Jahrhundertgift in Bielefeld nachgewiesen: Auch die Lutter ist betroffen

Bielefeld. Niemand kann sie sehen, schmecken oder riechen. Sie stehen im Verdacht, krebserregend zu sein, unfruchtbar zu machen und das Immunsystem zu schwächen. Gelangen sie in die Umwelt, bleiben sie dort, reichern sich immer weiter an und können die Natur, im schlimmsten Fall, zerstören. Die Rede ist von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen – abgekürzt PFAS. Von vielen nur als Jahrhundertgift oder unzerstörbare Chemikalie bezeichnet.

Eine große, internationale Recherche, in Zusammenarbeit mit WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung, hat nun herausgefunden, dass PFAS weitaus häufiger in Deutschland vorkommen als bisher bekannt – auch hier in Bielefeld.

Was sind PFAS? PFAS sind ein Oberbegriff, unter dem weit mehr als 10.000 verschiedene Stoffe zusammengefasst werden. Sie kommen in der Natur nicht vor und werden durch die Industrie künstlich erzeugt. Da sie wasser-, fett- und schmutzabweisend sind, finden sie in unzähligen Alltagsgegenständen, wie Regenjacken, Bratpfannen oder Zahnseide, Verwendung. Hier besteht aber aufgrund der geringen Konzentration keine akute Gefahr für die Menschen, außer es kommt zu Verunreinigungen.

Laut Umweltbundesamt stecken PFAS bereits im Blut von fast allen Menschen in Deutschland – aufgenommen vor allem durch Lebensmittel und Trinkwasser.

Wo wurde PFAS in Bielefeld nachgewiesen? In der Lutter, in direkter Nähe zur Kläranlage Brake, und an zwei Stellen im Senner Reiherbach hat das Rechercheteam eine teils erhöhte Konzentration festgestellt.

Während die Belastung mit 12,7 Nanogramm pro Liter in Heepen noch gering ausfällt – im Verhältnis zum ab 2026 geltenden Grenzwert von 100 Nanogramm pro Liter –, sieht es in Senne schon deutlich anders aus. Beide Orte im Süden werden als &bdquo;besonders problematische“ Hotspots betitelt. Hier liegen die Belastungen bei 138 und 345 Nanogramm pro Liter. Warum die Werte hier so hoch sind, bleibt zunächst offen. Gemessen wurden die Werte bereits in den Jahren 2015 und 2016 – aktuellere Zahlen liegen nicht vor.

Gibt es weitere Orte die mit PFAS belastet sind? Neben der in den Bächen nachgewiesenen PFAS-Belastung vermuten die Journalisten, dass auch an mehreren Industrie- und Chemiestandorten in der Stadt die giftige Substanz vorkommt. Betroffen seien die Hauptverwaltung der Papier- und Wellpappenwerke Sprick an der Hanfstraße, das Unternehmen Mitsubishi HiTec Paper Europe am Niedernholz sowie die MVA Bielefeld-Herford und die Bielefelder Kläranlage in Brake.

Grund für die Vermutung geben laut den Journalisten zahlreiche Studien. Die besagen, dass PFAS vor allem in der Nähe von Textil-, Plastik- und Papierwerken sowie rund um Deponien und Kläranlagen vorkommen.

Was sagen die betroffenen Unternehmen dazu? Sowohl Mitsubishi als auch die Stadt Bielefeld, als Betreiber der Kläranlage, teilen mit, dass nicht aktiv mit PFAS gearbeitet werde. &bdquo;Verunreinigungen durch Begleitstoffe könnten jedoch nicht ausgeschlossen werden“, so ein Mitsubishi-Sprecher.

Ähnliches ist von den Stadtwerken Bielefeld zu hören. &bdquo;Ein Austritt von PFAS-Stoffen ist aufgrund der Verbrennungs- und Reinigungsprozesse in der MVA ausgeschlossen“, sagt ein Sprecher. Untersuchungen auf dem Gelände haben keine Hinweise auf eine Verunreinigung des Bodens ergeben.

Wusste die Stadt Bielefeld vom PFAS-Vorkommen? Bereits 2006, als im Hochsauerlandkreis erhöhte Konzentrationen der Substanz festgestellt wurden, gab es Kontrollen durch die Stadt Bielefeld. Damals wurden im Bereich der Rieselfelder Windel und dem durch sie verlaufenden Reiherbach Auffälligkeiten festgestellt. Da die Werte allerdings gering ausfielen, ergab sich damals kein dringender Handlungsbedarf, so die Stadt.

Von der Verunreinigung in Heepen sei bisher nichts bekannt gewesen.

Welche Gefahr besteht für die Bielefelder Bevölkerung? Eine akute Gefahr für Menschen besteht, trotz der deutlichen Überschreitung der neuen Grenzwerte, nicht. Ein Grund: Die Lutter und auch der Reiherbach werden nicht zur Trinkwassergewinnung genutzt. In Bielefeld werde das Trinkwasser ausschließlich aus dem Grundwasser gefördert.

Aber auch wenn das anders wäre, stelle die Belastung keine Gefahr da, so das Landesumweltamt auf Nachfrage: &bdquo;Das Trinkwasser ist sicher.“ Zu viele Sicherheitsschritte liegen zwischen der Entnahme aus den Flüssen und dem Weiterleiten in die Wasserhähne.

Dennoch gilt: Je mehr PFAS produziert wird, desto eher gelangen Chemikalien in die Umwelt und machen so schließlich Menschen und Tiere krank.

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