Warum die AfD in Lage und Augustdorf besonders viele Stimmen bekommen hat

Lage/Augustdorf. Es hängen wenige AfD-Wahlplakate am Straßenrand auf dem Weg nach Hardissen, eine Alice Weidel lächelt für die AfD, auf der Rückseite geht es um &bdquo;Zeit für die freie Meinung“. In Hardissen, einem von 15 Ortsteilen in Lage hat die AfD ein Rekordergebnis eingefahren, 47,98 Prozent der Erst- und 46,23 Prozent der Zweitstimmen sind es am Ende. In Augustdorf sind es 37,61 und 36,97 Prozent. Eine Spurensuche.

Eigentlich geht es in der Grundschule Hardissen an diesem Morgen um eine große Musicalaufführung, doch das Wahlergebnis der AfD in diesem Ortsteil Lages ist im Pressegespräch Thema. Denn was sich in der Grundschule zeigt, ist ein Puzzlestück, will man verstehen, warum die AfD keine Wahlplakate braucht.

In Hardissen gibt es viele Familien, die Mitte der 1980er-Jahre aus Russland gekommen sind. Sie sind unterschiedlich integriert. Dazu kommen Familien, die wirtschaftliche Schwierigkeiten haben, ein instabiles soziales Umfeld. Zukunftsängste. Die Zahl der Kinder, die Förderbedarf haben, wächst. Die Leiterin der Grundschule stellt fest, dass der Schulalltag deutlich komplexer geworden ist. Man komme einigen Familien sehr entgegen, um den Schulfrieden zu wahren. Es gebe Diskussionen, wenn Klassenfahrten geplant werden, Kinder zum Zahnarzt gehen sollen, bestimmte Autoren lesen - die Kinder würden dann auch schon mal von Eltern krank gemeldet.

CDU erhält Zuspruch, gewählt wird anders Erhard Kirchhof, ehemaliger Leiter einer weiterführenden Schule und CDU-Ratsherr, hat gerade kurz vor der Wahl eine Bürgerversammlung erlebt, in der die CDU viel Zuspruch bekommen habe. Sie setze sich für den Hochwasserschutz ein, ist gegen die Erweiterung der Schießanlage. &bdquo;Aber die wählen trotzdem anders“, sagt er.

Warum das so ist, daraus macht Klaus Hirschberg keinen Hehl, der am Rewe-Markt in Hardissen seinen Geschäften nachgeht: &bdquo;Die brauchen eins auf die Fresse, damit die wach werden.“ Er meint die, die sich in der demokratischen Mitte befinden. Was hier im Land ablaufe, könne man nicht gutheißen. &bdquo;Selbst Ausländer wählen AfD - merkste was, Mädchen?“, sagt er. Er sei überzeugtes Mitglied der AfD. Er hofft, dass sich &bdquo;Friedrich Merz besinnt und die AfD mitregieren lässt“. Damit sich etwas ändert. &bdquo;SPD und Grüne hatten wir - den Mist brauchen wir nicht mehr.“

&bdquo;Kriminelle Ausländer gehören weg“ Unterstützung bekommt er von einem 40-Jährigen, der seinen Namen nicht nennen möchte. Der gelernte Koch spricht mit Akzent. Und der Tipp der LZ-Redakteurin, er komme aus Thüringen, ist ein Volltreffer. Er habe zehn Jahre lang CDU gewählt, aber das komme für ihn nicht mehr in Frage. Einzig die AfD könne etwas bewirken. &bdquo;Obwohl die sicher nicht mitregieren werden. War in Thüringen auch so, die werden nicht rangelassen, keiner will mit ihnen zusammenarbeiten“, sagt er. Dabei sei die AfD keine Nazi-Partei. Er selbst habe überhaupt nichts gegen Ausländer, die sich in Deutschland integrieren. &bdquo;Aber die, die hier kriminell sind, gehören weg.“

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Ob er sich unsicher in Hardissen fühlt? Darauf gibt es kein direktes Ja, aber: &bdquo;Wir hören doch jeden Tag, dass welche abgestochen werden.“ Warum er für die CDU keine Kreuzchen mehr macht? &bdquo;Die Merkel hat die Ausländer alle reingeholt. Wir schaffen das, hieß es. Das sehen wir ja jetzt“, sagt er und Bitterkeit schwingt mit. Es sei für ihn völlig unverständlich, &bdquo;dass alle Leute schimpfen über das, was hier passiert, aber die Kreuzchen machen sie bei CDU und SPD“. Und dann ist da Corona, in der Pandemie sei es in Deutschland &bdquo;schlimmer als in der DDR gewesen mit diesen ganzen Maßnahmen“. Dann das ganze Geld, das ins Ausland geschickt werde. &bdquo;Wenn es hier eine Hochwasserkatastrophe gibt, dann sollen alle spenden. Dabei hätten wir genug Geld. Und mir hilft auch keiner.“

Augustdorf ohne AfD-Plakate Heute hat es etwas geregnet. Ein grauer Tag in Augustdorf. Hier wird gebaut, dort getankt, hüben der Hund Gassi geführt, drüben gejoggt. Überall hängen Wahlplakate. Sie zeigen Gesichter, die noch vor ein paar Tagen eine Rolle in der Bundespolitik spielten, jetzt aber nicht mehr. Es gibt kaum welche von der AfD, denn Werbung mussten hier wohl eher die anderen Parteien machen. In der Sennerandgemeinde wählte jeder Dritte AfD. Die paar Plakate, die hier aufgehängt worden sind, werben für &bdquo;Zeit für Frieden“ und &bdquo;Sichere Grenzen“. Dinge, um die man sich in der nahen Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne ohnehin mit Priorität kümmert. Gerade biegt ein Bundeswehr-Bus voller Soldaten um die Ecke – ein alltägliches Bild im Ort, in dem eigentlich jeder, den man fragt, eine Meinung zum Wahlergebnis hat und die auch gerne sagt.

&bdquo;Ich sehe das ganz neutral“, erklärt eine junge Frau zum Wahlergebnis in ihrem Heimatort. Es ist ihr anzusehen, dass es für sie keine wirklich große Rolle spielt. &bdquo;Jeder hat seine Meinung. Mir ist das eigentlich eher egal.“ Ihr Freund pflichtet nickend bei, ist halt so. Ein anderer junger Mann, augenscheinlich mit Migrationshintergrund, zuckt ebenfalls mit den Achseln. Ist ihm ebenfalls eher egal, wie in Augustdorf gewählt wurde. Dennoch - jede dritte Stimme für die AfD, wenn er so überlegt, da findet er: &bdquo;Weniger wäre schon besser.“

Erschreckend, aber nicht überraschend Eine ältere Dame, die gerade einkaufen will, wiederum war überrascht vom Wahlresultat in ihrem Wohnort. &bdquo;Aber es ist ja auch keiner da, den man wirklich wählen kann“, findet sie. Bürgernähe – die suche man ja bei allen Parteien und fühle sich eigentlich bei gar keinem gut aufgehoben. Ein Mann mittleren Alters findet das Wahlergebnis in seinem Ort durchaus erschreckend, aber auch nicht überraschend. Es sei schon schlimm, wenngleich ja nicht so schlimm wie in den neuen Bundesländern. Und wenn man sich überlege, was da noch folgen könne im Zuge der Regierungsbildung und wenn das alles nicht so gelingt... Neulich habe er im Fitnessstudio mit jüngeren Menschen aus dem Osten oder mit Migrationshintergrund gesprochen. Da habe ihn schon gewundert, dass ausgerechnet diese sagten, dass sie AfD wählen wollen.

In Augustdorf haben 37,61 Prozent der Wähler für die Erst- und 36,97 Prozent bei der Zweitstimmen ihr Kreuz für die AfD gemacht. Und das ist eine ziemliche Entwicklung. Sie legte damit in der Sennerandgemeinde gegenüber der Bundestagswahl von 2021 um rund 20 Prozent zu. Bei der Gemeinderatswahl 2020 hatte die AfD in Augustdorf noch keine Rolle gespielt. Bei der letzten Landtagswahl 2022 erzielte sie hier 14,1 Prozent und hatte damit gegenüber der vorherigen Landtagswahl fünf Prozent gewonnen, war aber noch drittstärkste Kraft hinter CDU und SPD. Bei der Europawahl 2024 sah das schon anders aus. Da war die AfD mit 27,1 Prozent bereits die zweitstärkste Partei – und erreichte das beste Wahlergebnis in OWL.

Katzer wiegelte ab Und woran liegt das? SPD-Bürgermeister Thomas Katzer hatte zur Europawahl letztes Jahr gesagt: &bdquo;Ich kann mir nur denken, woran es nicht liegt. Die kommunalpolitische Arbeit hatte keinen Einfluss auf das Ergebnis. Die Einflüsse liegen auf Bundesebene. Das Ergebnis ist kein Augustdorfer Werk.“ Die Bevölkerungsstruktur mit vielen Spätaussiedlern war letzten Sommer aus Sicht des Bürgermeisters jedenfalls nicht ausschlaggebend für die vielen AfD-Stimmen vor Ort, &bdquo;auch wenn vielleicht andere Einschätzungen des Ukraine-Kriegs eine Rolle spielen“.

Ein Blick in das benachbarte Detmold, wo die AfD insgesamt 22,1 Prozent der Zweitstimmen und 21,8 Prozent der Erststimmen erreichte, zeigt im Vergleich: Im Wahlbezirk Herberhausen/Hakedahl, wo viele Menschen mit russlanddeutschem oder Migrationshintergrund leben, erzielte die AfD sogar 62,9 Prozent der Erststimmen. Solche Quoten erreichte in Augustdorf kein Wahlbezirk auch nur annähernd, sondern maximal 49 Prozent.

Transparenzhinweis: In einer ersten Version des Artikels stand, &bdquo;SPD Bürgermeister Andreas Katzer“. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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