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Bielefeld/Bad Oeynhausen

Eltern wegen Kindesentziehung angeklagt

Paar aus Bad Oeynhausen soll Sohn entführt haben

Staatsanwalt Christoph Makel
Staatsanwalt Christoph Makel

Bielefeld. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat ein deutsch-libanesisches Ehepaar aus Bad Oeynhausen wegen Kindesentziehung angeklagt. Jalal (36) und Farah S. (24) sollen ihren am 5. April 2011 geborenen Sohn Mazen vor zwei Jahren widerrechtlich in den Libanon gebracht haben. Seither fehlt von dem Kleinkind jede Spur. Es war vermutlich in Deutschland schwer misshandelt worden.

Der Fall hatte für Schlagzeilen gesorgt. Anlässlich einer Untersuchung war einem Kinderarzt in Bad Oeynhausen im Juni 2011 zunächst der Verdacht gekommen, dass der damals erst drei Monate alte Säugling von seinen Eltern malträtiert worden war und dabei ein Schütteltrauma erlitten haben könnte. Eine gerichtsmedizinische Untersuchung bestätigte dies. Der kleine Mazen wurde in die Kinderklinik Bielefeld-Bethel verlegt und dort erfolgreich wegen einer Gehirnblutung operiert.

Aufgrund einer anhaltenden Gefährdung des Kindeswohls nahm das Jugendamt Bad Oeynhausen den Säugling am 25. August 2011 in Obhut. Gleichzeitig beantragte die Behörde den Entzug der elterlichen Sorge. Das Familiengericht gab nur einen Tag später dem Antrag statt und bestellte das Jugendamt zum Ergänzungspfleger.

Vater floh mit Kind aus Krankenhaus

Die Beschlüsse wurde den Eltern am 27. August zugestellt.
Nur einen Tag später, am 28. August, kam es dann zu einer dramatischen Entwicklung: Am Vormittag drang Jalal S. in die Kinderklinik Bethel ein. Obwohl der Säugling in einem Raum untergebracht war, der dem Schwesternzimmer direkt gegenüber lag, gelang es dem Vater, eine günstige Gelegenheit abzuwarten, den Säugling aus seinem Bett zu holen und mit ihm zu fliehen.

Eigentlich hatte das Baby nach einer letzten Untersuchung entlassen werden sollen - allerdings in die Hände einer Bereitschafts-Pflegefamilie, die das Bad Oeynhausener Jugendamt schon gefunden hatte.

Den Ermittlungen der Bielefelder Staatsanwaltschaft zufolge wollte der Vater das unbedingt verhindert. "Er ließ sich von einem Zeugen mit dem Auto nach Amsterdam fahren und flog dann zusammen mit dem kleinen Jungen in den Libanon", sagt der Bielefelder Staatsanwalt Christoph Mackel. Einen Haftbefehl habe man nicht erwirkt. Jalal S. sei libanesischer Staatsbürger, deshalb sei ein Auslieferungsersuchen von vornherein aussichtslos gewesen, sagte Mackel.

Kinder leben vermutlich im Libanon

Die Strafverfolgungsbehörde und das Jugendamt gehen davon aus, dass auch die Ehefrau an der Kindesentziehung beteiligt war und der zweite, heute sechs Jahre alte Sohn des Paares ebenfalls in den Libanon gebracht wurde. Vermutlich leben die Kinder dort bis heute bei Verwandten.

Nach Auskunft des Bielefelder Staatsanwalts meldeten sich Jalal und Farah S. vor einigen Monaten beim Jugendamt in Bad Oeynhausen. Sie wollten wissen, wie sie die elterliche Sorge zurückerhalten können.

Zunächst müssen sich die Eltern nun aber vor einen Strafrichter verantworten. Auf Kindesentziehung stehe bis zu fünf Jahre Haft, sagte Mackel. Eine Anklage wegen Kindesmisshandlung sei unterblieben, weil man die körperlichen Übergriffe keinem der beiden Elternteile eindeutig habe zuordnen können.

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