Streit um die Gastro-Mehrwertsteuer in OWL

Bielefeld. Die Lage in der Gastronomie ist schwierig und die Senkung der Mehrwertsteuer für die Branche angebracht. So sehen es jedenfalls die Gastwirtinnen und -wirte in OWL. Regine Tönsing hat sich als Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel und Gaststättenverbandes (Dehoga) in der Region schon mit Zahlen auf die Diskussion vorbereitet. Sie weiß, dass die Bundesregierung daran arbeitet, die Mehrwertsteuer für die Gastronomie von 19 auf sieben Prozent zu senken. Und sie weiß auch, dass andere Interessengruppen ebenfalls von dieser Senkung profitieren wollen.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihrer Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zum Beispiel. Und auch die Gäste, die nach mehreren Runden der Preiserhöhung für Schnitzel, Kuchen, Pizza und Getränke darauf hoffen, dass Essengehen wieder günstiger wird.

&bdquo;Kein Schnitzelrabatt in OWL zu erwarten“ Die Gewerkschaft NGG in OWL ist schon vorab davon überzeugt, dass die Mehrwertsteuersenkung von den Gastronomen nicht an die Gäste weitergegeben wird. &bdquo;Kein Schnitzelrabatt in OWL zu erwarten“ titelt sie eine Mitteilung. Davon sei man überzeugt. Auswärts essen werde in OWL nicht günstiger.

Das bringt Regine Tönsing auf die Palme. &bdquo;Zu behaupten: das stecken sich die Unternehmer in die Tasche, ist frech.“ Zumal die Änderung noch gar nicht endgültig beschlossen sei. Ob die Ermäßigung von den Mitgliedsbetrieben an die Gäste weitergegeben werde, weiß Tönsing nicht im Einzelnen: &bdquo;Wir wissen nicht, wie die jeweiligen Unternehmen ihre Preise kalkulieren.“ Aber die Situation in der Branche sei schwierig. Sie schickt eine Übersicht des Statistischen Bundesamtes. Demnach sind die Preise für Nahrungsmittel vom Januar 2022 bis Februar 2025 um 27,2 Prozent gestiegen, für alkoholfreie Getränke um 28,2 Prozent, für alkoholische Getränke um 16,9 Prozent und für Energie um 28,4 Prozent. Die Arbeitskosten haben laut Bundesamt in dem Zeitraum um 34,4 Prozent zugenommen. Die &bdquo;Gaststättendienstleistungen“, wie es bei der Behörde heißt, sind um 24,3 Prozent gestiegen, also weniger.

Sogar auf Sylt werden die Gäste sparsam Das will Thorsten Kleile, NGG-Geschäftsführer in der Region, nicht gelten lassen: &bdquo;Die Gastronomen werden viele fadenscheinige Gründe finden, warum sie die zwölf Prozent dringend brauchen - und zwar für sich selbst.“ Er verlangt als Gewerkschafter mehr Lohn &bdquo;für den Koch und die Kellnerin“. Vom Mindestlohn will er gar nicht groß sprechen, der sei sowieso zu niedrig. Die Gäste sollten sich nach Preissenkungen und Lohnerhöhungen für das Personal &bdquo;höflich, aber hartnäckig“ erkundigen, empfiehlt er. &bdquo;Gastro-Steuer-Check“ nennt er das und setzt damit auf &bdquo;moralischen Druck“ der Gäste. In OWL arbeiteten in 3.540 Betrieben 27.400 Beschäftigte.

Regine Tönsing sieht die Branche nicht nur in der Krise, sondern auch in der Zwickmühle. Die Gastronomen wüssten, dass auch die Gäste weniger Geld zur Verfügung hätten und sie wollten die natürlich behalten. Die blieben zwar nicht weg, verzehrten aber weniger. &bdquo;Das ist jetzt schon zu merken.“ Sie ist erschrocken über die Entwicklung der Inflation, die die Unternehmen weitergeben müssten. Tönsing: &bdquo;Wir stecken uns das nicht einfach in die Tasche. Ich mache mir derzeit mehr Sorgen als zu Corona-Zeiten.“ Die Krise von Restaurants, Hotels und Kneipen ist in ganz Deutschland zu beobachten. Sogar auf der Edel-Insel Sylt gäben die Gäste weniger aus, ging jüngst durch die Gazetten.

Patricia Fiolka als Chefin mehrerer großer Gastrobetriebe in Bielefeld (Glück und Seligkeit, The Bernstein und andere) äußert sich auf Anfrage zurückhaltend. Das Thema sei noch nicht endgültig entschieden und müsse dann genau geprüft werden. &bdquo;Wir haben die inflationsbedingten Steigerungen nicht komplett weitergereicht und haben immer wieder mit plötzlich auftretenden Kosten zu kämpfen“, sagt sie. Man müsse immer sehr genau schauen, wie man reagiert. Ein italienischer Gastronom ist von der ganzen Debatte nicht überzeugt. Die Mehreinnahmen müssten später ja auch wieder versteuert werden, argumentiert er, so viel mehr bleibe dann gar nicht hängen.

Andreas Kerkhoff, Dehoga-Kreisvorsitzender in Gütersloh sowie Besitzer des Ringhotels Appelbaum und des Restaurants Gütsel dort: &bdquo;Die Senkung der Mehrwertsteuer ist wichtig, damit weniger Gastronomen ihre Läden schließen und lange überfällige Investitionen getätigt werden können. Dieser Schritt war nie dazu gedacht, dass Gastronomen ihre Preise senken. Der Druck ist aktuell sehr groß, viele meiner Kollegen geben auf.“

Ein Experte macht den Unternehmern Mut Geht denn in der Branche bald das Licht aus? Der Gastro-Ökonom Michael Ottenbacher macht den Unternehmern in einem Interview mit dem TV-Sender ntv Mut: &bdquo;Unternehmer und Unternehmerinnen müssen auf die veränderten Bedürfnisse ihrer Kunden eingehen und ihr Angebot entsprechend anpassen. Das gilt in der Gastronomie genauso wie in der Autobranche. Dass viele Gastronomen darauf nicht reagieren, ist ein Problem“, so der Professor für Hotel und Reisemanagement: &bdquo;In der Gastronomie lässt sich immer noch Geld verdienen.

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