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Bauern sollen Rehkitze verschonen

Hunderttausende Wildtiere sterben beim Mähen

Bauern sollen 

Rehkitze verschonen - © OWL
Bauern sollen Rehkitze verschonen (© OWL)

Bielefeld. Die Monate Mai und Juni sind der Horror für die heimische Tierwelt. Mähmaschinen, die immer größer und schneller werden, fahren dann über die Wiesen und zerschreddern hunderttausende von Hasen, Kaninchen und Rehkitzen. Aber auch Igel, Amphibien, Reptilien und viele Jungvögel geraten unters Messer. In diesem großen Ausmaß muss das nicht sein, wenn einige simple Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden.

Nach dem Tierschutzgesetz und verschiedenen Gerichtsurteilen sind Landwirte eigentlich verpflichtet, ihre Flächen vor der Ernte oder der Mahd nach Wild abzusuchen. "Doch nur selten kommen sie dieser Verpflichtung nach", kritisiert das Fachblatt Rheinisch-Westfälischer Jäger. Zunehmender Zeitdruck in der Branche, manchmal aber auch Gleichgültigkeit von großen Lohnunternehmen verhindern, dass dem Tierschutz Rechnung getragen wird.

Der Landesjagdverband NRW (LJV) hat mit der Landwirtschaftskammer Rheinland eine Initiative gestartet, damit sich das ändert. Sie wird unter anderem auch vom Maschinenhersteller Claas in Harsewinkel (Kreis Gütersloh) unterstützt.

Von innen nach außen mähen

Um Wildtiere wirksam zu schonen, reiche es schon aus, die konventionelle Mähmethode zu verändern, sagt LJV-Sprecher Andreas Schneider. Anstatt – wie sehr häufig zu sehen – von außen nach innen, sollen Wiesen und Felder stets von innen nach außen gemäht werden, damit den Tieren die Möglichkeit bleibt zu fliehen. Wird von außen nach innen gemäht, werden die Wildtiere "wie auf einer Insel eingefangen". Bis zur letzten oft todbringenden Sekunde versuchen sie, sich im Gras oder Getreide zu ducken.
Junge Rehe sind so oft kaum zu sehen. Landwirte sind verpflichtet, Wiesen vor dem Mähen abzusuchen. - © FOTO: DPA
Junge Rehe sind so oft kaum zu sehen. Landwirte sind verpflichtet, Wiesen vor dem Mähen abzusuchen. (© FOTO: DPA)

Am Tag vor der Mahd können die Tiere durch Stangen und flatternde Tücher gewarnt werden. Vor allem Rehe, die gerade ein Kitz in einer Wiese geboren haben, würden darauf reagieren, sagt der Bielefelder Landwirt und Jäger Heinrich Quakernack. "Sie holen dann das Kitz aus der Gefahrenzone", sagt Quakernack, der auch stellvertretender Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Bielefeld ist.

Eine weitere Methode zur Verbesserung des Tierschutzes wendet Quakernack ebenfalls an, ein kleines, kostengünstiges akustisches Warnsignal, das an der Mähmaschine angebracht wird. "Das Gerät verscheucht viele Wildtiere, vor allem Fasane reagieren darauf", sagt Quakernack.

Wärmebildkameras können helfen

Mittlerweile gibt es auch Wärmebildkameras, die das Vorfeld einer Mähmaschine erfassen, aber diese seien in der Praxis nicht sehr verbreitet. Quakernack weiß, dass nicht alle seine Kollegen dem Schutz der Wildtiere die größte Bedeutung beimessen. Lohnunternehmer, die heutzutage oft mit der Mahd und der Ernte beauftragt werden, "wollen einfach nur fertig werden", sagte er.

LJV-Sprecher Schneider bricht hingegen eine Lanze für die Bauern. Die Kampagne zum Schutz der Wildtiere trage Früchte. "Das ist in den letzten Jahren bei den Landwirten immer mehr ins Bewusstsein gekommen", glaubt auch Joachim Krause, Sprecher der Kreisjägerschaft Bielefeld. Er appelliert an Grundstückseigentümer, vor dem Mähen unbedingt auch mit dem jeweiligen Jagdpächter zu sprechen. Dieser hat häufig die Möglichkeit, mit einem Hund die Flächen nach Tieren abzusuchen.

"Förster und Vogelkundler können bei einer Begehung Nester von Bodenbrütern ausfindig machen und retten", teilt der Deutsche Tierschutzbund mit, der sich aus aktuellem Anlass ebenfalls des Themas angenommen hat. "Im Zweifelsfall sollten Landwirte sich Rat und Hilfe bei Umwelt- und Tierschutzorganisationen beziehungsweise den zuständigen Behörden holen."

Der Schutz der Bodenbrüter ist auch deshalb wichtig, weil viele Vogelarten in NRW bereits auf der Roten Liste stehen und vom Aussterben bedroht sind.

Information
Jungtiere nicht anfassen
  • Rehkitze und Feldhasenjunge scheinen oft regungslos und von den Eltern verlassen im Gras oder auf den Ackerflächen zu liegen.
  • Dieses Verhalten ist die beste Tarnung und sicherste Methode, nicht von Krähen, Füchsen oder Waschbären gefressen zu werden.
  • Spaziergänger sollten solche Jungtiere an Ort und Stelle nicht berühren, erklären Tierschützer.
  • Sie werden zwei- bis dreimal am Tag von der Mutter aufgesucht und gesäugt.
  • Wenn das Muttertier die menschliche Witterung, die bei der Berührung des Tiers durch den Menschen über viele Stunden zurückbleibt, riecht, erkennt sie ihr eigenes Junges nicht mehr und überlässt es sich selbst.

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