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OWL-Patienten mit Darmvirus auf Intensivstation

Erstes Todesopfer / Robert-Koch-Institut beunruhigt über große Zahl schwerer Krankheitsverläufe

VON PETER STUCKHARD

Der Auslöser für die Seuche ist noch unklar. Im Verdacht steht ungewaschenes Gemüse. - © Foto: dpa
Der Auslöser für die Seuche ist noch unklar. Im Verdacht steht ungewaschenes Gemüse. (© Foto: dpa)
Darminfekt breitet

sich weiter aus - © Nachrichten
Darminfekt breitet sich weiter aus (© Nachrichten)

Berlin/Paderborn. Eine ungewöhnliche Häufung von Durchfallerkrankungen beunruhigt die Menschen in Deutschland. Wie am Dienstag bekannt wurde, hat der jüngste Ausbruch des gefährlichen Durchfallkeims EHEC schon ein erstes Todesopfer gefordert. Eine an dem Erreger erkrankte 83-jährige Frau ist im Kreis Diepholz gestorben. Das Gesundheitsministerium in Hannover teilte mit, die Seniorin sei seit Mitte Mai wegen eines blutigen Durchfalls stationär behandelt worden. Der Labornachweis habe eine EHEC-Infektion ergeben.

Mehr als 230 Patienten haben sich mit EHEC, einem Verwandten des harmlosen Darmbakteriums Escherichia coli, infiziert. Die Infektionsquelle ist noch unbekannt, Fachleute vermuten verseuchtes Gemüse. In OWL wurden mindestens acht Patienten behandelt, die unter einem schweren Verlauf der Infektion leiden.

Für Carsten Tiemann, Geschäftsführer des Untersuchungslabors Labcon-OWL in Bad Salzuflen, ist das EHEC-Bakterium kein Unbekannter: "Die werden bei uns seit Jahren untersucht", sagt Tiemann, "ein Verdacht auf eine EHEC-Infektion taucht immer mal wieder auf." Das seien dann aber immer eher lokale Fälle aus einzelnen Krankenhäusern oder Heimen. "Dass das jetzt in Norddeutschland ein Flächenbrand wird, wundert mich", erklärt der erfahrene Mikrobiologe.

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Das Robert-Koch-Institut zeigt sich alarmiert, denn, so die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung, "die Zahl der schweren Verläufe in einem kurzen Zeitraum ist sehr ungewöhnlich, auch die betroffenen Altersgruppen sind untypisch." Aktuell seien vor allem Erwachsene, überwiegend Frauen, betroffen.

Mit "schweren Verläufen" beschreibt das RKI eine Komplikation der Infektion, die - bisher - nur bei fünf bis zehn Prozent der Kranken beobachtet wurde, das sogenannte hämolytisch-urämische Syndrom HUS. In dessen Verlauf kommt es zu Blutarmut und einem akutem Nierenversagen, weil das von den Bakterien erzeugte Shiga-Gift die roten Blutkörperchen und Blutplättchen zersetzt und sich kleine Blutklumpen bilden. Die verstopfen und verkleben dann die Blutgefäße in den Nieren. Häufig muss das Blutplasma gereinigt werden (Apherese). Weitere Komplikation ist eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse oder des Gehirns.

Helmut Middeke, Bereichsleiter Medizin und Patientenversorgung des Klinikums Lippe, ist nach Kontakten mit Hamburger Kliniken davon alarmiert, "dass dort völlig gesunde junge Leute unter einem Nierenversagen leiden und sich der Apherese unterziehen müssen".

Der Übertragungsweg von EHEC schließe eine "Ausbruchssituation" wie zum Beispiel bei der Influenza aus, beruhigt Carsten Thiemann. Ursprünglich kommen die krankmachenden Keime aus dem Darm von Wiederkäuern. Sie können sich über Lebensmittel wie rohe Milch, Fleisch, Wurst oder das Trinkwasser direkt verbreiten – deshalb ist eine EHEC-Infektion eine häufige Reisekrankheit und auch als Montezumas Rache geläufig – oder auch den Umweg über ungewaschene menschliche Hände nehmen.

Einmal im Körper, führen schon kleine Konzentrationen zur Infektion, weil die säureresistenten Keime den Magen problemlos unbeschädigt passieren. Es gibt zwar wirksame Antibiotika gegen EHEC, die bewirken aber in der akuten Krankheitsphase, dass die Keime noch mehr von dem Gift an den Körper abgeben und dadurch sogar erst eine HUS auslösen können.

Im Kreis Paderborn wurden gestern acht EHEC-Patienten mit HUS behandelt. Aus den anderen OWL-Kreisen und der Stadt Bielefeld wurden noch keine EHEC-Kranken gemeldet.

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