Gütersloh. Dar Nadler (31) ist Israelin, Sam Husseini (41) Palästinenser und Julia Borggräfe (38) kommt aus Deutschland. Zwischen ihnen liegen nicht nur von der Entfernung her Welten. Seit Mai 2012 arbeiten sie jedoch daran sich einander anzunähern. Als Teilnehmer eines Programms der Bertelsmann Stiftung, setzen sie sich für den Dialog zwischen Deutschen, Israelis und Palästinensern ein. Jessica Kleinehelftewes sprach mit drei der 18 Teilnehmer.
Mit dem Feind spricht man nicht. Haben sie oft mit Vorurteilen wie diesen zu kämpfen?
SAM HUSSEINI: Wann immer ein Palästinenser mit einem Israeli redet, wird es von vielen Palästinensern verurteilt. Die Regierungen sprechen nicht, also warum sollten es also die Menschen tun. Persönlich wurde ich als Verräter beschimpft, weil ich mit israelischen Firmen zusammenarbeite.
DAR NADLER: Mein Umfeld ist sehr tolerant. Aber außerhalb treffe ich oft Menschen mit Vorurteilen. Vor allem wenn sie sich untereinander unterhalten fallen Wörter wie barbarisch oder gewalttätig. Aber ich finde auch, dass es früher extremer war.
Am Austausch nehmen auch Deutsche teil. Gab es die Befürchtung, dass sie als Außenstehende die Lage nicht richtig einschätzen können?
NADLER: Ich war besorgt, dass die palästinensischen Teilnehmer sich ausgegrenzt fühlen, wenn Deutsche an dem Programm teilnehmen.
HUSSEINI: Ich habe mich gefragt, warum Deutsche dabei sind. Schließlich ist das ein Problem zwischen Israel und Palästina. Aber heute bin ich von der Idee begeistert, denn es hat mir geholfen, die Israelis besser zu verstehen.
Und wie war das Gefühl als Deutsche an diesem Programm teilzunehmen?
JULIA BORGGRÄFE: Am Anfang haben sich die deutschen Teilnehmer gefragt, was ihre Rolle ist, denn wir sind ja nicht unmittelbar vom Konflikt betroffen. Aufgrund unserer Historie haben sind wir Teil dieses Konflikts. Dabei sollten wir vor allem eins sein: Neutral.
Das Leben in Gaza und im Westjordanland ist geprägt von Restriktionen, Mauern und Abhängigkeiten. Wie kann da der Austausch funktionieren?
HUSSEINI: Nach unserem ersten Treffen in Deutschland hat uns zu Hause sehr schnell die Realität eingeholt. Zwischen Israel und Palästina können wir uns nicht so frei bewegen wie wir gerne möchten.
BORGGRÄFE: Das größte Problem am Austausch mit den anderen Teilnehmern war, dass in der Facebook-Gruppe jeder in seiner Muttersprache schreibt.
Vor wenigen Wochen erst ist die Gewalt im Nahen Osten erneut aufgeflammt. Hatte das Einfluss auf das Programm?
BORGGRÄFE: Ich habe mir natürlich Sorgen gemacht, dass Programm selbst wurde dadurch aber nicht beeinflusst.
Sie setzen sich für den Frieden im Nahen Osten ein, ist das ein Kampf gegen Windmühlen?
NADLER: Ich habe noch viel Energie und Hoffnung, auch wenn es schwierig ist.
Welche Erfahrungen nehmen Sie mit nach Hause?
HUSSEINI: Ich bin der Bertelsmann Stiftung und vor allem Stephan Vopel und Leila Ulama sehr dankbar. Aus diesem Pilot-Projekt kann soviel gute entstehen. Wir haben sehr viel voneinander gelernt.
NADLER: Ich habe eine neue Sicht auf die Lage in meinem Land bekommen. Das war sehr inspirierend und hat gezeigt, was man besser machen kann.
BORGGRÄFE: Es war sehr bereichernd für mich und es sind viele neue Kontakte entstanden. Vielleicht entsteht daraus mehr.
Austausch über Grenzen hinweg
- Der deutsch-palästinensisch-israelische "Young Leaders"-Austausch wurde 2012 von Liz Mohn initiiert.
- Bisher gab es zwei Treffen in Deutschland. 2013 fahren die deutschen Teilnehmer dann nach Israel und Palästina.
- Teilnehmer sind junge Führungskräfte: Dar Nadler lebt in Tel Aviv und leitet die Organisation "Blue-White-Future-Movement". Sam Husseini ist Chef einer Unternehmensberatung in Ramallah. Julia Borggräfe ist Rechtsanwältin und Mitinhaberin einer Consulting Firma.