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MINDEN

Reise in die Vergangenheit der Liebe: 84-Jähriger kehrt nach Minden zurück

Beim Militärdienst junge Deutsche kennengelernt

Minden. "Fraternisierung mit den Deutschen war verboten", sagt Trevor Williams über die unmittelbare Nachkriegszeit in Minden. Und trotzdem verlor der damals 18-jährige Soldat sein Herz an eine junge Deutsche, Else Deutsch, und heiratete sie. Jetzt ist sie tot - und der 84-Jährige kehrt an die Stätte ihrer ersten Begegnung zurück.

"Ich war 1947 in den Clifton Barracks, der ehemaligen Mudra-Kaserne, stationiert, als ich Else das erste Mal im Speisesaal sah", erinnert sich der Engländer. Die junge Deutsche verdiente wie viele Frauen damals ihren kargen Lebensunterhalt als Bedienung bei den Briten. "Dafür gab es eine Mahlzeit, und abends durften sie ein Stück Weißbrot mit nach Hause nehmen."

Am Abend begleitete Trevor Williams die junge Frau nach Hause. "Sie wohnte in nur einem Zimmer unter dem Dach mit ihrer Mutter und ihren beiden Geschwistern." 1927 im ostpreußischen Annaberg geboren, war Else Deutsch mit ihrer Familie vor der Roten Armee geflohen und mit ihrer Familie in Minden gestrandet. "Die Zeiten waren hart", sagt Trevor Williams, der 1946 in Bad Oeynhausen seinen Militärdienst antrat.

"Sie hielten das für Propaganda."

Der gelernte Drucker arbeitete in einer von der britischen Rheinarmee konfiszierten Druckerei. "Wir haben die Ausweiskarten der Deutschen gedruckt und Geldscheine." Eines Tages kam der leitende Offizier und legte ihnen jede Menge Fotos vor. "Das waren Bilder von Leuten aus Auschwitz, Buchenwald und anderen Konzentrationslagern." Williams’ deutsche Kollegen waren fassungslos und wollten nicht glauben, was in den Konzentrationslagern geschehen war. "Sie hielten das für Propaganda."

Über seine Druckerkollegen Willy Stuke und Adolf Horst, an die sich der 84-Jährige erinnert, als sei es gestern gewesen, kam der Engländer auch mit dem Schwarzmarkt in Berührung: "Das Kleid auf dem Verlobungsfoto hat mich 50 Zigaretten gekostet."

1949 endete der Militärdienst in Minden, Williams kehrte nach England zurück. Else Deutsch folgte ihm kurz darauf. Es gab nur ein Problem: "Meine Mutter hat sie am Anfang abgelehnt." Dennoch heirateten beide schon im Juni. In den nächsten Jahren wurden die Söhne Stewart und Richard geboren.

Beruflich um die ganze Welt gereist

Der Beruf führte das Paar um die ganze Welt. Als Fachmann und Berater baute Trevor Williams große Druckmaschinen in Afrika und Asien auf. Else begleitete ihren Mann bei den meist mehrmonatigen Montageaufenthalten. "Im früheren Belgisch Kongo, dem heutigen Zaire, lernte sie Französisch und Lingala, eine Bantu-Sprache."Nur nach Deutschland kehrte Else Williams nur ein einziges Mal zurück. Beim Tod ihrer Mutter in den 1950er Jahren.

Als Else Williams am 16. Januar im Alter von 84 Jahren starb, war ihr Gatte nach 62 Ehejahren untröstlich. "Ich habe seither viele Tränen vergossen", sagt Trevor Williams. Um seine Trauer zu bewältigen, schrieb der Witwer nicht nur Gedichte auf "My Minden Rose" - in Anlehnung an die Tradition britischer Regimenter, sich in Erinnerung an die Schlacht bei Minden Rosen anzuheften -, sondern unternahm auch eine Reise in die Vergangenheit. In den zurückliegenden Tagen wandelte er auf den Pfaden seiner Jugend in Minden, Porta Westfalica und Bad Oeynhausen.

Gern hätte er die Geschwister seiner Frau, zu denen in all den Jahrzehnten in der Ferne der Kontakt abgerissen war, oder deren Nachkommen ausfindig gemacht. Leider vergeblich. Martha Deutsch, Elses ältere Schwester, ist vor ein paar Jahren gestorben.

Schlüssel in die Weser geworfen

Als Trevor Williams Donnerstag nach England zurückkehrte, ließ er ein Zeichen seiner Liebe zurück. "Ich habe an der Fußgängerbrücke über die Weser all diese Schlösser mit den Namen von Liebespaaren gesehen. Da habe ich auch ein Schloss gekauft, unsere Namen draufgeschrieben und die Schlüssel ins Wasser geworfen."

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