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Games-Kritik

„Out of Sight“ im Test: Indie-Horror, der mit cleveren Ideen überzeugt

Mit „Out of Sight“ gelingt dem Indie-Studio „The Gang“ ein bemerkenswerter Wurf im Puzzle-Horror-Genre. Das Spiel entführt uns in eine düstere Villa, in der wir als blinde Protagonistin Sophie um unser Leben rätseln – und das aus einer Perspektive, die ihresgleichen sucht.

Statt klassischer Ego- oder Third-Person-Kamera erleben wir die Welt durch die Augen von Sophies Teddybär, der nicht nur ihr, sondern auch uns als Spielenden den Blick auf die Umgebung ermöglicht. Schon dieses ungewöhnliche Konzept hebt „Out of Sight“ aus der Masse hervor und sorgt für ein Spielerlebnis, das gleichermaßen verstörend wie faszinierend ist.

Die Atmosphäre ist dicht, der Horror subtil und niemals effekthascherisch. Statt billiger Schockmomente baut das Spiel auf die Angst, entdeckt zu werden, und auf das Unbehagen, sich in einer fremden, feindseligen Umgebung zurechtfinden zu müssen. Die ständige Präsenz der bedrohlichen Erwachsenenfiguren – einer düsteren Haushälterin und einem unheimlichen Hausmeister – sorgt für permanente Anspannung. „Out of Sight“ erinnert in seiner Grundstimmung an Titel wie „Little Nightmares“, bleibt aber stets eigenständig und originell.

Worum geht’s in „Out of Sight“?

Wir brauchen den Schlüssel von der linken Wand. Dabei sollten wir keinesfalls in die Mausefalle unten links treten, denn unsere Schmerzensschreie locken die Erwachsenen an. Wenn wir unseren Teddy rechts auf die goldene Position setzen, kann Sophie die Kiste bewegen, draufklettern und den Schlüssel holen. - © The Gang
Wir brauchen den Schlüssel von der linken Wand. Dabei sollten wir keinesfalls in die Mausefalle unten links treten, denn unsere Schmerzensschreie locken die Erwachsenen an. Wenn wir unseren Teddy rechts auf die goldene Position setzen, kann Sophie die Kiste bewegen, draufklettern und den Schlüssel holen. (© The Gang)

Wir schlüpfen in die Rolle der kleinen Sophie, die nach einer Entführung in einer unheimlichen Villa erwacht. Blind und auf sich allein gestellt, kann sie die Umgebung nur wahrnehmen, wenn sie ihren Teddybären bei sich trägt oder gezielt auf Hockern, Regalbrettern oder Ähnlichem platziert. Durch diesen Kniff entsteht ein innovatives Gameplay: Während Sophie mit ihren Händen Rätsel löst, bleibt unser Sichtfeld auf das begrenzt, was der Bär „sieht“.

Sophies Ziel ist es, aus dem Haus zu entkommen, vorher aber auch noch den Geheimnissen der Villa auf die Spur zu kommen und dabei stets den fiesen, lauernden Gefahren zu entgehen.

Was hat uns gefallen?

Der Teddy schaut zu, während Sophie den Weg freimacht. Nicht immer sind die Rätsel sehr schwer, aber oft genug sind sie ganz schön knifflig. - © The Gang
Der Teddy schaut zu, während Sophie den Weg freimacht. Nicht immer sind die Rätsel sehr schwer, aber oft genug sind sie ganz schön knifflig. (© The Gang)

Das wohl stärkste Alleinstellungsmerkmal von „Out of Sight“ ist die einzigartige Perspektive: Wir steuern nicht nur die blinde Protagonistin Sophie, sondern erleben die Welt gleichzeitig durch die Augen ihres Teddybären. Diese Dualität eröffnet ein völlig neues Spielerlebnis. Während Sophie sich vorsichtig durch die Räume tastet, müssen wir den Bären strategisch an vom Spiel vorgeschlagenen Orten platzieren, um die Umgebung zu erkunden und Gefahren frühzeitig zu erkennen. Dieses Zusammenspiel fordert nicht nur Geschick, sondern auch taktisches Denken und sorgt für eine immersive Spannung, die wir so in kaum einem anderen Spiel bisher gefunden haben.

Die Rätsel, die wir lösen müssen, sind durchdacht und vielseitig gestaltet. Sie verlangen von den Spielerinnen und Spielern, die Perspektiven zu wechseln und die begrenzten Sichtfelder clever zu nutzen. Dabei setzt das Spiel nie auf stumpfe Trial-and-Error-Mechaniken, sondern vielmehr auf logisches Denken, Spürsinn und Beobachtungsgabe. Die Puzzles sind so gestaltet, dass sie herausfordernd, aber nie unfair sind. Das sorgt für ein befriedigendes Gefühl bei der Lösung und hält die Motivation hoch.

So gab es im letzten Drittel des Spiels ein Rätsel, das Sophie und der Teddy gemeinsam lösen mussten – für uns das schwerste Rätsel im ganzen Spiel: Während der Teddy langsam auf einer Bahn seitwärts fährt (Sophie setzt ihn mit einem Schalter in Bewegung), muss Sophie eine Kiste, die sie zuvor benutzt hat, um zum Schalter hochzuklettern, quer durch einen Raum schieben, in dem die Haushälterin mit wachsamen Augen und Ohren auf jede Bewegung achtet, und jede Deckung nutzen. Im ersten Moment dachten wir noch: Ach, das wird super-easy! War’s dann aber doch nicht. Und das macht „Out of Sight“ bravourös: Dass sich schwierige und leichte Rätsel abwechseln und dass man sich nie sicher sein kann, wie knifflig es wirklich wird, die nächste Tür zu öffnen.

Und toll ist auch die Soundkulisse: Leise, unheilvolle Klänge, das Knarren alter Holzdielen, entfernte Schritte – all das erzeugt eine beklemmende Stimmung, die perfekt zum Setting passt. Das Leveldesign unterstützt diese Atmosphäre mit liebevoll gestalteten, detailreichen Räumen, die eine geheimnisvolle und zugleich bedrohliche Welt erschaffen.

An manchen Orten finden wir sehr zu Herzen gehende Erinnerungen der entführten Kinder, die schon vor uns da waren. Aber dann müssen wir meist auch schon weiter, denn wir wollen ja raus, wir wollen das Kind sein, das es als einziges aus der Villa schafft. Die Angst, entdeckt zu werden, ist permanent spürbar, ohne dass das Spiel auf billige Schockeffekte zurückgreift. Das ist ein großer Pluspunkt, der „Out of Sight“ von vielen anderen Horror-Titeln abhebt, finden wir.

Mit einer Spielzeit von rund vier Stunden (wir haben sechs gebraucht, haben aber auch Walkthrough-Videos gesehen, die in rund zwei Stunden durch waren) ist „Out of Sight“ ein kurzweiliges, aber intensives Erlebnis. Es verzichtet auf unnötige Längen oder Füllmaterialien und bringt seine Ideen präzise auf den Punkt. Gerade für Spielerinnen und Spieler, die keine Zeit für epische Abenteuer haben, ist das ein großer Vorteil. Für uns hatte es genau die richtige Länge für ein verregnetes Wochenende.

Was hat uns nicht gefallen?

Einige Gegenstände in den Räumen lassen sich bewegen, manchmal muss man sie auch über mehrere Räume mitschleppen, um auf Schreibtische oder hinter die Wände zu gelangen. Wir hatten tolle Aha-Erlebnisse! - © The Gang
Einige Gegenstände in den Räumen lassen sich bewegen, manchmal muss man sie auch über mehrere Räume mitschleppen, um auf Schreibtische oder hinter die Wände zu gelangen. Wir hatten tolle Aha-Erlebnisse! (© The Gang)

Es gibt jedoch auch Nachteile bei „Out of Sight“. So ist die Erzählung zum Beispiel bewusst subtil und wird hauptsächlich über Umgebungsdetails und kurze Dialogfetzen vermittelt. Während diese Herangehensweise die Atmosphäre unterstützt, hinterlässt sie am Ende auch ein Gefühl von Unvollständigkeit. Es ist nicht ganz wie bei Bertolt Brecht („Wir stehen selbst enttäuscht und seh’n betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen“), aber dennoch blieben bei uns viele Fragen zu Sophies Vergangenheit, den Motiven der Entführer oder der Bedeutung der Villa offen. Da hätten wir uns etwas mehr Tiefgründigkeit gewünscht.

Was wir bei Spielen auch immer testen, ist der Wiederspielwert. Leider bietet „Out of Sight“ nach dem Durchspielen nur wenig Anreize für einen zweiten Durchgang. Die Sammelobjekte und optionalen Aufgaben sind zwar vorhanden („Spüle die Toilette in Sophies Zimmer“, „Finde das Lieblingsspielzeug des verschwundenen Kindes“), wirken aber eher beiläufig und bieten keinen echten Mehrwert, der uns noch einmal ins Spiel gezogen hätte. Immerhin kann man nach dem Durchspielen direkt die Kapitel anwählen, die man noch einmal spielen möchte. Allerdings muss man Glück haben, dass man das richtige Kapitel erwischt, in dem man zuvor die Sammelobjekte versäumt hat.

Derzeit noch ein nerviger Bug: Wer das Spiel über das Zwischenmenü pausiert und dann weitermachen will, kommt bei diesem Bildschirm vermutlich kurz ins Stocken. "Ok" ist aber die richtige Antwort, und ein Patch wird den Fehler sicher bald beheben. - © The Gang
Derzeit noch ein nerviger Bug: Wer das Spiel über das Zwischenmenü pausiert und dann weitermachen will, kommt bei diesem Bildschirm vermutlich kurz ins Stocken. "Ok" ist aber die richtige Antwort, und ein Patch wird den Fehler sicher bald beheben. (© The Gang)

Kommen wir zur Technik: Obwohl das Spiel insgesamt sehr stimmig ist, fallen kleinere technische Unstimmigkeiten auf. Die Größenverhältnisse zwischen Charakteren und Umgebung wirken manchmal widersprüchlich, was uns aber nicht wirklich gestört hat. Dagegen hätten wir uns gewünscht, wenn die KI der Gegner in manchen Bereichen noch intelligenter und bedrohlicher agiert hätte, um die Spannung weiter zu steigern. Außerdem sind manche Mechaniken, etwa das Platzieren des Teddybären oder das entferntere Navigieren von Sophie, nicht immer ganz präzise, was in kniffligen Situationen frustrieren kann.

Die Bedrohung durch die Erwachsenenfiguren ist zwar atmosphärisch stark, aber sie handeln meist nach vorhersehbaren Mustern. Eine größere Vielfalt an Gegnern oder dynamischere Verhaltensweisen hätten das Spiel noch spannender gemacht. Außerdem fehlt es leider an Möglichkeiten, aktiv mit der Umwelt zu interagieren, um Gegner abzulenken oder Fallen zu stellen.

Aber wahrscheinlich ist das alles schon Jammern auf hohem Niveau, denn insgesamt hatten wir einen ziemlichen Spaß mit dem Spiel und haben schon Freunden gesagt, wir hielten es für einen Fehler, dieses Spiel nicht zu spielen. Das will ja schon was heißen.

Unser Fazit zu „Out of Sight“

„Out of Sight“ ist ein atmosphärisch dichter, spielmechanisch innovativer Puzzle-Horror, der vor allem durch seine Perspektive und die cleveren Rätsel begeistert. Die Entwickler beweisen Mut zur Originalität und liefern ein Spielerlebnis, das uns im Kopf bleibt. Auch wenn die Geschichte nicht alle Erwartungen erfüllt und das Abenteuer recht kurz ausfällt, bleibt „Out of Sight“ ein Geheimtipp für alle, die ungewöhnliche Horror- und Rätselspiele lieben.

Es ist ein Spiel, das zeigt, wie viel Spannung und Emotionen mit einfachen Mitteln und einer brillanten Idee erzeugt werden können – und das den Beweis antritt, dass selbst im Indie-Bereich noch echte Überraschungen möglich sind. Was ist das jetzt schon für ein Spiele-Jahr!

„Out of Sight“ ist seit dem 22. Mai 2025 für PC, Playstation 5 und Xbox Series X|S erhältlich und kostet rund 25 Euro. Das Spiel ist freigegeben ab 16 Jahren.

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