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Ein Muslim hilft doch im Haushalt

79-Jähriger gewinnt Prozess - Zahlung von 170.000 Euro zugesichert

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Gütersloh. Das Opfer eines Verkehrsunfalls erhält von der Gothaer Versicherung rund 170.000 Euro Schmerzensgeld, Schadensersatz und Entschädigung für die Beschäftigung einer Haushaltshilfe. Eigentlich nicht ungewöhnlich. In diesem Fall allerdings doch. Denn die Versicherung hatte einen Teil der Zahlung zunächst abgelehnt – weil das Opfer Muslim ist.

Wie berichtet, war der heute 79-jährige Rentner M. am 26. April von einem Autofahrer angefahren worden, als er mit seinem Fahrrad unterwegs war. Einen Monat lang lag der Rentner im Koma, leidet noch heute unter den Folgen des Unfalls.

Martin Rother, Fachanwalt für Versicherungsrecht, forderte von der Versicherung des Verursachers nicht nur Schmerzensgeld, sondern machte auch einen Haushaltsführungsschaden geltend – eine Leistung, die Versicherungen dafür zahlen, dass ein Opfer seinen Haushalt wegen der Verletzungen nicht mehr führen kann und fremde Hilfe braucht.

Religion als Ablehnungsgrund

Die Versicherung zahlte zwar rund 90.000 Euro, lehnte einen Anspruch auf den Haushaltsführungsschaden allerdings rundheraus ab. Sachbearbeiterin S. begründete dies in einem Brief an M. mit dessen Religionszugehörigkeit. "Nach dem patriarchalen und traditionellen Mannesbild in der muslimischen Ehe führt der Ehemann nicht den Haushalt." Dass M. sich den deutschen Gepflogenheiten seit seiner Einwanderung 1959 nicht angepasst habe, zeige auch die Tatsache, dass er eine wesentlich jüngere Ehefrau geheiratet habe.

Die Versicherung hat sich bei M. und Anwalt Rother für dieses Schreiben entschuldigt und klar gestellt, dass die Einschätzung der Sachbearbeiterin nicht der des Unternehmens entspreche. Der Fall wurde außerdem einem "Außenregulierer" übertragen, der bei größeren Schadensfällen persönlich vor Ort verhandelt.

Das Ergebnis nennt Rother "ordentlich": Die Versicherung zahlt zusätzlich 80.000 Euro, 40.000 Euro davon für den Haushaltsführungsschaden. Rother hatte in den Verhandlungen Zeugen aufgeboten, die bestätigen, dass M. den Haushalt selbst führte. Das musste er auch, denn seine Frau ist berufstätig, in der Familie leben noch Kinder des Paares.

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