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Gedenken im Landtag: „Ich habe nur Frieden, wenn ich tot bin“

Ingo Kalischek

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) während der Gedenkveranstaltung im Landtag. - © Oliver Berg
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) während der Gedenkveranstaltung im Landtag. (© Oliver Berg)

Düsseldorf. Es gibt viele Gedenktage im Land. So ist es mitunter nicht leicht, den Veranstaltungen immer wieder aufs Neue einen besonderen Rahmen zu verleihen. Doch den Verantwortlichen im Landtag ist genau das gelungen.

Am 27. Januar 1945 befreiten Soldaten der Roten Armee Überlebende im deutschen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Seit 1996 ist dies der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Landtagspräsident André Kuper fand jetzt in seiner Rede im Plenarsaal einen aktuellen Bezug – und auffallend klare Worte. In Anlehnung an jüngste Veröffentlichungen sagte er: Das Nachdenken über Deportationen – oder wie immer man dies auch bezeichnen möge – sei eine „Schande und Ungeheuerlichkeit“. Er erhielt langen Applaus. Die Lehren aus der Geschichte seien mehr denn je ein Auftrag an alle Menschen. Es könne und müsse kontrovers diskutiert werden, sagte Kuper. Doch die Würde des Menschen bleibe das Maß aller Dinge.

Auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) fällt in diesen Tagen zunehmend durch eine entschiedene Abgrenzung gegenüber Verfassungsfeinden auf – und findet auch gegenüber der AfD klare Worte. Wüst bezeichnete die Partei zuletzt mehrfach als „Nazi-Partei“. Während der Gedenkstunde richtete er seinen Blick vor allem nach Israel. Das Land habe nach den Überfällen der Hamas ein Recht auf Selbstverteidigung, betonte Wüst. „Wir stellen uns an die Seite Israels.“ Zugleich fühle man mit den Zivilisten in der Gaza-Region, die unter den Angriffen Israels leiden. Wüst hält es für wichtig, in NRW Kinder und Jugendliche starkzumachen gegen den Hass. „Wir müssen vor allem die erreichen, die mit einem israelfeindlichen Geschichtsbild aufgewachsen sind“, sagte Wüst. Die aktuellen Demonstrationen im Land erfüllten ihn mit Dankbarkeit, Stolz und Erleichterung.

Landesverband der Sinti und Roma spricht von historischem Moment

Dass die Gedenkstunde vor allem im Zeichen der Sinti und Roma stand, war keine Selbstverständlichkeit. Roman Franz, der Vorsitzende des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma in NRW, sagte gar, man sei jetzt an einem „historischen Punkt“ angekommen, da sich der Landtag 79 Jahre nach Kriegsende erstmalig schwerpunktmäßig der Minderheit widme. „Für uns ist das ein wichtiger Schritt zur gesellschaftlichen Anerkennung“, sagte Franz. Worte des Dankes richtete auch Michael Rado aus, Vorstand der Synagogengemeinde Köln. Während nach dem Überfall der Hamas in seinem intellektuellen Umfeld vor allem lautes Schweigen geherrscht habe, seien Vertreter der NRW-Regierung und des Parlaments auf Rado zugekommen, um ihn zu stärken.

Ergriffen zeigten sich die Landtagsabgeordneten von der Geschichte von Teresia Neger, die 1932 geboren wurde und im „Zigeunerlager“ Köln-Bickendorf aufgewachsen ist, welches von 1935 von den Nazis errichtet worden war. Neger wurde mit ihrer Familie ins Ghetto Siedlce gebracht, östlich von Warschau, und erlebte dort unzählige Gräueltaten. Die prägten ihre Lebenseinstellung auf traurige Art und Weise. „Richtig Frieden bekommt man nicht; da muss ich mit leben. Ich habe nur Frieden, wenn ich tot bin“, sagte Neger in einem eingespielten Video. Im Nationalsozialismus wurden rund 500.000 und somit mehr als zwei Drittel aller deutschen Sinti und Roma getötet.

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