NRW-Landtag geht in die Schulen: „Können Sie den Döner günstiger machen?“

Herr Kuper, wir erleben auf Bundesebene gerade die Anfänge eines dreckigen Wahlkampfs. Wie nehmen Sie als Landtagspräsident die Diskussionskultur im Land wahr?

André Kuper: Politik ist insgesamt emotionaler geworden, auch im privaten Umfeld. Wenn man auf einem Geburtstag über Politik spricht, dann geht es da teilweise heftiger zu als früher. Und das ist hier im Landtag auch so. Das ist nicht außergewöhnlich. Streit hat ja auch etwas Konstruktives. Auch im Parlament streiten wir in der Sache um Lösungen; aber genauso wichtig ist es, dass die Fraktionen außerhalb der Debatte eine zwischenmenschliche Ebene aufrechterhalten, um Kompromisse finden zu können. Das findet statt und das ist gut.

Wenn Abgeordnete verbal aus der Reihe tanzen, dann können Sie Rügen aussprechen, also quasi Verwarnungen. Macht sich die Entwicklung daran bemerkbar?

Ja, die Zahl der Ordnungsmaßnahmen hat zugenommen. Früher gab es rund fünf bis acht Rügen in den fünf Jahren einer Wahlperiode; in der letzten haben wir bereits einen traurigen Rekord mit 113 Rügen erlebt – und jetzt liegen wir zur Halbzeit bereits bei 90. Das zeigt schon, dass sich das Klima im Parlament verändert hat. Es ist rauer geworden. Als Präsident habe ich die Aufgabe eines Schiedsrichters und mache gute Debatten möglich. Einen Ausschluss aus dem Parlament gab es hingegen erst zweimal: 1998 und 2010.

60 der 90 Rügen gehen auf das Konto der AfD. Wie nehmen Sie den Umgang mit der AfD wahr? Gibt es Kooperationen?

Es gibt keine gemeinsamen Anträge der anderen Fraktionen mit der AfD. Aber bei der Besetzung von Funktionen in Gremien unterscheiden wir uns in Nordrhein-Westfalen von einigen anderen Ländern. In der Regel enthalten sich die anderen Fraktionen, sodass die AfD mit ihren Stimmen ihre Abgeordneten in die Funktionen hineinbringen kann, zum Beispiel als Vorsitzende eines Ausschusses.

Als Landtagspräsident besuchen Sie regelmäßig Schulklassen. Warum?

Demokratie ist eine permanente Baustelle, und sie erlebt gerade einen Stresstest. Deshalb finde ich es so wichtig, dass wir vor allem zu jungen Menschen fahren, um mit ihnen darüber auf Augenhöhe zu sprechen. Ich bin fast jeden Montag in einer der vielen Schulen des Landes und diskutiere dort mit 50 bis 200 Schülerinnen und Schülern. Gemeinsam mit meinen Stellvertretern, den Vizepräsidenten, kommen wir so auf rund 30.000 Kontakte außerhalb des Landtags. Zusätzlich haben wir 20.000 Kontakte mit jungen Leuten im Landtag. Das sind ganz wertvolle Begegnungen.

Über was denken die Schüler nach?

Häufig muss ich schmunzeln, zum Beispiel wenn ich in Grundschulen gefragt werde, ob wir den Preis für den Döner nicht günstiger machen könnten. Es gibt aber natürlich auch Themen wie den Klimawandel, für den sich vor allem die Oberstufen interessieren. Die Schüler fragen uns auch, was wir im Landtag gegen den wirtschaftlichen Abschwung tun und wie es mit der Migration weitergeht. Ein Dauerthema ist auch die Generationengerechtigkeit am Beispiel der Rente. Ich bin erstaunt, wie gut informiert die Schüler da sind.

Wie erleben Sie die Gespräche?

Zu Beginn werde ich oft gefragt, was meine Meinung zu einem Thema ist. Ich weise dann darauf hin, dass es nicht um meine Meinung geht, sondern darum, zu eigenen Meinungen zu kommen. Man muss sich seriös informieren, eine eigene Meinung bilden und dann den Mut haben, diese zu vertreten. Darum geht es – und das zeichnet die Demokratie ja letztlich auch aus. Ich erlebe im direkten Kontakt eine lebendige Debatte. Wenn wir offen auf Augenhöhe auf die jungen Menschen zugehen, sind sie auch bereit, sich in die Debatte einzubringen. Und die Themen, die sie bewegen, ähneln weitgehend den aktuellen Themen.

NRW plant, das Wahlalter auf 16 herunterzusetzen. Wird das kommen?

Das entscheiden die Fraktionen im Parlament. Als Landtag unterstützen wir seit einigen Jahren die Juniorwahlen, bei denen die Schülerinnen und Schüler das Wählen üben. Denn viele junge Menschen erleben es leider nicht, dass ihre Eltern wählen gehen. Bei den Juniorwahlen stellen die Schulen parallel zur Echtwahl eine Wahl nach, zum Beispiel die letzte Europawahl. Die Schüler ab 14 Jahren dürfen dann dort wählen und die Stimmen auszählen. In den Wochen davor beschäftigen sie sich im Unterricht mit den Wahlprogrammen der Parteien. Früher haben NRW-weit nur rund 150 Schulen teilgenommen. Zuletzt bei der Europawahl waren es mehr als 1.100 Schulen. Ich begrüße das sehr, denn das stärkt unsere Demokratie.

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