Kommunalwahlen in OWL: Wie rechtsextrem sind die Kandidaten der AfD?

Bielefeld. Auf mehr als 20 Seiten warnt der NRW-Verfassungsschutz in einem vertraulichen Bericht an den Paderborner Wahlausschuss regelrecht vor dem dortigen Bürgermeisterkandidaten der AfD, Marvin Weber. Zugelassen zur Wahl wurde er dennoch. Recherchen zeigen: Weber ist nicht der einzige AfD-Kandidat der Kommunalwahl, der offenbar als Extremist gilt oder Bezüge zum Extremismus hat.

Auf den 24 Seiten, einer sogenannten &bdquo;Erkenntnismitteilung“, beruft sich der Verfassungsschutz unter anderem auf Webers Rolle bei der aufgelösten AfD-Jugendorganisation &bdquo;Junge Alternative“ (JA) in OWL. Dort sei er über mehrere Jahre Vorsitzender gewesen. Dem Verfassungsschutz liegen Erkenntnisse vor, dass die JA &bdquo;verfassungsfeindliche Bestrebungen“ verfolge.

Darüber hinaus bezieht sich der Verfassungsschutz auf Dutzende Beiträge in Webers sozialen Medien, in denen ihm unter anderem Fremdenfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit und eine Relativierung des Nationalsozialismus vorgeworfen werden. Und Marvin Weber, der die Vorwürfe des Verfassungsschutzes in einem Online-Statement deutlich zurückweist, ist offenbar kein Einzelfall.

Vorsitzender eines rechtsextremen Vereins auf Wahlzetteln In Horn-Bad Meinberg taucht der Name Burkhart W. auf der Wahlliste auf. W. ist laut Vereinsregister bereits seit 1995 im Vorstand eines Vereins aus Kassel, der als rechtsextrem gilt und vom Verfassungsschutz beobachtet wird. W. erscheint bereits seit einiger Zeit bei Veranstaltungen oder Demonstrationen der AfD. Darüber hinaus scheint er eine enge Verbindung zu bekannten Lipper Neonazis zu haben. Eine schriftliche Anfrage an eine auf der Wahlliste angegebenen Mail-Adresse blieb unbeantwortet. Eine alte Mail-Adresse sowie eine Telefonnummer waren nicht mehr erreichbar.

Ebenfalls im Kreis Lippe – in Lage – sollte Uwe Detert als Bürgermeisterkandidat antreten. Doch der kommunale Wahlausschuss und später auch der Kreiswahlausschuss lehnten ihn ab, zuvor wurden Bedenken um seine Verfassungstreue laut.

Im vergangenen Herbst berichtete die Tageszeitung &bdquo;Die Welt“ über Beiträge von Detert in sozialen Medien, die unter anderem ein &bdquo;Reichsbürger“-Narrativ haben sollen – was der AfD-Kandidat in einem ausführlichen Facebook-Beitrag, auf den er auf Anfrage verweist, wiederum vehement bestreitet. Der Medienbericht samt Posts von Detert nutzte der Verfassungsschutz als einen von vielen Belegen, um die AfD als &bdquo;gesichert rechtsextremistisch“ einzustufen. Gegen die Einstufung klagte die Partei.

NRW-Verfassungsschutz warnt vor sechs Bürgermeisterkandidaten Deterts Name steht auch auf einer veröffentlichten Unterzeichner-Liste der &bdquo;Erfurter Resolution“, die als Gründungsdokument des rechtsextremen &bdquo;Flügel“ in der AfD um Björn Höcke gilt. Diesem wird er offenbar nach wie vor zugerechnet. Das Innenministerium schrieb: &bdquo;Eine Unterzeichnung stellt einen Hinweis dar, dass der Unterzeichnende sich dem rechtsextremistischen Personenzusammenschluss zugehörig fühlt.“ Auch zu Detert teilte der Verfassungsschutz NRW dem Wahlausschuss vertrauliche Erkenntnisse mit.

Eine solche &bdquo;Erkenntnismitteilung“ verschickte der NRW-Verfassungsschutz bisher über insgesamt sechs Bürgermeisterkandidaten. Diese lassen sich rechtsextremen Parteien, dem subkulturellen Rechtsextremismus sowie dem ehemaligen &bdquo;Flügel“ und der &bdquo;Jungen Alternative“ zurechnen, berichtet eine Sprecherin.

Erst &bdquo;Nazi-Skandal“, jetzt Bürgermeisterkandidat Auf der Bielefelder AfD-Wahlliste, veröffentlicht von der Partei auf Facebook, ist der Name Florian R. vermerkt – auf Listenplatz 12. R. war zeitweise Vorsitzender der &bdquo;Jungen Alternative“ Bielefeld. Dort räumte er seinen Posten, nachdem er in einem geleakten Gruppenchat eine Naziparole gepostet haben soll. Darüber hinaus war er mindestens zeitweise Mitglied einer als rechts geltenden Bielefelder Burschenschaft. Nach Informationen dieser Redaktion werden einzelne Personen dieser Studentenverbindung als rechtsextremistisch eingestuft. Skurril: R. wurde zeitgleich als Bürgermeisterkandidat in Oerlinghausen (Kreis Lippe) aufgestellt. Eine schriftliche Anfrage an R. über den Bielefelder Kreisverband der AfD blieb unbeantwortet.

Einem weiteren Listenkandidaten der Bielefelder AfD wird von linksradikalen Aktivisten vorgeworfen, Teil der rechtsextremen &bdquo;Freischar Westfalen“ zu sein, die die Sicherheitsbehörden regelmäßig mit medienwirksam inszenierten Pyro- und Banneraktionen beschäftigt. Was an den Vorwürfen dran ist, bleibt offen.

Brisant: Der Gründer und die Führungsfigur der &bdquo;Freischar Westfalen“, Daniel K., den der NRW-Verfassungsschutz namentlich in Berichten erwähnt, tritt für die AfD in Leopoldshöhe (Lippe) an. Wegen seiner Umtriebe in der rechtsextremen Szene gab es vergangenes Jahr eine Durchsuchung bei K. Eine schriftliche Anfrage an K. über die auf der Wahlliste angegebene Mail-Adresse blieb unbeantwortet.

Kandidat aus Lippe bei &bdquo;Reichsbürger“-Treffen Im Kreis Paderborn sind zudem neben Weber weitere Personen auf AfD-Wahllisten genannt, die der als &bdquo;rechtsextremer Verdachtsfall“ eingestuften JA zugerechnet werden können. Wie Denis F., der auf der Paderborner Reserveliste auf Platz vier steht. Er war ebenfalls zeitweise im Vorstand der &bdquo;Jungen Alternative“ OWL, nämlich als Schatzmeister. Der stellvertretende JA-Vorsitzende in OWL, Julian H., führt außerdem die Reserveliste in Büren auf Platz eins an. Er war darüber hinaus zeitweise auch im Landesvorstand der vom Verfassungsschutz beobachteten NRW-Jugendorganisation. Beide ließen eine schriftliche Anfrage unbeantwortet.

Auch in anderen Kommunen stehen einzelne Personen auf den Wahllisten, die klare Verbindungen zur &bdquo;Jungen Alternative“ oder dem &bdquo;Flügel“ aufweisen. So steht in Lemgo ein weiterer Unterzeichner der &bdquo;Erfurter Resolution“ zur Wahl, ebenso im Kreis Herford. Brisant: ein Kandidat, der in der kleinen lippischen Gemeinde Dörentrup antritt, besuchte mehrere Treffen einer bundesweit aktiven &bdquo;Reichsbürger“-Gruppe. Bis 2024 tauchte er auf mehreren Fotos der Gruppierung auf, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Auch eine schriftliche Anfrage an den Kandidaten blieb unbeantwortet, telefonisch war er nicht erreichbar.

Thomas Röckemann, Sprecher der AfD in OWL, betont, solche Fälle seien in der Gesamtkandidatenzahl &bdquo;nur im niedrigsten Promillebereich“. Bei den Grünen und der Linkspartei, meint Röckemann, sei ein &bdquo;sehr viel höherer Prozentsatz an Kandidaten vorhanden ist, der möglicherweise nicht ins demokratische Tableau passt“. Der Mindener berichtet von &bdquo;strengen Aufnahmekriterien“ und &bdquo;Ausschlusslisten, die andere Parteien nicht haben.“ Dennoch, so zeigen die Recherchen, haben es Personen aus dem extremistischen Bereich auf die Wahllisten geschafft. Röckemann betont, die AfD werde &bdquo;spätestens bei der nächsten Wahl noch gewissenhafter vorgehen“.

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