Konsum-Karussell: Warum Eltern gerade im Advent öfter „Nein“ sagen sollten

Bielefeld. Morgens als Erstes ein Geschenk aus dem Adventskalender. In Schule und Kita gibt es Plätzchen im Morgenkreis. Nachmittags geht es auf den Weihnachtsmarkt. Dann ist Nikolaus. Wunschzettel fürs Christkind muss auch noch sein. Wer Kinder hat, der weiß: Der Advent ist für Familien nicht nur eine besinnliche, sondern auch eine stressige Zeit – und das liegt am ständigen Angebot.

Weil es immer irgendwo etwas gibt oder geben könnte, steigt die Erwartungshaltung der lieben Kleinen nämlich ins Unermessliche. Und das führt zwangsläufig ständig zu Streit und Diskussionen, weiß Alexandra Langmeyer. Sie arbeitet beim Deutschen Jugendinstitut in München in der Fachgruppe &bdquo;Lebenslagen und Lebenswelten von Kindern“. &bdquo;Viele Kinder sind es heute grundsätzlich nicht mehr gewohnt, dass Bedürfnisse nicht befriedigt werden.“

Hinzu kommt, dass Kinder eben nicht nach dem Motto funktionieren: je mehr, desto zufriedener. Sondern sie vergrößern ihre Erwartungshaltung proportional zum Angebot. Das heißt konkret: Wenn Fünfjährige morgens schon einen Playmobil-Piraten im Adventskalender vorfinden, sehen sie dem Rest des Tages eher in gespannter Erwartung auf weitere Präsente entgegen, statt sich damit zu begnügen, was sie schon haben.

Kinder müssen Frustrationstoleranz lernen Wird diese Erwartung nicht erfüllt, gibt es Knatsch. Gerade das müssen Kinder aber lernen, weiß Langmeyer. &bdquo;Genauso wichtig, wie Langeweile auszuhalten, ist es für Kinder, zu erfahren, dass Wünsche nicht sofort oder auch mal gar nicht in Erfüllung gehen – und somit einen angemessenen Umgang damit zu lernen.“ Nennt sich: Frustrationstoleranz.

Das klingt super. Ist aber für Eltern ein hartes Stück Arbeit und erfordert viel Geduld, wenn sie permanent Nein sagen, diskutieren und die anschließende schlechte Laune aushalten müssen. &bdquo;Das ist aber wichtig“, sagt Kirsten Schlegel-Matthies, Studiendekanin an der Universität Paderborn und Expertin für Ernährung, Konsum und Gesundheit. &bdquo;Sonst befeuern sie eine ungeheure Konsumspirale aus steigenden und erfüllten Ansprüchen. Wo soll das dann noch hinführen?“

Teilweise ist es aber auch einfach eine Frage von Tagesplanung und Absprache, wie viele Konflikte es gibt. Ein Gang über den Weihnachtsmarkt birgt zwangsläufig Streitpotenzial: Kinderkarussell hier, gebrannte Mandeln da, dann kommt noch die riesige Wolke bunter Folienballons und der Holzspielzeugstand. &bdquo;Da hilft es, sich mit Kindern vorher genau auseinanderzusetzen, Absprachen zu treffen: Was ist dir wichtig und wie viele Wünsche werden wir dir erfüllen? Und das dann auch durchzuziehen“, erklärt Schlegel-Matthies.

Waren-Weihnacht statt wahre Weihnacht Expertin Langmeyer findet es zudem auch wichtig, die Familie mit ins Boot zu holen, auch hier klare Absprachen zu treffen: &bdquo;Wenn man selber einen Adventskalender für die Kinder hat, kann man dem Rest der Familie kommunizieren: Bitte keine weiteren Exemplare schicken. Oder einen gemeinsamen Adventskalender zusammenstellen. An Weihnachten können sich alle für ein großes Geschenk verabreden, statt 15 kleinere unter den Baum zu legen.“

Denn am Ende schadet die Flut der Geschenke und Süßigkeiten nicht nur dem Familienfrieden, sondern tut auch den Kindern nicht gut. &bdquo;Kinder können irgendwann gar nicht mehr wahrnehmen, wenn etwas besonders ist, sind völlig reizüberflutet. Bei ihnen ist weniger oft mehr“, erklärt Langmeyer.

In den Augen von Schlegel-Matthies ist auch die Wertschätzung von Dingen beim Überangebot problematisch: &bdquo;Da wird dann nur noch Geschenkpapier aufgerissen, die Dinge fliegen in die Ecke und bleiben da. Das ist dann Waren-Weihnacht. Und hat mit der Idee von der wahren Weihnacht nichts mehr zu tun.“

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