Herforder Rentnerin lebt von 850 Euro Rente – obwohl sie 42 Jahre gearbeitet hat

Herford. 3,4 Millionen Rentner sind in Deutschland von Armut bedroht – so viele wie nie zuvor. Das Risiko für Altersarmut ist für Frauen besonders groß, weil sie im Durchschnitt längere Auszeiten einlegen, häufiger in Teilzeit arbeiten und in schlechter bezahlten Berufen tätig sind. So zahlen sie insgesamt weniger in die Rentenkasse ein. Armut droht jedoch auch Frauen, die mehr als 35 Jahre eingezahlt haben und damit als langjährig Rentenversicherte eigentlich Vorteile genießen sollten. Dass das nicht so ist, zeigt das Beispiel der Herforderin Helga Hindemith.

In der EU gelten Bürger nach Angaben des Statistischen Bundesamtes als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens der Gesamtbevölkerung verfügen. In Deutschland liegt der Wert aktuell bei 1.378 Euro netto pro Monat für alleinlebende Menschen, bei 2.071 Euro für zwei Erwachsene und bei 2.983 Euro für Haushalte mit zwei Erwachsenen mit zwei Kindern unter 14 Jahren.

Das Einkommen von Helga Hindemith liegt mit ihrer Nettorente von 850 Euro pro Monat deutlich unter dieser Armutsgefährdungsgrenze. &bdquo;Das reicht nicht zum Leben“, erklärt die 90-Jährige klar. Aus diesem Grund erhält sie staatliche Unterstützung – jeden Monat 250 Euro Wohngeld. &bdquo;Das hilft mir dabei, die Miete für meine Wohnung bezahlen zu können.“ Zudem erhält die Rentnerin alle zwei Wochen eine Lieferung mit Lebensmitteln von der Herforder Tafel . &bdquo;Ich bin sehr dankbar für diese Möglichkeit, weil es sonst deutlich leerer im Kühlschrank wäre.“

Als Helga Hindemith 1997 in Rente geht, reicht das Geld zunächst Insgesamt hat Hindemith so etwa 1.100 Euro pro Monat zur Verfügung. &bdquo;Davon muss ich neben den Lebenshaltungskosten auch Versicherungen bezahlen, deshalb ist das sehr knapp, um über die Runden zu kommen.“ Das war nach Angaben Hindemiths jedoch nicht immer so. Als sie 1997 mit 63 Jahren in Rente geht, weiß sie, was auf sie zukommt. &bdquo;Ich bin mit der Rente gut zurechtgekommen und konnte jedes Jahr sogar etwas Geld für eine kurze Reise sparen.“ Das sei heute undenkbar, sagt die Rentnerin. &bdquo;Die Rentenanpassungen gleichen die massiven Steigerungen der Lebenshaltungskosten nicht ansatzweise aus.“

Und das, obwohl Hindemith 42 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat und damit nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung zu den langjährig Versicherten zählt, weil sie mindestens 35 Jahre lang eingezahlt hat. &bdquo;Ich habe mit 16 als Büroangestellte angefangen zu arbeiten“, erklärt Hindemith, die aus Hamburg stammt. Zwischen 1963 und 1968 legt Hindemith eine Auszeit ein, weil sie zwei Kinder zur Welt bringt. &bdquo;In den Kindergarten konnten die Kinder zu dieser Zeit erst ab dem dritten Lebensjahr und mittags war Schluss mit der Betreuung, auch später während der Schulzeit.“

42 Arbeitsjahre, davon 23 in Vollzeit Aus diesem Grund arbeitet Hindemith zwischen 1968 und 1987 in Teilzeit. &bdquo;Es ging nicht anders und es stand nie zur Debatte, dass mein Mann seine Arbeitszeit reduzieren kann.“ 1987 trennt sich Hindemith von ihrem Mann, absolviert eine Ausbildung zur Krankenpflegerin und zieht nach Herford. &bdquo;Dort habe ich dann wieder bis zur Rente 1997 Vollzeit beim paritätischen Hauspflegeverein Herford in der ambulanten Pflege gearbeitet.“ Sorgen um ihr Leben im Ruhestand, macht sich Hindemith während ihrer Erwerbstätigkeit nicht.

Insgesamt zählt Hindemith in ihrer Erwerbsbiografie 42 Arbeitsjahre, davon 23 in Vollzeit und 19 in Teilzeit. &bdquo;Private Altersvorsorge war nicht möglich, weil das Geld immer knapp war.“ Rentenansprüche von ihrem Mann lehnt Hindemith nach der Scheidung ab. &bdquo;Ich habe mich getrennt und wollte danach unabhängig leben.“ Das war auch lange Zeit möglich. Doch durch die Kostensteigerungen sei sie nun doch wieder abhängig – vom Staat. &bdquo;Mir fällt es zwar nicht schwer, diese Hilfe anzunehmen, weil ich dem Staat ja auch viel gegeben habe, aber eigentlich sollten sich Menschen nach so vielen Arbeitsjahren und der Erziehung von zwei Kindern zumindest das Notwendigste wie Miete und Lebensmittel leisten können.“

Rentnerin bleibt trotz Armut Optimistin Groll hegt Hindemith trotzdem nicht. &bdquo;Ich versuche, das Beste aus meinem Leben zu machen und die Bedingungen für die jüngeren Generationen zu verbessern. Ich bin immer Optimistin gewesen und bleibe es auch weiterhin, trotz der Einschränkungen.“ Dafür hat die resolute Rentnerin nach wie vor viel Energie, denn sie engagiert sich seit vielen Jahren bei der AWO, Verdi und in der Deutschen Friedensgesellschaft. &bdquo;Ich bin auch bei Demonstration für Frieden und Klimaschutz dabei.“

Zudem hat sie sich der Kultur verschrieben. Lesen im Wohnzimmer, das mit Büchern gefüllt ist, Gedichte und Geschichten in der Frauenwerkstatt schreiben und Musik hören, wann immer es geht. &bdquo;Ich besuche sehr gerne Konzerte und immer das Festival Umsonst und draußen in Porta Westfalica, das ich mitgegründet habe.“

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