AfD-Hochburgen in OWL: Warum wählen die Menschen hier rechts?

Augustdorf/Lage/Espelkamp. Die politische Landkarte in OWL hat sich von rot nach schwarz gefärbt. Blau ist zwar die Ausnahme, aber sichtbar auf der Landkarte. In drei Kommunen in OWL hat die AfD bei der Bundestagswahl die Mehrheit der Stimmen gewonnen. Was ist da passiert?

&bdquo;Keiner da, den man wirklich wählen kann“: Blick nach Augustdorf (Lippe) Es hat etwas geregnet. Ein grauer Tag in Augustdorf. Hier wird gebaut, dort getankt, hier der Hund Gassi geführt, dort gejoggt. Überall hängen noch Wahlplakate. Sie zeigen Gesichter, die noch vor ein paar Tagen eine Rolle in der Bundespolitik spielten, heute aber nicht mehr. Es gibt kaum welche von der AfD, denn Werbung mussten hier eher die anderen Parteien machen.

In der Sennerandgemeinde wählte jeder Dritte AfD. Die paar Plakate, die hier aufgehängt worden sind, werben für &bdquo;Zeit für Frieden“ und &bdquo;Sichere Grenzen“. Dinge, um die man sich in der nahen Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne ohnehin mit Priorität kümmert.

Auch interessant: Warum hat die AfD in Lage und Augustdorf besonders viele Stimmen bekommen?

Gerade biegt ein Bundeswehr-Bus voller Soldaten um die Ecke – ein alltägliches Bild im Ort, in dem eigentlich jeder, den man fragt, eine Meinung zum Wahlergebnis hat und die auch gerne äußert. &bdquo;Ich sehe das ganz neutral“, erklärt eine junge Frau zum Wahlergebnis in ihrem Heimatort. Es ist ihr anzusehen, dass es für sie keine große Rolle spielt. &bdquo;Jeder hat seine Meinung. Mir ist das eigentlich eher egal.“ Ihr Freund pflichtet nickend bei, ist halt so.

Wahlergebnis ist &bdquo;erschreckend, aber nicht überraschend“ Ein anderer junger Mann, augenscheinlich mit Migrationshintergrund, zuckt ebenfalls mit den Achseln. Ist ihm ebenfalls eher egal, wie in Augustdorf gewählt wurde. Dennoch - jede dritte Stimme für die AfD, wenn er so überlegt, da findet er: &bdquo;Weniger wäre schon besser.“ Eine ältere Dame, die gerade einkaufen will, wiederum war überrascht vom Wahlresultat in ihrem Wohnort. &bdquo;Aber es ist ja auch keiner da, den man wirklich wählen kann“, findet sie. Bürgernähe – die suche man ja bei allen Parteien und fühle sich eigentlich bei gar keinem gut aufgehoben.

Ein Mann mittleren Alters wiederum, er steigt gerade aus dem Auto aus, findet das Wahlergebnis in seinem Ort durchaus erschreckend, aber auch nicht überraschend. Es sei schon schlimm, wenngleich ja nicht so schlimm wie in den neuen Bundesländern. Und wenn man sich überlege, was da noch folgen könne im Zuge der Regierungsbildung und wenn das alles nicht so gelingt ... Neulich habe er im Fitnessstudio mit jüngeren Menschen aus dem Osten oder mit Migrationshintergrund gesprochen. Da habe ihn schon gewundert, dass ausgerechnet die sagten, dass sie AfD wählen wollen.

Zum Thema: Sieger und Verlierer der Wahl in Lippe

In Augustdorf haben 37,6 Prozent der Wähler für die Erst- und 37,0 Prozent bei der Zweitstimme ihr Kreuz bei der AfD gemacht. Und das ist eine ziemliche Entwicklung. Sie legte damit in der Sennerandgemeinde gegenüber der Bundestagswahl von 2021 um rund 20 Prozent zu. Bei der Gemeinderatswahl 2020 hatte die AfD in Augustdorf noch keine Rolle gespielt.

Bundestagswahlergebnis &bdquo;kein Augustdorfer Werk“ Bei der letzten Landtagswahl 2022 erzielte sie hier 14,1 Prozent und hatte damit gegenüber der vorherigen Abstimmung fünf Prozent gewonnen, war aber noch drittstärkste Kraft hinter CDU und SPD. Bei der Europawahl 2024 sah das schon anders aus. Da war die AfD mit 27,1 Prozent bereits die zweitstärkste Partei – und erreichte das beste Wahlergebnis in OWL.

Was sind die Gründe? SPD-Bürgermeister Andreas Katzer hatte zur Europawahl im vergangenen Jahr gesagt: &bdquo;Ich kann mir nur denken, woran es nicht liegt. Die kommunalpolitische Arbeit hatte keinen Einfluss auf das Ergebnis. Die Einflüsse liegen auf Bundesebene. Das Ergebnis ist kein Augustdorfer Werk.“ Die Bevölkerungsstruktur mit vielen Spätaussiedlern war aus Sicht des Bürgermeisters jedenfalls nicht ausschlaggebend für die vielen AfD-Stimmen vor Ort, &bdquo;auch wenn vielleicht andere Einschätzungen des Ukraine-Kriegs eine Rolle spielen“.

Ein Blick in das benachbarte Detmold, wo die AfD insgesamt 22,1 Prozent der Zweitstimmen und 21,8 Prozent der Erststimmen erreichte, wiederum zeigt im Vergleich: Im Wahlbezirk Herberhausen/Hakedahl, in dem viele Menschen mit russlanddeutschem oder Migrationshintergrund leben, erzielte die AfD sogar 62,9 Prozent der Erststimmen. Solche Quoten erreichte in Augustdorf kein Wahlbezirk auch nur annähernd, sondern maximal 49 Prozent.

&bdquo;Ich bin entsetzt“: Blick nach Espelkamp (Kreis Minden-Lübbecke) Große Anteile für die AfD gab es bei den jüngsten Wahlen in einzelnen Espelkamper Stimmbezirken immer wieder. Bei der Bundestagswahl 2025 aber wird die AfD hier stärkste Kraft. Fast jeder dritte Wahlberechtigte in Espelkamp stimmt am Sonntag für die AfD.

Vor allem die Kernstadt färbt sich auf der politischen Landkarte nach und nach hellblau ein, nicht so sehr die Ortschaften. Dort, wo in den vergangenen Jahren neue Baugebiete entstanden sind, schneidet die in Teilen als gesichert rechtsextrem geltende AfD gut ab.

Espelkamp &bdquo;als AfD-Hochburg verschrien“ Der Tag nach der Bundestagswahl: Peter Dürr und seine Familie leben gern hier. Dürr engagiert sich auf vielseitige Weise – etwa für den Erhalt eines kleinen Supermarktes im Herzen der Stadt. Viele Senioren leben hier und schätzen diesen Nahversorger. Da könne man nichts machen, habe er angesichts der Schließungspläne gehört. Das hat Peter Dürr nicht so hinnehmen wollen. Und setzt sich ein.

Sich einsetzen, Dinge nicht anderen überlassen, sagt er auch am Tag nach der Wahl. Das Abschneiden der AfD sorgt ihn: &bdquo;Das Ergebnis ruft uns alle auf, uns für die Demokratie einzusetzen. Wir müssen eine gute Politik für die Bürger machen.“ Den antidemokratischen Tendenzen und scheinbar einfachen Lösungen müsse man mit &bdquo;guter und Vernunft geführter Kommunalpolitik“ begegnen, betont Peter Dürr: &bdquo;Und dann bin ich optimistisch: Wenn man auf die Sorgen der Menschen hört, ihre Anliegen ernst nimmt, dann honorieren sie das.“

Bestürzt über das Abschneiden der AfD in ihrem Heimatort zeigt sich eine Espelkamperin, die sich politisch in der CDU engagiert. Sie hofft, dass es ein Ausrutscher bleibt und bei der anstehenden Kommunalwahl im Herbst ein anderes Ergebnis steht: &bdquo;Wir sind seit der letzten Wahl als AfD-Hochburg verschrien, aber jetzt hat es sich noch gesteigert. Ich kann meine Bestürzung über das Ergebnis eigentlich noch gar nicht in Worte fassen und kann auch nicht nachvollziehen, warum die Menschen diese volksverhetzende Partei wählen.“

In den Geschäften der Stadt ist zwar auch der Ausgang der Bundestagswahl Gesprächsthema. Doch wird hier weniger über das Abschneiden der AfD vor Ort gesprochen, als vielmehr über die künftige Regierung mit Friedrich Merz an der Spitze diskutiert.

Wahlergebnis ist &bdquo;Ausdruck großer Unsicherheit“ &bdquo;Ganz furchtbar“, bewertet eine 78-Jährige das Ergebnis der AfD. &bdquo;Ich bin entsetzt“, sagt sie. Gleich morgens beim Sport sei sie darauf angesprochen worden. Man wolle ja kaum noch sagen, dass man aus Espelkamp kommt. Mit Blick auf die Kommunalwahl im September müsse sich jetzt sogar der CDU-Bürgermeister fragen, ob er wiedergewählt werde.

Und was sagt Bürgermeister Henning Vieker? &bdquo;Das ist insgesamt Ausdruck einer großen Unsicherheit und Unzufriedenheit vieler Menschen mit der Bundespolitik der vergangenen Jahre.“ Die neue Bundesregierung müsse jetzt schnell vernünftige Lösungen anbieten und damit Vertrauen schaffen. Vieker weiter: &bdquo;Ich traue das einer Koalition aus CDU/CSU und SPD mit einem Kanzler Friedrich Merz aber auch zu.“

SPD und Grüne? &bdquo;Den Mist brauchen wir nicht mehr“: Blick nach Lage (Lippe) Es hängen wenige AfD-Wahlplakate am Straßenrand auf dem Weg nach Hardissen, eine Alice Weidel lächelt für die AfD, auf der Rückseite geht es um &bdquo;Zeit für die freie Meinung“. In Hardissen, einem von 15 Ortsteilen in Lage, hat die AfD ein Rekordergebnis eingefahren, 48,0 Prozent der Erst- und 46,2 Prozent der Zweitstimmen sind es am Ende.

Eigentlich geht es in der Grundschule Hardissen an diesem Morgen um eine große Musicalaufführung, doch das Wahlergebnis der AfD in diesem Ortsteil Lages ist im Pressegespräch Thema. Denn was sich in der Grundschule zeigt, ist ein Puzzlestück, will man verstehen, warum die AfD keine Wahlplakate braucht.

In Hardissen gibt es viele Familien, die Mitte der 1980er-Jahren aus Russland gekommen sind. Sie sind unterschiedlich integriert. Die Leiterin der Grundschule stellt fest, dass der Schulalltag deutlich komplexer geworden ist. Man komme einigen Familien sehr entgegen, um den Schulfrieden zu wahren. Es gebe Diskussionen, wenn Klassenfahrten geplant werden, Kinder zum Zahnarzt gehen sollen, Autoren lesen - die Kinder würden dann auch schon mal von Eltern krank gemeldet.

Viel Zuspruch für CDU – &bdquo;Aber die wählen trotzdem anders“

Erhard Kirchhoff, ehemaliger Leiter einer weiterführenden Schule und CDU-Ratsherr, hat gerade kurz vor der Wahl eine Bürgerversammlung erlebt, in der die CDU viel Zuspruch bekommen habe. Sie setze sich für den Hochwasserschutz ein, ist gegen die Erweiterung der Schießanlage. &bdquo;Aber die wählen trotzdem anders“, sagt er.

NRW-weite Besonderheit: Wo die AfD in OWL stark zulegt

Warum das so ist, daraus macht Klaus Hirschberg keinen Hehl, während er am Supermarkt seinen Geschäften nachgeht: &bdquo;Die brauchen eins auf die Fresse, damit die wach werden.“ Er meint die, die sich in der demokratischen Mitte befinden. Was hier im Land ablaufe, könne man nicht gutheißen. &bdquo;Selbst Ausländer wählen AfD – merkste was, Mädchen?“, sagt er. Er bezeichnet sich selbst als überzeugtes Mitglied der AfD, das hofft, dass sich &bdquo;Friedrich Merz besinnt und die AfD mitregieren lässt“. Damit sich etwas ändert. &bdquo;SPD und Grüne hatten wir – den Mist brauchen wir nicht mehr.“

&bdquo;Wir schaffen das, hieß es. Das sehen wir ja jetzt“

Unterstützung bekommt er von einem 40-Jährigen, der seinen Namen nicht nennen möchte. Der gelernte Koch spricht mit Akzent. Er kommt ursprünglich aus Thüringen. Zehn Jahre lang habe er CDU gewählt, aber das komme für ihn nicht mehr infrage. Einzig die AfD könne etwas bewirken. &bdquo;Obwohl die sicher nicht mitregieren werden. War in Thüringen auch so, die werden nicht rangelassen, keiner will mit ihnen zusammenarbeiten“, sagt er. Dabei sei die AfD keine Nazi-Partei. Er selbst habe überhaupt nichts gegen Ausländer, die sich in Deutschland integrieren. &bdquo;Aber die, die hier kriminell sind, gehören weg.“

Ob er sich unsicher in Hardissen und in Lage fühlt? Darauf gibt es kein direktes Ja, aber: &bdquo;Wir hören doch jeden Tag, dass welche abgestochen werden.“ Warum er für die CDU keine Kreuzchen mehr macht? &bdquo;Die Merkel hat die Ausländer alle reingeholt. Wir schaffen das, hieß es. Das sehen wir ja jetzt“, sagt er und Bitterkeit schwingt mit. Es sei für ihn völlig unverständlich, &bdquo;dass alle Leute schimpfen über das, was hier passiert, aber die Kreuzchen machen sie bei CDU und SPD“.

AfD-Hochburgen in OWL: Warum wählen die Menschen hier rechts?

Warum die AfD in Lage und Augustdorf besonders viele Stimmen bekommen hat

AfD bei Kommunalwahl die drittstärkste Kraft: Das sind die Hochburgen in OWL

NRW-weite Besonderheit: Wo die AfD in OWL stark zulegt

CDU gewinnt deutlich in NRW

Taktisch wählen bei der Bundestagswahl: Das gilt es zu beachten

Wüst: Union kann mit Wahlergebnis nicht zufrieden sein

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus!

0,99 Euro im ersten Monat

Weiterlesen mit LZplus

Warum die AfD in Lage und Augustdorf besonders viele Stimmen bekommen hat

AfD bei Kommunalwahl die drittstärkste Kraft: Das sind die Hochburgen in OWL

NRW-weite Besonderheit: Wo die AfD in OWL stark zulegt

CDU gewinnt deutlich in NRW

Taktisch wählen bei der Bundestagswahl: Das gilt es zu beachten

Wüst: Union kann mit Wahlergebnis nicht zufrieden sein