Viel Kritik an Scharrenbach-Aussagen über Städte-Finanzen – aber nicht nur

Düsseldorf. Aussagen von NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach führen zu Kritik. Die CDU-Politikerin hatte im Interview mit dieser Redaktion Forderungen der NRW-Kommunen nach strukturell mehr Geld zurückgewiesen. Stattdessen brauche es bundesweite Reformen und in einigen Kommunen auch mehr Effizienz. &bdquo;Vielleicht haben wir alle miteinander in den guten Zeiten ein bisschen das Sparen verlernt“, sagte Scharrenbach. Dafür erntet sie Widerspruch - aber nicht nur.

In den Augen von Rödinghausens Bürgermeister Siegfried Lux ist die finanzielle Misere der Kommunen aber &bdquo;strukturell bedingt“. Das Land NRW werde seiner Verantwortung gegenüber den Städten und Gemeinden &bdquo;seit Jahren“ nicht gerecht.

Statt &bdquo;hochnäsiger Belehrungen“ aus Düsseldorf brauche es weniger bürokratische Förderprogramme mit &bdquo;fragwürdigem Zweck“ sowie eine faire Grundfinanzierung und echte Entlastung für die Kommunen, sagt der FDP-Landtagsabgeordnete Dirk Wedel. Kritik kommt auch aus Berlin. Die Chefin der NRW-Landesgruppe in der SPD-Bundestagsfraktion, Wiebke Esdar, sagt, dass das Land NRW die Mittel aus dem Milliarden-schweren Sondervermögen des Bundes nur unzureichend an die Kommunen weiterleite. &bdquo;Ministerpräsident Wüst ist jetzt gefordert, die Rechentricks seiner Regierung zu beenden“, sagt Esdar.

CDU-Politiker stärkt der Ministerin den Rücken Der CDU-Bundestagsabgeordnete Joachim Ebmeyer aus dem Kreis Herford meint, dass Bund, Land und Kommunen &bdquo;alle in einem Boot sitzen“. Die Lage der Haushalte sei auf allen Ebenen angespannt. Scharrenbach habe darauf verwiesen, konsequent auf die Ausgabenseite zu schauen und Strukturen effizienter zu machen.

Bielefelds Stadtkämmerer Rainer Kaschel, ebenso wie Scharrenbach Mitglied der CDU, fand die Wortwahl &bdquo;in der gegenwärtigen Situation nicht glücklich“. In der aktuellen Notlage vieler Kommunen könnten die Finanzen nur in einem Dreiklang von Bund, Land und Kommunen konsolidiert werden. Die Sozialkassen müssten durch Reformen im Bund entlastet werden. Eine Reform der Gemeindefinanzierung durch das Land stehe seit Langem aus, sagt Kaschel.

Kämmerer: &bdquo;Es stimmt, ?dass wir das Sparen verlernt haben“ &bdquo;Das Interview zu lesen, war nicht schön“, meint Nieheims Kämmerer Dietmar Becker. &bdquo;Ich habe nicht den Eindruck, dass wir mit Geld um uns werfen, uns Luxus und viele freiwillige Leistungen gönnen. Das geht völlig an der Realität vorbei.“ Auch Lippes neuer CDU-Landrat Meinolf Haase meldete sich zu Wort: Die Kommunen in NRW setzten seit Jahren &bdquo;konsequent“ den Rotstift an, strichen freiwillige Leistungen zusammen und griffen in ihre Rücklagen, um &bdquo;irgendwie“ die Haushaltssicherung abzuwenden. 96 Prozent der Leistungen des Kreises Lippe seien Pflichtaufgaben, die man für Bund und Land erledige. &bdquo;Doch das Geld, das wir dafür aus Berlin und Düsseldorf bekommen, reicht nicht annähernd aus“, sagte Haase bei einem Termin mit Martin Klein vom Landkreistag NRW.

Rückendeckung erhält Scharrenbach vom Kämmerer der Stadt Höxter, Martin Finke. Die Furcht vor dem Frust der Bürger sei der Grund, dass Politik und Verwaltung immer noch nicht bereit seien, drastisch zu sparen. Und zwar auf allen Ebenen. Deshalb stimme er den meisten Aussagen Scharrenbachs zu – so hart sie auch sein mögen.

Es stimme, dass &bdquo;wir das Sparen verlernt“ haben, meint Finke. &bdquo;Der Bund kann es nicht, das Land kann es nicht, und die Kommunen auch nicht.“ Auch Bielefelds Kämmerer Kaschel räumt ein, dass auf kommunaler Ebene natürlich &bdquo;Optimierungen“ möglich seien.

Der Städte- und Gemeindebund, der die Kommunen vertritt, hält aber entgegen, dass Vielerorts &bdquo;jede Möglichkeit“, einzusparen und effizienter zu werden, schon bis zur &bdquo;absoluten Schmerzgrenze“ ausgereizt sei. Die Bürger spürten seit Jahren schmerzhaft, wie Leistungen in Städten und Gemeinden eingekürzt würden. Das betreffe Kultur, Sport und Jugendarbeit, wo das demokratische und gesellschaftliche Zusammenleben in einer Kommune stattfinde.

Viel Kritik aus der SPD an Scharrenbach-Aussagen Scharrenbach hatte im Interview mit dieser Redaktion ausgeschlossen, den kommunalen Anteil aus dem Steuertopf, den sogenannten Verbundsatz, zu erhöhen. Das fordern viele Städte. Genauso wie die Bürger, so müssten sich auch Kommunen in finanziell schwierigen Zeiten fragen, ob wirklich alle Dinge, die man tue, effizient seien.

Vor allem in der SPD führten die Aussagen zu Ärger. Scharrenbach verhöhne damit die Kommunen, die seit Jahren auf eklatante Lücken in ihren Haushalten hinwiesen, sagt SPD-Co-Landeschefin Sarah Philipp. Noch nie sei eine Kommunalministerin den Städten und Gemeinden derart in den Rücken gefallen.

Veith Lemmen, Chef der OWL-SPD und Bürgermeister von Werther, sagt, dass meist mehr als 90 Prozent der Ausgaben in kommunalen Haushalten Pflichtaufgaben seien. &bdquo;Die Ministerin fordert also die Kommunen auf, Schwimmbäder und Bibliotheken zu schließen.“ Die aktuellen Aussagen Scharrenbachs seien ein &bdquo;trauriger Höhepunkt“. Lemmen: &bdquo;Sie sollte sich entschuldigen oder Konsequenzen ziehen.“ Da NRW aus dem Sondervermögen statt der geforderten 80 nur 47 Prozent pauschal, also direkt, weitergebe, entgingen der Region OWL mehr als 820 Millionen Euro.

Der Chef der CDU-Fraktion im Landtag, Thorsten Schick, entgegnet, dass die SPD es in Regierungsjahren immer wieder &bdquo;sträflich“ versäumt habe, die Kommunen strukturell solide aufzustellen.

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