Leben mit Brustamputation: Antje Proft macht Patientinnen in Bad Oeynhausen Mut

Bad Oeynhausen. Einfühlsame Geschichten über Brustkrebs beginnen mit dem Ertasten der Knötchen und der niederschmetternden Diagnose. Antje Proft dagegen steigt gut gelaunt vom Fahrrad und hält sich nicht lange damit auf. Sie erzählt von ihrem Entschluss zur Amputation und ihrem Leben ohne Busen. Die 45-jährige Bauingenieurin lebt die Botschaft vor, die sie in die Welt hinaus trägt: selbstbewusst ohne Brust.

Auf einer Fahrradtour durch Norddeutschland verbreitet Antje Proft diese Botschaft und trifft Frauen mit der gleichen Diagnose. Zehn Betroffene aus der Klinik Bad Oexen und aus der Umgebung sind gekommen, um Antje Proft 22 Kilometer auf ihrem Weg mit dem Fahrrad zu begleiten. Ihnen will die Bauingenieurin Mut zur flachen Brust machen. Und damit gleichzeitig allen künftigen Betroffenen auch eine Möglichkeit eröffnen, die vielen Frauen im entscheidenden Gespräch mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin womöglich gar nicht aufgezeigt wird.

Antje Proft erzählt von ihrem Beratungsgespräch vor der entscheidenden Operation. Da sei sie recht schnell vor die Wahl gestellt worden, ihre rechte Brust durch Silikon ersetzen zu lassen oder eine Brustrekonstruktion durch Eigengewebe machen zu lassen. Vermisst habe sie aber eine dritte Möglichkeit: die Brust nach dem Schnitt und der Entfernung des betroffenen Gewebes nicht zu ersetzen - und mit nur einer Brust zu leben. &bdquo;Ich kannte damals niemanden, der asymmetrisch lebt“, sagt sie.

Eine Operation mit Konsequenzen - auch für den Partner Etwa 100 Brustkrebspatientinnen werden in der Klinik Bad Oexen täglich betreut. Deutschlandweit bekommen jedes Jahr etwa 80.000 Frauen und 800 Männer diese Diagnose. Schwester Birte Schlinkmeier kennt viele Betroffene, die ähnliche Situationen aus dem Beratungsgespräch vor der Krebsoperation erzählen. In der kleinen Radlerrunde gibt es aber auch Gegenbeispiele. Eine Frau erzählt beispielsweise von einem intensiven und umsichtigen Gespräch bei einer Frauenärztin, die alle Möglichkeiten und die Konsequenzen aufgezeigt hat. &bdquo;Nur entscheiden müssen sie selbst“, erzählt die Betroffene. Eine andere Frau erzählt von ihren Schwierigkeiten bei der Brustangleichung nach einer Teilamputation. Dass auch die zweite Brust verkleinert werden kann, sei zunächst gar kein Thema gewesen.

Die Beratungsgespräche vor der Operation, weiß Schlinkmeier aus Erfahrung, drehen sich beileibe nicht nur um die Brustkrebspatientin. Es gebe auch Situationen, in denen den Frauen von den Medizinern bedrängt werden, sie sollten auch an ihren Partner oder ihre Partnerin denken - und sich für einen Brustersatz entscheiden. Als ob eine Frau mit halbem Busen nicht weiter eine Frau bleibe. Schlinkmeier empört dieser Engstirnigkeit und fragt: &bdquo;Geht es dabei bloß um Profit?“

Ganz falsch ist der Gedanke an den Partner oder die Partnerin nicht, das weiß auch Antje Proft aus eigener Erfahrung. &bdquo;Da müssen sie jetzt stark sein“, sagt sie ihren Zuhörerinnen, denn nach der Diagnose Brustkrebs hat sie sich von ihrem Mann getrennt. Der Krebs war nicht der Grund, aber der Auslöser. Die beiden hätten sich auseinandergelebt, erzählt sie. Allerdings stand sie dann ganz allein vor der Bewältigung der Krankheit und der Konsequenzen. Erst durch den Verein &bdquo;Ablatio Mammae - Selbstbewusst ohne Brust“ (AMSOB) hat sie Frauen getroffen, denen es ähnlich ging. Der 2019 gegründete Verein ist eine Selbsthilfegruppe von Frauen, die brustlos leben. Antje Proft ist inzwischen die Vorsitzende.

&bdquo;Der Krebs bleibt in deinem Leben“ Inzwischen lebt sie mit ihrem Mann und Vater ihrer gemeinsamen Töchter wieder zusammen. Sie teilen Tisch und Bett. Die beiden haben wieder zueinandergefunden, nach zahlreichen Umwegen. Beruflich hat sich Antje Proft in dieser Zeit allerdings radikal auf das Wesentliche konzentriert. Die Bauingenieurin hat sich selbstständig gemacht, ist jetzt ihr eigener Chef. In ihrer kleinen Firma arbeiten sieben Mitarbeiter, sie entwirft und konstruiert Fassadendämmungen. Dafür brennt die Ingenieurin.

Trotzdem schwingt sie sich für den Verein AMSOB regelmäßig in den Sattel, um auf Fahrradtouren durch die Republik von ihrem brustlosen Leben öffentlichkeitswirksam zu erzählen. Die erste Diagnose war vor zwölf Jahren, inzwischen hat sie mehrere Operationen hinter sich. &bdquo;Der Krebs“, sagt sie, &bdquo;bleibt in deinem Leben. Nach der vierten Operation habe ich das verstanden.“ Inzwischen ist sie gesundheitlich krebsfrei, thematisch aber nicht. &bdquo;Die Diagnose ist eh in meinem Leben, also mache ich was Positives daraus“, sagt sie. Für die Frauen an der Klinik Bad Oexen hat sie Post mitgebracht. Es ist &bdquo;Mutmach-Post“: ein Kuvert voller Flugblätter, Postkarten, Kontaktdaten und Netzwerkmöglichkeiten.

Die aktuelle Tour &bdquo;Brustlos nicht Rad(t)los“ führt Proft von Kassel entlang der Weser bis Bremen und dann an der Küste weiter bis Rostock, wo sie am 26. Juli ankommen muss, wie sie betont. &bdquo;Das spielt Peter Maffay ein Konzert und der fängt nicht ohne mich an“, sagt sie und lacht.

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