Junge Bielefelder diskutieren über neuen Wehrdienst – mit interessantem Ergebnis

Bielefeld. &bdquo;Wir wurden so frei erzogen, dass wir sogar gegen den Staat argumentieren können.“ Das sagt Lennox, Schüler der elften Jahrgangsstufe im Helmholtz-Gymnasium in Bielefeld über Deutschland. Zusammen mit 33 anderen Schülern und Schülerinnen sitzt er in einem großen Kreis.

Die Oberstufenschüler diskutieren mit dieser Redaktion über den am Freitag vom Bundestag zu beschließenden neuen Wehrdienst samt Musterungspflicht. Für denselben Tag ist bundesweit zu einem Schülerstreik gegen den Wehrdienst aufgerufen. Vor den Rathäusern in Bielefeld und Gütersloh sind am Vormittag Demonstrationen geplant.

Die Redaktion will mit denen sprechen, die es direkt betrifft, nicht über sie. Denn zumindest die Jungs werden sich der Musterung stellen müssen – und der Frage, ob sie freiwillig Wehrdienst leisten wollen oder nicht. Die jungen Frauen können sich ebenfalls entscheiden. Es entsteht ein sehr differenziertes Bild. Nahezu jeder und jede hat sich schon sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt und eine Meinung gebildet.

Knapp ein Drittel der Schüler erwägt Wehrdienst Aber die jungen Leute kommen zu unterschiedlichen Einschätzungen. Lennox zum Beispiel hat sich schon so gut wie entschieden, er will Wehrdienst leisten, hat sich schon wiederholt bei der Bundeswehr erkundigt, mit Soldaten gesprochen. &bdquo;Das sind ganz normale, entspannte Leute“, stellt er fest.

Bei einer Schnellumfrage in der Runde kommt heraus, dass elf von 34 Schülerinnen und Schülern, sich vorstellen können, freiwillig Wehrdienst zu leisten. Damit liegen die beiden Sozialwissenschaftskurse des Helmholtz-Gymnasiums im deutschen Mittel. Eine Umfrage des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr hat ergeben, dass gut 30 Prozent der 16- bis 29-jährigen Deutschen dazu bereit sind, Deutschland im Spannungsfall mit der Waffe zu verteidigen.

Unsicher, ob Abschreckung funktioniert Anel hat sich auch schon informiert, aber noch keine Entscheidung getroffen. &bdquo;Im Krieg kommt man nur sinnlos um und ich will nicht zu denen gehören, die umsonst gestorben sind“, sagt er. Aber er sieht auch das Argument &bdquo;Abschreckung“. Seine Mitschülerin Haven weist auf den größeren Zusammenhang hin: &bdquo;Man muss robust sein und Deutschland hat internationale Verantwortung. Der sind wir noch nicht gerecht geworden. Wenn andere Länder das machen, können wir uns nicht raushalten, wenn es zu einem Krieg kommt. Aber mein Traum ist es nicht, zur Bundeswehr zu gehen.“ Ähnlich Emy, die das auch schon mit ihren Eltern besprochen hat. &bdquo;Meine Mutter sagt: ’Nein, du nicht.’ Für mich kann ich mir aber vorstellen, Wehrdienst zu leisten.“

Emilia ist eigentlich eher skeptisch, was Aufrüstung und Wehrdienst angeht, erkennt aber das Problem mit dem Ukraine-Krieg und Russland. &bdquo;Mit Russland zu verhandeln, wird nicht funktionieren, außerdem gab es schon viele Verträge, die Putin alle gebrochen hat“, sagt sie, &bdquo;mit einem Lügner kann man nicht verhandeln.“

In einem Punkt sind sie sich weitgehend einig. Auch wenn sie im Alltag häufig darüber sprechen, so richtig Angst haben sie nicht. Emy sagt: &bdquo;Ich habe keine Angst, denn die Nato ist gut aufgestellt, aber Respekt habe ich.“ Sie hat darüber auch schon mit ihrem Freund diskutiert. Lilian sieht das ähnlich und kann das gut begründen: &bdquo;Es ist wichtig, informiert zu bleiben. Aber aus Angst zu handeln, ist unüberlegt und führt zu Fehlern.“

Man müsste mehr in Freiheit und Frieden investieren, aber wie? Anel befürchtet, dass immer mehr Waffen und Soldaten eher dazu führten, in den Krieg zu ziehen. &bdquo;Das kann eine Spirale werden.“ Angst habe er aber nicht: &bdquo;Wenn ein Krieg ausbricht, bricht er aus. Das kann ich sowieso nicht verhindern.“ Das Argument der Abschreckung scheint für ihn nicht zu ziehen.

&bdquo;Mein Vater wäre der erste, der in den Krieg zieht“ Und warum sollen ausgerechnet die jungen Leute herhalten? Haven sagt: &bdquo;Mein Vater wäre der erste, der in den Krieg zieht. Wenn die Älteren das von uns erwarten, sollten sie Vorbild sein.“

Lennox hat sich grundsätzliche Gedanken gemacht, warum er zum Wehrdienst bereit ist: &bdquo;Wir haben uns als Deutschland verpflichtet, für Demokratie und Freiheit einzustehen. Niemand von uns weiß, wie es wäre, ohne Demokratie zu leben. Und Freiheit haben wir mit unserer Geburt geschenkt bekommen. Da kann man auch etwas zurückgeben.“ Anel gibt zu bedenken, dass es ja nicht nur um Politik gehe: &bdquo;Geld und Gewinn bei Waffenverkäufen und Rohstoffhandel spielen doch auch immer eine Rolle. Dafür bin ich nicht bereit, in den Krieg zu ziehen“, widerspricht er seinem Mitschüler. Weglaufen sei aber auch keine Lösung, sondern nur ein Verschieben des Problems, sagt Luca.

Fazit: Die jungen Menschen setzen sich intensiv mit dem Thema Wehrdienst, Krieg und Frieden, Abschreckung und selbst mit der Verantwortung Deutschlands in der Welt auseinander, sie sind informiert und differenziert, wenn auch noch nicht voll entschieden. Aber wer ist das schon?

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