Paderborn. Jahrelang war die Ärztin Susanne C. für viele Allergiker fast eine Heilsbringerin, hatten doch ihre Behandlungsmethoden bei jungen und alten Patienten gleichermaßen große Erfolge. Doch 2010 kam der Verdacht auf, dass die Paderbornerin nicht, wie versprochen, zur Naturmedizin griff, sondern zu schnöder Chemie.
Sie soll ohne entsprechende Aufklärung und ohne Einwilligung ihrer Patienten kortisonhaltige Mittel verwendet haben. Morgen geht vor dem Amtsgericht Paderborn die zivilrechtliche Aufarbeitung des Falls in die entscheidende Phase.
Zurzeit liegen dem Amts- und Landgericht Paderborn mehr als 50 Klagen von Patienten vor, die die Ärztin zivilrechtlich in die Pflicht nehmen wollen. Der größte Teil der Kläger wird von dem Paderborner Rechtsanwalt Andreas Carl vertreten. Es gehe seinen Mandaten weniger um ein aktuelles Schmerzensgeld als vielmehr darum, eine finanzielle Absicherung für künftig auftretende Folgeschäden zu erreichen, stellt Carl klar.
Massive Wachstumsstörungen bei Kindern
Die Besorgnis über mögliche Konsequenzen der Kortisonbehandlung sei groß. Osteoporose, Pergamenthaut oder Star-Erkrankungen der Augen sind als Nebenwirkungen bekannt, bei Kindern können massive Wachstumsstörungen auftreten. Und so werden ab morgen Pharmakologen, Kinderärzte, Orthopäden und Augenärzte zu dem Fall Stellung nehmen.
Währenddessen hält sich Andreas Jolmes, der die Ärztin zivil- und strafrechtlich vertritt, bedeckt. "Wir warten ab, was die Gutachter sagen", sagt er. Außerdem habe er eine weitere psychiatrische Expertise in Auftrag gegeben, die sich mit dem Seelenzustand der Medizinerin befasst. Eines aber will er dann doch noch betonen: "Meine Mandantin hat nicht vorsätzlich gehandelt."
Indes dauern die strafrechtlichen Ermittlungen an. "Ich hoffe, dass in Kürze eine abschließende Entscheidung getroffen werden kann", sagt Oberstaatsanwalt Horst Rürup. Seit im September 2010 bekannt wurde, dass die Ärztin möglicherweise jahrelang von Neurodermitis und Allergien gepeinigte Menschen widerrechtlich mit Kortison behandelte hatte, ermittelt die Staatsanwaltschaft Paderborn wegen gefährlicher Körperverletzung. Rund 460 ehemalige Patienten der Ärztin haben Strafanzeige erstattet.
Verdacht: Des vielfachen Betrugs schuldig gemacht
"Bei kortisonhaltigen Mitteln sind beachtliche unerwünschte Nebenwirkungen möglich", erklärt Rürup den schweren Vorwurf. Zudem hegen die Ermittler den Verdacht, dass sich die Medizinerin auch des vielfachen Betruges schuldig gemacht hat.
Schließlich hatten die Patienten eine rein homöopathische Behandlung gewünscht und für diese entsprechend tief in ihre Geldbörsen gegriffen. Auf welche Summe sich der entstandene Schaden beläuft, das sei noch nicht ermittelt worden, so Rürup.
Einen ersten Verdacht, dass Susanne C.s Heilungserfolge nicht auf alternativen Mitteln beruhten, schöpfte eine Ärztin. Sie hatte ihren an Neurodermitis und Heuschnupfen leidenden Sohn der Kollegin vorgestellt, war aber durch den überaus raschen Heilungserfolg misstrauisch geworden. Eine von ihr veranlasste Laboruntersuchung förderte Rückstände eines kortisonhaltigen Mittels zutage.