Zwischen Zeitenwende und Gleichgültigkeit: So lief der Veteranentag in Lippstadt

Bielefeld. Ausgerechnet ein Tarnnetz soll Soldatinnen und Soldaten mehr Sichtbarkeit an einem sonnigen Samstag im Juni verleihen: Zur Feier des Veteranentages hängt es vom Treppengeländer des Lippstädter Rathauses herab, darüber ein Banner mit dem Wappen des Veranstalters, der Reservistenkameradschaft Lippstadt. Der Rathausplatz – wie der gesamte historische Stadtkern – ist ein denkmalgeschütztes Kleinod mit Kopfsteinpflaster, Kandelaber-Laternen, Fachwerkhäusern.

Es hat sich ein Ring auf dem Rathausplatz gebildet: An der Längsseite, wo die wuchtige Marienkirche steht, haben sich ein Feuerwehrauto, ein Einsatzfahrzeug des Technischen Hilfswerks und eines des Deutschen Roten Kreuzes sowie ein Stand der DLRG positioniert. Auf der gegenüberliegenden Seite stehen fünf Pavillons.

Ein Reservistenverband stellt Uniformen, Schutzwesten und Bilder von bundesdeutschen Auslandseinsätzen aus. Ganz hinten tarnfarbene Militärfahrzeuge. Und an der Stirnseite, vor dem Rathaus zwischen Feldküche und dem Stand des Bundes Deutscher Einsatz Veteranen, steht der Vorsitzende des CDU-Stadtverbandes Lippstadt, Markus Patzke, am Rednerpult und spricht wacker gegen das Störgeräusch aus dem Lautsprecher an.

Unsere Freiheit kostet etwas &bdquo;Wenn wir also über ein gesellschaftliches Umdenken sprechen, meinen wir nicht mehr martialische Gesten, sondern nur einen ehrlichen Satz in jeder Diskussion: Unsere Freiheit kostet etwas und jemand zahlt dafür mit Mut“ liest der kräftige Politiker im blauen Anzug ab. Die uniformierten Reihen auf den Bierbänken vor dem Rednerpult blicken zustimmend.

Noch ist es um 11.30 Uhr mit 26° gut auszuhalten, doch dass es ein heißer Tag werden wird, ist bereits zu spüren. Respekt, Sichtbarkeit, Anerkennung – der Veteranentag soll alle aktiven und ehemaligen Soldatinnen und Soldaten ehren. Dass er 2025 das erste Mal gefeiert wird, unter den beunruhigenden sicherheitspolitischen Vorzeichen aus dem Europäischen und dem Nahen Osten, macht ihn noch einmal auf ganz andere Weise brisant.

Respekt und Anerkennung für Soldaten – aber von wem? Und doch: Der Großteil des Publikums in Zivil scheint aus Angehörigen zu bestehen, etwa von jenen neun Soldaten, die vom Lippstädter Bürgermeister Arne Moritz mit dem Veteranenkreuz ausgezeichnet werden. Etwa 60 Menschen durften es sein, darunter zahlreiche Mitglieder des Veranstalters. Nach der Verleihung unter Applaus leert sich der Rathausplatz zusehends, es wird heiß und die wenigen Familien mit Kindern sind vor allen Dingen vom Feuerwehrauto angetan.

Das öffentliche Interesse scheint trotz gut frequentierter Innenstadt überschaubar. Auch Hauptfeldwebel Manfred Liebig, ein zackiger 66-Jähriger mit Schnäuzer, hat bisher nur wenig Zivilisten durch den Pavillon mit historischer Bundeswehr-Uniform geführt. Er freut sich, dass es den Veteranentag gibt, wegen der Anerkennung der Kameraden, die durch den Dreck gekrochen seien. Dass sich das Bild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit seit ein paar Jahren gewandelt habe, habe er auch wahrgenommen: &bdquo;Es hat sich verändert, weil der Ukrainekrieg da ist. Die Leute sehen, die Gefahr kann auch hier hinkommen und im Allgemeinen wird die Bundeswehr wieder positiv angesehen.“

Bundeswehr in der Mitte der Gesellschaft Ein Problem scheint tatsächlich niemand mit der Veranstaltung zu haben. Dass die Bundeswehr stärker in die Mitte der Gesellschaft gehört, befinden auch die wenigen Passantinnen und Passanten, die über den Rathausplatz schlendern. Ein Ehepaar wünscht sich, dass Menschen in Uniform stärker zur Normalität gehören. Und politische Akteure, die sich ehrlich machen.

&bdquo;Man muss das Kind beim Namen nennen, wenn es um Kriegstüchtigkeit geht, geht es um Kriegstüchtigkeit“. Ein Pärchen Anfang 20 hat vom Veteranentag im Vorhinein nichts gewusst. Er goutiert, dass man mitbekomme, was &bdquo;Soldaten so machen“, gerade Kinder solle man nicht davon fernhalten. Er sei aber kein großer Freund der Bundeswehr, dort zu dienen, können sich beide nicht vorstellen. &bdquo;Mit Waffen, das war nie meine Welt“, lacht er.

Gemeinsame Manöverübungen mit dem THW Trotz der nachmittäglichen Hitze sitzen sich in der prallen Sonne an einer Bierzeltgarnitur ein paar Hartgesottene gegenüber und löffeln heiße Erbsensuppe aus der Feldküche. Für den Obergefreiten Nienkemper – Reservist im Verband Lippstadt – ist die Veranstaltung trotz mäßiger Resonanz ein Erfolg: Gemeinsame Manöverübungen mit Mitgliedern des THW hätten sie heute verabredet, außerdem toll, dass die Streitkräfte wieder stärker in die Öffentlichkeit rückten.

Er, der ehemalige Richtschütze im Maderpanzer, erinnert sich noch gut an die Zeit, bevor die Wehrpflicht ausgesetzt wurde und sie in &bdquo;Kompaniestärke zu den Manöverplätzen gefahren“ seien: Ein Konvoi Militärfahrzeuge auf der A2 Richtung Sennetal, das sei früher nichts Ungewöhnliches gewesen. Keine einzige kritische Stimme habe es gegeben heute. &bdquo;Die Leute hier haben nicht vergessen, dass Lippstadt mal eine Garnisonsstadt war“ folgert Nienkemper. Es mag auch daran liegen, dass Militärfahrzeuge und Soldaten wenig Lippstädter auf den Rathausplatz locken.

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