Die Region rüstet auf: Tausende Ostwestfalen dürfen Waffen mit sich führen

Bielefeld. In Ostwestfalen-Lippe dürfen immer mehr Menschen in der Öffentlichkeit Waffen wie Schreckschusspistolen legal mit sich führen. Möglich macht das der Kleine Waffenschein. In der Region besitzen aktuell 22.700 Bürger diese Erlaubnis, wie eine Umfrage dieser Redaktion unter den sieben Polizeibehörden ergab. Anfang 2024 waren es noch etwa 2.500 weniger.

Auch landesweit ist ein neuer Rekord erreicht: Ein Sprecher des Landeskriminalamts NRW (LKA) berichtet auf Anfrage, dass im Nationalen Waffenregister insgesamt 237.818 gültige Kleine Waffenscheine gespeichert sind (Stichtag: 30. Juni). Zum Vergleich: Ein Jahr vorher waren es etwa 222.000, im Juni 2023 waren es 205.000.

In OWL stechen zwei Kreise heraus. In Lippe sind es aktuell 4.300, ein Anstieg von mehr als 300 im Vergleich zu vor anderthalb Jahren (Anfang 2024). Im Kreis Minden-Lübbecke sind es etwas mehr als 4.000 Halter (vorher etwa 3.600). In Herford erfasst die Polizei darüber hinaus knapp 3.000 Halter eines Kleinen Waffenscheins, im Kreis Paderborn etwa 2.900 – in beiden Kreisen wurden Anfang 2024 jeweils etwa 2.500 der Erlaubnisse gezählt. Die wenigsten Kleinen Waffenscheine sind im Kreis Höxter im Umlauf (1.484). Vor eineinhalb Jahren waren es noch fast 200 weniger.

In Bielefeld lag die Zahl Kleiner Waffenscheine Anfang 2024 noch bei rund 2.500, seitdem wurden weitere 417 neue Anträge bewilligt. Im Kreis Gütersloh waren es damals 3.500 – hier sind seitdem 625 entsprechende Erlaubnisse ausgestellt worden.

Wer kann einen Kleinen Waffenschein beantragen? Der Kleine Waffenschein erlaubt es den Besitzern, bestimmte Waffen außerhalb der eigenen vier Wände zu führen. Dabei handelt es sich um Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen. Eine solche Erlaubnis kann jeder beantragen, der bestimmte Voraussetzungen erfüllt. So muss der Antragsteller mindestens 18 Jahre alt sein, es muss eine persönliche Eignung vorliegen und er muss für die Behörden als zuverlässig gelten. Vorstrafen oder Alkoholprobleme sind Ausschlusskriterien.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sieht die steigenden Zahlen kritisch: &bdquo;Bei uns liegt das Gewaltmonopol beim Staat. Die Polizei sorgt für die Sicherheit“, sagte er dieser Redaktion. &bdquo;Niemand muss hier mit einer Waffe im Gürtel herumlaufen, NRW ist nicht der Wilde Westen. Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse, in denen Waffen zum Alltag gehören.“ Ein kleiner Waffenschein sei keine Spielerei, sondern bedeute Verantwortung. &bdquo;Darum schauen die Behörden auch ganz genau hin, wer einen bekommt. Jeder sollte sich gut überlegen, ob er wirklich einen Waffenschein braucht“, sagt der Innenminister. Er warnt: &bdquo;Ob Schreckschusspistole oder Messer – jede Waffe kann schnell zur Gefahr werden.“

Polizeigewerkschafter: Sicherheitsgefühl der Bürger hat gelitten Patrick Schlüter, designierter NRW-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sieht in der Zunahme von Kleinen Waffenscheinen eine besorgniserregende Entwicklung. &bdquo;Der Trend zur Bewaffnung, den wir dabei beobachten, ist Ausdruck eines gestörten subjektiven Sicherheitsgefühls in Teilen der Bevölkerung“, warnt der Versmolder (Kreis Gütersloh). Das sei zwar legitim, berge aber enorme Risiken: &bdquo;Schreckschusswaffen sind auf den ersten Blick kaum von echten Schusswaffen zu unterscheiden, auch für Polizisten. Träger von solchen Waffen müssen damit rechnen, dass die Sicherheitskräfte also auch entsprechend reagieren“, warnt Schlüter.

Er betont zudem: &bdquo;Bei einer Konfrontation auf offener Straße wirkt eine Schreckschusswaffe nicht zwangsläufig deeskalierend. Eher im Gegenteil.“ Man könne nie mit Sicherheit sagen, wie der Gegenüber reagiert. &bdquo;In turbulenten Zeiten wie diesen kann die Polizei nicht noch eine sich immer weiter bewaffnende Bevölkerung gebrauchen“, appelliert der Gewerkschafter.

Laut Schlüter sorge mehr Polizeipräsenz für ein höheres Sicherheitsgefühl. &bdquo;Weil die Polizei in NRW aber immer mehr Aufgaben zugeteilt bekommt, zeitgleich aber nur ein marginaler personeller Zuwachs in den Polizeibehörden ankommt, ist das aktuell kaum möglich.“

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