Polizeieinsatz im Querdenker-Milieu: Ermittlungen gegen Professor der Uni Bielefeld

Bielefeld/Wetzlar . Martin Schwab ist mit der Corona-Pandemie als Jura-Professor der Uni Bielefeld zu einer bekannten Persönlichkeit der Querdenker-Szene geworden. Denn er ist seit den ersten Corona-Maßnahmen davon überzeugt, dass die Politik mit den Einschränkungen Grenzen des Vertretbaren weit überschritten habe. Inzwischen ist der umstrittene Hochschullehrer bei zahlreichen Querdenker-Veranstaltungen und -Veröffentlichungen wichtiger Protagonist.

So hat er beim Prozess um die mutmaßliche Terrorgruppe um Prinz Reuß die Verteidigung einer mitangeklagten Parteikollegin der Partei &bdquo;Die Basis“ übernommen ( nachträgliche Anm. d. Redaktion : Schwab soll die Partei inzwischen verlassen haben). Schwab erfährt für sein Engagement in der Szene – vielen Protagonisten steht er kostenlos als Strafverteidiger zur Seite – immer wieder Gegenwind. Er wehrt sich stets dagegen, dafür in die rechte Ecke gestellt zu werden. Nun kam es in Hessen zu einem Eklat.

Journalist in Wetzlar 45 Minuten eingesperrt Am Rande einer Pressekonferenz der regierungskritischen Querdenker-Gruppe &bdquo;Axion Resist“, bei der Schwab am Freitag, 2. August, als Redner auftrat, kam es in einem Hotel in Wetzlar zu einem Polizeieinsatz. Der Journalist Joachim Schaefer (62) vom katholischen Jugendmedienprojekt &bdquo;Hessencam“ – ebenfalls aus Wetzlar – erhebt über den Nachrichtendienst &bdquo;X“ Vorwürfe, wonach ihn Verantwortliche der Veranstaltung 45 Minuten lang gegen seinen Willen im Raum der Pressekonferenz festgehalten haben sollen. Er schreibt auf X: &bdquo;Mir geht es gut, war aber sehr befremdlich – schon ein wenig Gefängnis.“

Während der Pressekonferenz sei er bereits von Zuschauern &bdquo;als Hetzer“ und &bdquo;Teil der Cancel Culture“ bezeichnet worden. Der 60-Jährige ist dafür bekannt, Videos und Interviews von rechtsradikalen und Querdenker-Veranstaltungen zu veröffentlichen. Deshalb habe man ihn seitdem im Auge gehabt.

Im Gespräch mit der Lokalredaktion berichtet er: &bdquo;Ich hatte nach der Pressekonferenz einen Bildschirm des TV-Teams als Schnittbild abgefilmt. Auf dem Bildschirm war ein Techniker mit Kopfhörer von hinten zu sehen“, sagt Schaefer. &bdquo;Das hat dann alles ausgelöst. Ich wurde deshalb massiv angegangen, sollte die Aufnahmen löschen.“ Als er sich weigert, die Aufnahme noch vor Ort zu löschen, sollen ein Rechtsanwalt und Jura-Professor Martin Schwab dazugekommen sein. Die Polizei wurde gerufen.

Schwab als Rädelsführer bei Pressekonferenz

Schwab soll bei der Aufregung um den Journalisten einer der Rädelsführer gewesen sein, sagt der 60-Jährige. &bdquo;Mir wurde verboten, den Raum der Pressekonferenz zu verlassen. Zwei Türen seien extra bewacht worden. Wenn ich eine der Türen erreichte, kam Martin Schwab immer auf mich zu, um zu verhindern, dass ich verschwinden kann.“ Dabei blieb man, bis die Polizei eintraf – nach einer dreiviertel Stunde.

Schwab selbst verweist auf Anfrage auf eine offizielle Stellungnahme des Veranstalters, in der es heißt, dass &bdquo;der Hessencam-Journalist mit seinem Handy ohne Erlaubnis der Veranstalterin und ohne Erlaubnis des für die Übertragung verantwortlichen Technikers die technische Ausrüstung für die Übertragung“ fotografiert habe.

Nachdem er sich geweigert habe, die Aufnahmen zu löschen, &bdquo;erklärten ihm anwesende Teilnehmer, er sei nunmehr gemäß Paragraf 127 Absatz 1 Strafprozessordnung festgenommen“.

Ermittlungen wegen Freiheitsberaubung

Es ist einer der sogenannten &bdquo;Jedermann-Paragrafen“. Dieser erlaubt jeder Person die Festnahme eines Tatverdächtigen, wenn er &bdquo; der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann“. Joachim Schaefer zeigt sich darüber sehr irritiert, hatte er sich doch zuvor bei der Pressefragerunde namentlich vorgestellt – und auch Zuschauer im Raum hatten ihn ja bereits erkannt und als &bdquo;Teil der Cancel Culture“ eingeordnet.

Tatsächlich ermittelt der Staatsschutz der Wetzlarer Polizei derzeit unter anderem wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung. Beschuldigt ist laut Polizeisprecher ein Rechtsanwalt aus Bayern. Schaefer betont aber, dass er insgesamt drei Personen angezeigt habe – auch Martin Schwab.

Die Polizei ermittelt aber auch wegen des Verdachts der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes – und zwar gegen Schaefer. Polizeisprecher Guido Rehr erklärt: &bdquo;Gegen 17.40 Uhr kam eine Streife der Wetzlarer Polizei in dem Hotel zum Einsatz. Ein Journalist habe dort, so ein Mitteiler, widerrechtlich Video- und Tonaufnahmen von einer Veranstaltung gefertigt. Der Journalist wurde daraufhin bis zum Eintreffen der Polizei am Verlassen der Veranstaltung gehindert.“

Verband rügt Einschränkung der Pressefreiheit Die Protagonisten hätten sich schließlich gegenseitig angezeigt, sagt der Polizeisprecher. Der Staatsschutz der Kripo ermittle seitdem, eine strafrechtliche Bewertung des Sachverhaltes durch die Staatsanwaltschaft sei aber noch nicht erfolgt. Das heißt, wer nun zu Recht und wer zu Unrecht gehandelt habe, ist noch völlig unklar. Der hessische Landesverband des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) hat inzwischen auch auf den Vorfall reagiert und ebenfalls Anzeige wegen der Einschränkung der Pressefreiheit erstattet. Das berichtet der Mediendienst &bdquo;turi2“.

Die Querdenker-Pressekonferenz, die unter dem Motto &bdquo;Vertuschung, Vernetzung, Vorverurteilung“ auf die Mechanismen von &bdquo;Alt-Parteien“ und &bdquo;Alt-Medien“ im Kampf gegen Regierungskritiker hinweisen wollte, dauerte knapp fünfeinhalb Stunden.

Bielefelds Hochschullehrer wies bei seinem Teil des Vortrags auf &bdquo;Fehlentwicklungen in diesem Land hin, denen wir entschlossen entgegentreten müssen“. Er nannte dabei mehrere Beispiele, wie Medien, Justiz und Politik durch &bdquo;gesteuerte Vorverurteilung“ Regierungskritiker bekämpften.

Veröffentlichung verbotener Compact-Ausgabe Interessant: Bevor er in seinen Vortrag einstieg, erwähnte der 55-jährige Jurist einen Bericht des Online-Portals &bdquo;Legal Tribune“ (ein Magazin zu juristischen Themen), in dem sein Name in einem Beitrag über die Wochenzeitung &bdquo;Demokratischer Widerstand“ erwähnt werde. Denn die Zeitung plane, die nächste Ausgabe des kürzlich vom Bundesinnenministerium als verfassungsfeindlich eingestuften und deshalb verbotenen Magazins &bdquo;Compact“ zu veröffentlichen.

In dem Artikel wird erwähnt, dass der Bielefelder Rechtsprofessor im Impressum der Wochenzeitung geführt wird. Die Zeitung wird vom Verfassungsschutz &bdquo;als verschwörungsideologische Veröffentlichung“ eingestuft und werde als solche zu den wesentlichen Akteuren aus der Corona-Protestbewegung gerechnet, heißt es bei Legal Tribune.

Offenbar ist das auch Schwab zu viel. Er sagt in der Pressekonferenz ausdrücklich, dass er wohl als Autor der Redaktion aufgeführt worden sei. Er habe sich aber immer als Gast-Autor und nicht als festes Redaktionsmitglied verstanden, das jeden Artikel der Zeitung inhaltlich durchwinke.

Bielefelder Professor nicht mehr im Impressum Auch die Uni Bielefeld habe ihn dazu bereits befragt. &bdquo;Die Uni legt großen Wert darauf, dass ich keine Meinungen äußere oder mit solchen in Verbindung gebracht werde, die darauf hindeuteten, es gebe hier keinen Rechtsstaat und keine Demokratie mehr.“ Schwab machte dabei deutlich, dass er in Deutschland bei aller Kritik sehr wohl eine Rechtsstaatlichkeit sehe.

Mit Blick auf die erwähnte Wochenzeitung betonte der Hochschullehrer für Bürgerliches Recht, Verfahrens- und Unternehmensrecht, dass er nicht die Verantwortung für den Gesamtinhalt der Wochenzeitung übernehme, sondern nur für seine eigenen Texte und Inhalte, die er der Zeitung ohne Honorar zur Verfügung stelle.

Auf Anfrage teilt Schwab mit, dass er ab Ausgabe 183 deshalb nicht mehr im Impressum auftauchen werde, in der Ausgabe 182 zumindest noch als Autor. Damit wolle er dem unrichtigen Eindruck entgegenwirken, er bekäme die Texte anderer Autoren zu Gesicht und sei Mitglied der Redaktion. Er werde aber weiterhin ehrenamtlich als Kolumnen-Autor für die Zeitung tätig sein.

So reagiert die Uni Bielefeld Das Uni-Rektorat hatte auf Druck der Öffentlichkeit zur &bdquo;Causa Schwab“ schon während der Corona-Pandemie deutlich gemacht, dass man &bdquo;dezidiert anderer Meinung“ sei als Schwab. Man nehme aber zur Kenntnis, dass sich der Jurist auf die Meinungsfreiheit berufe, die ein hohes Gut sei.

Die Uni Bielefeld gab zwar an, grenzwertige Aussagen des umstrittenen, aber fachlich anerkannten Professors zu prüfen. Zu Konsequenzen hatte bisher aber keine der Überprüfungen geführt. Schwab verzichtet allerdings auf Wunsch seiner Dekanin seitdem auf Videoauftritte aus seinem Dienstzimmer heraus – etwa für das Format &bdquo;Corona Ausschuss“.

Auf die Frage, wie sein Lehrauftrag an der Uni mit dem regelmäßigen Einsatz als Strafverteidiger für Querdenker oder im Großprozess um Prinz Reuß zu vereinbaren sei, antwortete der verbeamtete Hochschullehrer auf der Pressekonferenz: &bdquo;Verteidiger können Rechtsanwälte sein oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule.“

Kostenlose Verteidigung sei&bdquo;Justizforschung“ Dies erlaube es ihm ohne weiteres, als Verteidiger an Strafverfahren teilzunehmen. Er habe seiner Hochschulleitung dazu mitgeteilt, dass er für diese Tätigkeit kein Geld nehme: &bdquo;Für mich ist das Teil einer Justizforschung. Eine Analyse, die ich erst in ein paar Jahren abschließen werde.“ Im Fall des Mammut-Prozesses um die Prinz-Reuß-Gruppe sei er zudem nur Wahlverteidiger. Das heißt, dass er nicht immer da sei. &bdquo;Im Kollisionsfall gehen Vorlesungen an der Uni immer vor“, betont er. &bdquo;Dann kann ich nicht ins Gericht.“

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