Geschäft mit dem Mitleid: Bielefelderin kämpft gegen organisierte Bettler mit Hunden

Bielefeld. Der Mann mit der gelben Strickmütze und der blauen Steppjacke sitzt unübersehbar mitten in der Bielefelder Fußgängerzone auf einer roten Isomatte. Links und rechts zwei Hunde neben sich. Der Labrador und der Akita Inu sind gegen die winterliche Kälte an diesem Tag mit Decken abgedeckt. Vor sich hat das Trio ein Weidenkörbchen. Denn der Mann auf der Bahnhofstraße bettelt um Spenden.

Immer wieder wirft ein mitleidiger Passant ein Geldstück hinein. Ein Anblick, der Annette Seidensticker Zornesfalten auf die Stirn treibt. Sie würde der &bdquo;Bettel-Mafia“, wie sie sagt, gerne das Handwerk legen und bombardiert daher die Behörden mit Anzeigen.

Zur Weihnachts- und Winterzeit tauchen in der Tat Bettlerinnen und Bettler in der Bielefelder Innenstadt auf, die in der übrigen Jahreszeit nicht zu sehen sind und nicht zur heimischen Szene gehören. Tierschützer gehen davon aus, dass diese aus Osteuropa kommen. Das gilt auch für den Mann mit dem dunklen Bart, bunter Zipfelmütze und Beagle-Hund. Oder für die Frau, die mit einem Husky in der Innenstadt bettelt. Auffällig ist, dass ihr Weidenkörbchen optisch dem des Mannes mit der gelben Strickmütze gleicht.

Bielefelderin fordert Verbot des Bettelns mit Hunden Tierfreundin Annette Seidensticker und die Initiative &bdquo;Pro Bella“, die seit zwei Jahren für ein Verbot gegen das systematische Betteln mit Tieren kämpft, sind sich sicher, dass es sich bei den Bettlern mit Hunden um Mitglieder organisierter Banden handelt, von denen Tierschützer annehmen, dass sie aus Osteuropa kommen. Diese seien bundesweit in Städten unterwegs sind, um mit wechselnden Tieren den gutgläubigen Passanten das Geld aus der Tasche ziehen.

&bdquo;Im Vorjahr war der Mann mit der gelben Strickmütze beispielsweise mit zwei Beagle unterwegs“, schildert die 55-jährige gebürtige Bielefelderin. Ein perfides System des Almosengeschäftes. &bdquo;Die sind wie Drückerkolonnen“, sagt Seidensticker.

Hunde müssen im dicksten Trubel stundenlang stillsitzen Stundenlang hocken die Mensch-Hunde-Teams in der Bielefelder Innenstadt, auch an wechselnden Standorten. Es gebe wenig bis keinen Auslauf für die Tiere, klagt Annette Seidensticker. Sie seien an kurzen Leinen fixiert und müssten inmitten des Weihnachtsmarkttrubels ausharren.

Die Bedürfnisse und Gefühle der Tiere würden &bdquo;grob fahrlässig missachtet“. Und wohin die Tiere mit ihren &bdquo;Haltern“ am Abend verschwänden, sei völlig offen. Den Versuch, einem Bettler zu folgen, haben sie im Dunklen am Kesselbrink abgebrochen.

&bdquo;Pro Bella“ spricht von moderner Sklaverei. Die Tiere, die nicht selten sediert würden, damit sie so ruhig bleiben, oft auch krank seien, fristeten auf der Straße &bdquo;ein elendes, trostloses und hoffnungsloses Dasein“. Die Mitglieder der Initiative sammeln überall Beweise für das Vorgehen der Bettelbanden, die möglicherweise im Ruhrgebiet ihre Zentrale haben, dokumentieren die Hunde, versuchen die Tiere den Bettlern entziehen zu lassen.

In Bielefeld hat Annette Seidensticker mit ihren bisherigen Anzeigen bei Polizei, Ordnungs- und Veterinäramt bislang keinen Erfolg gehabt. Ebenso wenig bei der Landesbeauftragten für den Tierschutz oder dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV).

Bielefelder Tierschützerin beklagt unbefriedigende Reaktionen auf Anzeigen Entweder habe es keine Reaktion gegeben, ihre Beschwerde sei erst einmal weitergeleitet worden oder es sei die Rede davon, dass bei Kontrollen &bdquo;keine tierschutzrechtlichen Probleme festgestellt“ worden seien. Das hat das Büro der Bielefelder Oberbürgermeisterin Annette Seidensticker just schriftlich gegeben. Die 55-Jährige, die selbst einen Hund und eine Katze hat, ärgert sich, dass die ihr zur Verfügung gestellten Prüfberichte sich auf Kontrollen im Februar und März beziehen, es sei kein aktueller Fall dabei.

Auf Nachfrage dieser Redaktion erklärt das Presseamt der Stadt Bielefeld, dass dem Ordnungsamt keine &bdquo;Erkenntnisse über organisierte Bettelei“, vor allem in Bezug auf das Mitführen von Tieren, vorlägen. Das Ordnungsamt schreite bei aggressivem Betteln ein. Passanten hätten die Möglichkeit, in solchen Fällen das Ordnungsamt (Stadtwache, Ordnungstelefon) zu informieren.

Eine tierschutzrechtliche Bewertung hänge von der Einzelfallprüfung ab. Bei solchen &bdquo;konnten bisher keine tierschutzrelevanten Probleme festgestellt werden“. Bei Kontrollen nach Hinweisen von Passanten müsse der Bettler auch an dem angezeigten Ort angetroffen werden. &bdquo;Dies ist bei Menschen, die sich durch die Stadt bewegen, mitunter schwierig“, heißt es seitens der Stadt.

Passanten sollten organisierten Bettlern kein Geld geben &bdquo;Wenn es sein muss, bastel ich ein Plakat und stelle mich demnächst stumpf neben einen solchen Bettler“, sagt Annette Seidensticker kämpferisch. Die gelernte Sekretärin und Fremdsprachenkorrespondentin möchte nämlich auch erreichen, dass die Menschen den organisierten Bettlern kein Geld mehr geben. &bdquo;Das alles beschäftigt mich sehr“, so die 55-Jährige. &bdquo;Da muss etwas passieren, das darf so nicht weitergehen.“

Das sieht beispielsweise auch der Tierschutzverein München so, der auch zur Oktoberfest-Zeit im Einsatz gegen die &bdquo;Bettel-Mafia“ war. Täglich habe es Meldungen von besorgten Wiesn-Besuchern über Bettelhunde in erbärmlichen Zustand gegeben. Sechs von zehn Hunden habe das Münchener Veterinäramt &bdquo;befreit“, heißt es auf der Homepage des Vereins.

Dass die Menschen in diesen Bettel-Banden selbst oft Opfer und hilfsbedürftig sind, stehe außer Frage, so der Tierschutzverein München. &bdquo;Sie würden ihren Lebensunterhalt sicher lieber auf andere Weise verdienen. Doch dabei unschuldigen, wehrlosen Tiere derartiges Leid zuzufügen, ist unentschuldbar.“ Das Tierheim in Soest kämpft ebenfalls für ein Verbot und hat vor zwei Jahren eine Petition gestartet , allerdings mit überschaubarem Erfolg.

Paderborn hat vor Jahren ein Verbot ausgesprochen Die Stadt Paderborn hat, im Gegensatz zum Oberzentrum Bielefeld, bereits im April 2017 ein Verbot des Bettelns mit Hunden im Stadtgebiet ausgesprochen. Ob dies durchgängig beachtet oder umgesetzt wird, ist dieser Redaktion nicht bekannt.

Hamburg, Stuttgart und Frankfurt am Main haben örtlich oder zeitlich begrenze Regelungen. Die Maßnahmen sollen zuvorderst das Tierwohl schützen, nicht die Bettelnden bestrafen.

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