein, dass "Thomas R. unter ihrer Fuchtel stand", wie es am Ende im Prozess heißen wird.

Sabine F. ist in der Bielefelder Justizvollzugsanstalt inhaftiert. Dort lernt sie eine 46-jährige Bielefelderin kennen, die dort wegen versuchten Mordes an ihrem Ehemann einsitzt. Die beiden beginnen eine Liebesbeziehung. Diese Frau spielt später noch eine Rolle beim Versicherungsbetrug. Aus einer anderen Beziehung hat Sabine F. bereits ein Kind.

Die eigentliche Idee

Wieder auf freiem Fuß, kommt der gelernten Näherin im Jahr 2000 eine Idee: Sie drängt Thomas R. dazu, Unfallversicherungen abzuschließen, sich verstümmeln zu lassen und das Geld zu kassieren. Regelrecht grausig mutet der erste Vorschlag an: Um die Versicherungen zu betrügen, soll sich der 56-Jährige einen Fuß entweder von einem Zug oder mit der Motorsäge abtrennen lassen. Der Grund für diese Pläne sind Geldsorgen.

Das "feige Schwein" scheiterte bei Sabine F.s Plan

Ein Bekannter (46) der beiden aus Bielefeld soll als Zeuge den Unfall mit der Kettensäge bestätigen. Das Trio fährt in den Wald. Doch die Männer haben eine Vereinbarung getroffen: Sie werden die blutige Tat nicht vollbringen. Thomas R. erklärt Sabine F., der Plan sei gescheitert. Sie beschimpft ihn als "feiges Schwein" und macht Druck. R. willigt nun ein, sich mit dem Auto überfahren zu lassen. Und er tut es wirklich: An einem Montagabend im Januar 2001 legt sich Thomas R. auf eine Bordsteinkante. Seine Partnerin gibt am Steuer des Opel-Kadett Gas und überrollt ihn. Sie bricht ihm den Unterschenkel. Danach bringt sie ihn ins Krankenhaus. Der Plan geht auf: Die Unfallversicherung glaubt die Lüge, dass das Unglück beim Transport eines Schrankes geschah, und zahlt.

Doch Sabine F. hat noch nicht genug. Die Vollinvalidität ist nicht erreicht, die Geldgier aber groß. Sie bringt den Bad Pyrmonter diesmal dazu, Arme und Beine überfahren zu lassen. In einer Nacht im April fingieren sie den zweiten Unfall. Mit der gemieteten Mercedes-A-Klasse gibt Sabine F. Gas. Beteiligt an dem "Unfall" ist auch der 46-jährige Komplize. Er hält das "Unfallopfer" fest, damit dieses es sich nicht noch anders überlegt. F. verspricht dem Komplizen für die kleine Hilfestellung 10.000 Euro. Der Plan geht wieder auf: Thomas R. erleidet einen körperlichen Dauerschaden. Den Versicherungen wird erklärt, dass er von einer Treppe gestürzt sei. Die Prämien werden ausgezahlt. Nimmt man beide Fälle zusammen, kommen die Betrüger auf mehr als 800.000 Euro.

"Er ist für sein Leben gezeichnet"

Im Prozess sind später neben Sabine F. und Thomas R. auch der Komplize und die Geliebte der Haupttäterin angeklagt. Die 46-Jährige aus Bielefeld hat ihr Bankkonto zur Verfügung gestellt, um die Versicherungsgelder dort zu parken. Von diesem Arrangement hat sie profitiert. Sie erhält am Ende eine Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen Betruges und Geldwäsche. Der männliche Komplize bekommt dieselbe Strafe wegen schwerer Körperverletzung und Beihilfe zum Betrug.

Sabine F. aber versucht, sich auf verminderte Schuldfähigkeit zu berufen, weil sie als Kind missbraucht und in ihrer Ehe vergewaltigt worden sei. Richter Dieter Fels wirft die Frage auf, ob F. in Sicherungsverwahrung gebracht und eine zehn- bis 15-jährige Haft verbüßen soll. Das wird jedoch zurückgezogen. Oberstaatsanwalt Rainer Kahnert schreibt F. ein "brutales Verhalten" zu. Sie räume nur ein, was ihr mit Sicherheit nachzuweisen sei. Für Sabine F. geht es schließlich wieder hinter Gitter - für acht Jahre wegen gewerbsmäßigen Betruges in drei Fällen und zweifacher gefährlicher und versuchter Körperverletzung. Die Strafkammer habe in ihrem skrupellosen Fall nichts Entlastendes finden können, heißt es.

Bleibt noch der Mann, der Opfer und Täter zugleich ist: Thomas R. Die Staatsanwaltschaft stellt fest, dass er mehrfach von der rabiaten Frau krankenhausreif geschlagen wurde. Der 56-Jährige hatte versucht, in psychiatrische Krankenhäuser zu fliehen - vergeblich. Seine Partnerin hat ihn immer wieder ausfindig gemacht und wie einen Sklaven nach Hause geholt. Das Gutachten über F. ergibt: &bdquo;Sie bestimmte zunehmend sein Leben.“ Der Gärtner erhält zwei Jahre auf Bewährung wegen dreifachen Betruges. Thomas R. wird vom Oberstaatsanwalt als &bdquo;betrogener Betrüger“ bezeichnet, sei von F. &bdquo;instrumentalisiert und ausgenutzt“ worden. Sein Fazit: &bdquo;Die Folgen für ihn sind gewaltig, er ist für sein Leben gezeichnet.“

Die Reise des ergaunerten Geldes

Wie aber flog der große Schwindel eigentlich auf? Dabei spielten zwei Anwälte eine Rolle. Der erste, ein 46-jähriger Jurist aus Bielefeld, hatte Sabine F. bei den Formalitäten mit der Versicherung geholfen. Dafür stellte er ihr dann aber eine gepfefferte Rechnung über 34.000 Euro. Das wollte die Betrügerin nicht hinnehmen, engagierte einen zweiten Anwalt und zeigte den ersten wegen überhöhter Gebühren an. In den folgenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurden die Akten zu den beiden Versicherungsfällen beschlagnahmt und unter die Lupe genommen. Dabei fielen die merkwürdigen Zufälle auf. Der 46-jährige Anwalt kommt später mit einer Geldstrafe wegen leichtfertiger Geldwäsche davon. Er hatte sich von Sabine F. unter anderem 215.000 Euro überweisen lassen, um das Geld vor deren Komplizen zu verstecken. Das Gericht war der Meinung, er hätte die "dunkle Herkunft" des Geldes erkennen können.

Und was geschah am Ende mit all dem Geld, mit den 815.000 Euro? Thomas R. jedenfalls hat davon nicht viel gesehen, obwohl er als Schwerbehinderter darauf angewiesen ist. Die Spur des Geldes verliert sich laut Gericht im August 2002. Später ist die Rede von einem Geldkoffer mit zumindest 200.000 Euro in Sabine F.s Wohnung. Von dem Geld sollten wohl Kosten beglichen werden. Doch einen Großteil davon haben Sabine F. und ihre Geliebte auf Urlaubsreisen verprasst, davon war die Staatsanwaltschaft schließlich überzeugt.

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