Familie aus OWL seit einem Jahr ohne Kinderarzt – das Jugendamt macht Druck

Bielefeld. Die Grippe hat OWL fest im Griff und trifft in diesem Winter auch viele Kinder. Es sind Infektwellen wie diese, die Marie Schneider (Name geändert) bewusst machen, wie dramatisch die Situation in der Familie eigentlich ist. Denn einen festen Arzt für die drei Kinder hat die Familie seit einem Jahr nicht mehr. &bdquo;Wenn jetzt wirklich mal etwas wäre, müssten wir immer zum Notdienst oder in die Ambulanz.“

Zu der Unsicherheit kommt noch Druck, denn regelmäßig erhalten die Schneiders Briefe – zunächst vom örtlichen Jugendamt, mittlerweile sogar von einer Landesbehörde aus Düsseldorf.

Vor einem Jahr ging der Kinderarzt der Familie in Rente. Seitdem ist Marie Schneider auf der Suche. Bei sechs Praxen stehen die Kinder auf der Warteliste, aber es kommen immer wieder nur Absagen. Die nötigen Vorsorge-Untersuchungen für ihre vier, acht und neun Jahre alten Kinder sind deshalb nicht erfolgt. &bdquo;Und natürlich haben wir niemanden, der die Kinder impft und Auffrischungsimpfungen vornimmt. Da sind wir auch nicht mehr auf Stand.“

Überweisung zum Logopäden ohne Arzt nicht möglich Doch noch an anderer Stelle wäre ein fester, wohnortnaher Kinderarzt für die Familie dringend nötig. Denn ein Kind ist im vergangenen Jahr eingeschult worden, mittlerweile gab es Auffälligkeiten, die dringend diagnostiziert werden mussten. Das jüngste Kind müsste laut Fachpersonal der Kita zum Logopäden, auch hier gibt es aber niemanden, der eine entsprechende Überweisung zum Experten vornimmt.

&bdquo;Außerdem brauchen wir eine Tauglichkeits-Bescheinigung für den Schwimmkurs. Auch die stellt der Kinderarzt aus.“ Mehrfach versuchte die dreifache Mutter, ihren Hausarzt zu überreden, sich der Kinder anzunehmen. &bdquo;Aber das geht eben erst ab dem 12. Lebensjahr.“

Facharzt für Erstklässler ist 150 Kilometer entfernt Mittlerweile hat Marie Schneider einen Facharzt gefunden, der 150 Kilometer entfernt praktiziert und sich zumindest um den Erstklässler kümmert. &bdquo;Aber dann fahren wir jedes Mal anderthalb Stunden hin und wieder zurück – das ist doch kein Zustand.“ Außerdem ist dieser Mediziner ebenfalls schon 76 Jahre alt. &bdquo;Der würde sich eigentlich auch längst gern zurückziehen aus der Praxis, kann sie aber nicht aufgeben, weil er keine Nachfolge findet.“ Bei der Kinderarzt-Suche erwähnt Marie Schneider schon längst nicht mehr, dass sie drei Kinder hat. &bdquo;Ich gebe immer nur ein Kind an, weil ich nicht glaube, dass ich mit mehreren überhaupt noch in die engere Auswahl käme.“

Wütend macht die Eltern die Unterversorgung vor allem angesichts der hohen Beiträge für ihre Krankenversicherung. &bdquo;Das muss man sich mal vorstellen: Wir zahlen hier monatlich 1.100 Euro Beiträge und haben darin enthalten nicht mal medizinische Grundversorgung für die Kinder.“ Am fassungslosesten war die Mutter deshalb vor kurzem über das Angebot eines Kinderarztes. Er nahm endlich einmalig die Untersuchung für den Schwimmkurs vor und bot an, alle drei Kinder fest in seiner Praxis aufzunehmen. &bdquo;Dann aber nicht als Kassenpatienten, sondern als Selbstzahler.“ Auch die Reaktionen der Krankenkasse findet Marie Schneider frech. &bdquo;Die behaupten einfach immer, es gebe genügend Kinderärzte. Außerdem seien wir ja nicht unversorgt, wir könnten ja immer in die Notaufnahme fahren“, sagt Schneider und schüttelt den Kopf. &bdquo;Die freuen sich, wenn wir da wegen jedes Pickels am Po auftauchen.“

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Zur Verantwortung gezogen werden können die Eltern wegen der fehlenden Vorsorge-Untersuchungen zwar nicht. Denn diese sind nicht verpflichtend, Bußgelder oder andere Verfahren drohen nicht. &bdquo;Aber es ist einfach kein gutes Gefühl, in Sachen Kindergesundheit abgemahnt zu werden – zumal wir nicht das Geringste dafür können oder daran ändern können.“

Also rief Schneider auch in Düsseldorf an, um die Sache klarzustellen. Auf einen Rückruf wartet sie bis heute.

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