350.000 Euro veruntreut: Ex-Vorstand eines Bielefelder Pflegevereins verurteilt

Bielefeld. Ein Geständnis unter Tränen bewahrte den Angeklagten vor einer Gefängnisstrafe. Weil er seine Fehler eingesehen und in der Schilderung der Taten echte Reue gezeigt habe, sei das urteilsfällende Gremium bis ans Limit des Möglichen gegangen, formulierte der dem Schöffengericht vorsitzende Richter Lars Herzog am Dienstag.

Für das gewerbsmäßige Veruntreuen in 210 Fällen mit einer Schadenssumme von 354.700 Euro erhielt der persönlich haftende und ehemalige Vorsitzende des Pflegevereins &bdquo;Rückenwind e. V.“ eine Strafe von zwei Jahren auf Bewährung, deren Dauer auf vier Jahre festgesetzt wurde. Um den Schuldenberg abzutragen, müsse der Verurteilte zukünftig monatlich mindestens 100 Euro an die Staatskasse überweisen. Komme er den Auflagen nicht nach oder werde er abermals straffällig, dann drohe Haft, verlieh Herzog dem Urteil der Jury den nötigen Nachdruck.

Im Februar 2023 hatte der Vereinsvorsitzende über seinen Rechtsanwalt einen Insolvenzantrag stellen lassen. Für den Pflegeverein, nicht für die gleichnamige und benachbarte GmbH, deren Geschäftsführer er auch noch war. Ziemlich schnell kristallisierte sich damals für den vom Gericht bestellten Insolvenzverwalter Yorck Streitbörger heraus, dass mit dem zentralen Vereinskonto etwas nicht stimmte: Über einen Zeitraum von zwei Jahren war es praktisch geplündert worden. Sehr rhythmisch, wie die Präsentation der Zahlenkolonnen in der Verhandlung zeigte – die Abbuchungen bewegten sich zwischen 100 und 5900 Euro.

Selbstbedienung beim Bielefelder Vereinskonto Bereits zehn Minuten nach Beginn unterbrach Herzog den Prozess für eine sogenannte Verständigung: Hinter verschlossenen Türen besprachen Pflichtverteidigerin Alexandra Pfeiffer, Staatsanwältin Anna Tyska sowie die beiden Schöffinnen und Richter Lars Herzog das mögliche Strafmaß bei Geständnis.

Und der Ex-Vereinsvorsitzende gestand: Corona und der plötzliche Weggang einer wichtigen Mitarbeiterin hätten ihn überfordert. Zeitgleich habe die illegale Selbstbedienung am Bielefelder-Vereinskonto der Finanzierung des ebenfalls von ihm in Berlin gegründeten Vereins &bdquo;Beyond Limits“ gegolten. Wie in Bielefeld sollten mit dem Geld soziale und kulturelle Angebote für behinderte Menschen realisiert werden.

Und anders als in der Presse dargestellt, seien dort keine Partys gefeiert worden, beteuerte der Angeklagte. Auf dem noch aktiven Instagram-Kanal des ehemaligen &bdquo;Event Cafés“ kann sich jeder ein eigenes Bild von der längst geschlossenen Einrichtung machen.

Der als einziger Zeuge des Prozesses geladene Insolvenzverwalter erklärte, dass es einen Vollstreckungsbescheid gegen den Angeklagten gebe, wegen wechselnder Adressen sei es aber kompliziert gewesen, den überhaupt zuzustellen. Doch nach Ablauf von drei Jahren werde beim Bundeszentralamt für Steuern eine erneute Vermögensauskunft eingeholt, so der Rechtsanwalt.

Bewährungsstrafe wegen positiver Sozialprognose Da der studierte Pädagoge mittlerweile wieder als Erzieher arbeite, mit festem Einkommen, attestierten ihm alle Verfahrensbeteiligten eine positive Sozialprognose und einigten sich trotz der hohen Schadenssumme auf die maximale Bewährungsstrafe.

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