Lippische Bundestagsabgeordnete über Wehrpflicht: „Gibt keinen faireren Weg als das Los“

Kreis Lippe. Verteidigungspolitikerin Kerstin Vieregge (CDU) aus Lippe berichtet, wie sie den neuesten Koalitionsstreit erlebt – und welche Rolle Boris Pistorius spielt.

Frau Vieregge, Sie sitzen für die CDU im Verteidigungsausschuss im Bundestag; sind also nah dran. Wie haben Sie davon erfahren, dass eine Wehrpflicht-Einigung kurzfristig geplatzt ist?

Kerstin Vieregge: Ich saß mit zwei Praktikanten in der Pressekonferenz – und wollte ihnen zeigen, wie so ein Termin abläuft. Dann wurde er plötzlich abgesagt. Das hat mich kalt erwischt. Ich dachte nur: Das läuft jetzt wieder so wie beim Streit um die Richterbenennung im Sommer.

Verteidigungsminister Pistorius hatte intern sein Veto eingelegt. Zu Recht?

Ich finde, das war eine Überreaktion von ihm, das hätte man nicht machen müssen. Aber ich kann verstehen, dass er sich von den Verhandlungsführern offenbar übergangen gefühlt hat. Und da wir ja nun doch im Zeitplan bleiben, ist das für mich in Ordnung.

Was heißt das?

Der Wehrpflicht-Gesetzentwurf wird ja nun doch am Donnerstag in erster Lesung im Parlament behandelt. Danach beziehen Experten Stellung. Das ist der normale parlamentarische Weg. Das ist gut.

Streiten SPD und Union schon so viel wie die Ampel?

Nein, aber es gibt gerade viele Kommunikationsprobleme. Unter den Parlamentariern ist die Stimmung besser als in der Führungsspitze von SPD und Union. Mit den Ausschussmitgliedern der SPD verstehe ich mich persönlich sehr gut.

Wie sieht der Wehrpflicht-Plan denn nun aktuell aus?

Wir setzen in Stufe 1 auf Freiwilligkeit. Wenn das nicht reicht, wollen wir junge Menschen nach der Musterung im Gespräch für die Truppe überzeugen. Sollte das immer noch nicht reichen, würden wir in Stufe 3 bei Bedarf aus den Gemusterten per Zufall Leute ziehen, also per Los.

Wie groß ist der Bedarf?

Das kann man nicht generell sagen, das hängt davon ab, wie schnell bei uns die Anzahl der Kasernen und Ausbilder wächst, um die Leute überhaupt unterbringen zu können – und davon, wie groß die Bedrohungslage ist. Wir bräuchten anfangs schätzungsweise 20.000 Freiwillige pro Jahr, später vielleicht 35.000. Das halte ich auf jeden Fall für möglich. Das Einstiegsgehalt von 2.700 Euro brutto ist sehr attraktiv.

Können Sie die Kritik junger Menschen am Losverfahren nicht verstehen?

Doch, das kann ich. Aber dann muss jemand einen besseren Vorschlag machen, wie wir fair den Bedarf an Soldaten decken können. Ich sehe keinen.

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