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Bielefeld

Auslaufmodell Schulnote

Wieder einmal liegen die Zeugnisse auf dem Tisch und bleiben viele Fragen offen

Diese Schüler scheinen Spaß an ihren Zeugnissen zu haben, nur hinten wirkt es so, als verstecke sich ein Junge hinter dem Stück Papier. Zu erkennen sind Textelemente auf den Zeugnisse, die zukünftig könnte noch differenzierter sein könnten. - © FOTO: DPA
Diese Schüler scheinen Spaß an ihren Zeugnissen zu haben, nur hinten wirkt es so, als verstecke sich ein Junge hinter dem Stück Papier. Zu erkennen sind Textelemente auf den Zeugnisse, die zukünftig könnte noch differenzierter sein könnten. (© FOTO: DPA)

Bielefeld. Die Zeiten, in denen auf dem Zeugnis "Deutsch 2" stand, sind lange vorbei. Längst werden Lesen und Rechtschreibung und weitere Aspekte benotet. Oft gibt es erklärende Sätze. Doch die Zukunft an den Grundschulen dürfte bald notenfrei sein - zumindest in den ersten drei Jahren. Seit das Land erlaubt, bis Ende der Jahrgangsstufe 3 auf Noten zu verzichten, steigen reihenweise Grundschulen ein. Skepsis gibt es, längst aber sind die Kritiker eine Minderheit.

Vier von fünf Grundschulen, glaubt Schulrätin Gitta Trachte (55), werden bald weitgehend auf Noten verzichten. Galt bis August 2012, dass ab Ende der Klasse 2 benotet werden musste, ist nun das erste Halbjahreszeugnis in der Klasse 4 zwingend mit Noten zu befüllen. Etliche Schulen haben sofort über ihre Schulkonferenzen – also mit den Eltern im Boot – für die Notenfreiheit votiert. Einige benoten zum Ende der dritten Klasse, einige im Halbjahreszeugnis der Klasse 4, dem Zeugnis, das die Schulformempfehlung beinhaltet.

Peter Edinger vom Stadtelternrat weiß, dass die Debatte über Noten eine alte ist. Eine, die polarisiert. "Die Elternschaft ist geteilt, aber der geringere Teil will strikt an den Noten festhalten." Argumente: Die Kinder müssten eh irgendwann in den Leistungsvergleich eintreten und wollten auch selbst die Noten – "und für Eltern gibt es ja nur sehr wenig Handfestes zu dem, was in der Schule so passiert". Edinger: "Aber Noten reichen nicht aus, um Fähigkeiten von Kindern abzubilden."

Ausformulierte Zeugnisse wie die der Laborschule, bewirbt Professor Eiko Jürgens, wenn er an Grundschulen bei Elterninfoabenden für die Notenfreiheit argumentiert. Zehn Seiten lang, ausdifferenziert und sehr präzise auf das Kind zugeschnitten.

Doch das dürfte an den meisten Grundschulen Zukunftsmusik sein. Sie ersetzen die Noten durch ein notenähnliches System – nur deutlich ausdifferenzierter. So, wie an der Sudbrackschule: Statt zwei, drei Noten im Bereich Deutsch zu vergeben, fuhr die Schule unter Martina Reiske einen Kurs, der zunächst beide Ebenen parallel anbot – um dann zu diesem Schuljahr auf die Notenfreiheit bis Ende Klasse 3 umzusteigen.

"Wir haben je fünf Unterebenen zu den Themen Rechtschreibung und Sprachverständnis sowie vier Ebenen für das Lesen", sagt Reiske. Hier gibt es Kreuze in einem Bewertungsraster und schriftliche Ausführungen. So ähnlich sieht auch das aus, was Schulrätin Trachte sich an den Schulen wünscht. "Zehn Seiten zu beschreiben ist an normalen Grundschulen nicht zu leisten."

Sinnvoll findet Schulleiterin Reiske das auch nicht. Ihre Schule hat eine bunte Elternschaft, zwischen gut gebildet und bildungsfern, zwischen sprachlich bewandert und rudimentär Deutsch sprechend. "Viele hätten mit einem rein sprachlich ausdifferenzierten Zeugnis Schwierigkeiten." Es gibt Sprachbarrieren. Reiske: "Einem Riesenaufwand für Lehrer stünde nur ein minimaler Gewinn gegenüber." Und der eher bei den bildungsnahen Eltern.

Reiske wie auch Trachte betonen, dass der Verzicht auf Noten durch ein System ersetzt wird, das wesentlich differenzierter ist - und Eltern wie Kindern deutlicher zeigt, wo in guten Fächern auch Schwächen liegen, wo es Entwicklungen gab, wo in schwächeren Fächern Stärken vorhanden sind. "Dazu kommt ja, dass die Elterngespräche ausgebaut werden", sagt Reiske.

Für Trachte steht fest, dass es nicht darum gehen kann, am Ende in blumiger Sprache à la Arbeitszeugnis zu bewerten. "Das Zeugnis muss aussagekräftig sein." Sie wünscht, dass sich möglichst viele Schulen auf ein Raster und eine Form als Standard verständigen – "und die Kriterien müssen klar von den Lehrplänen gespiegelt werden".

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