Keine Spur von Truckerromantik

Lemgo-Hörstmar . Wer Ende der 70er Jahre vor dem Fernseher hockte, kannte Manfred Krug. Und &bdquo;Auf Achse“. Erinnerungen an eine schöne TV-Serie, die jeden mit Diesel im Blut wehmütig macht, sind indes eine Rarität in einer globalisierten Welt. Uwe Lewald ist 61 Jahre alt. Er kennt Krug und die Achse. Seit zehn Jahren setzt er sich oft genug am Sonntagabend in die Zugmaschine und gibt im Navi Karlsruhe oder München ein. Lewald fährt. Die Zeiten der Truckerromantik allerdings sind vorbei. Eine Spurensuche.

Den Truck geklaut in Albanien, Zoll-Probleme in Schweden, Ärger mit Auftraggebern, die nicht zahlen wollen. Und immer wieder irgendwo am Ende der Welt auf der Suche nach einem Dorf, in dem man ein paar Liter Diesel auftreiben kann. Das war das Fernsehleben von Franz Meersdonk , im echten Leben eben Manfred Krug. Alles spielte sich in einer Zeit ab, als es im bundesdeutschen Fernsehen nur drei Programme gab und der Karamelriegel Twix noch Raider hieß. Vorbei die Romantik der Vergangenheit. Die Terminfracht in aller Herren Länder ist geblieben. Mehr denn je. Durch die Globalisierung, den Ausbau der Transitstrecken oder den Erfolgszug von Warenversendern wie Zalando und Amazon fahren die Laster dicht an dicht über die Straßen.

Lkw mit Länge von 16 Metern Mittendrin: Uwe Lewald . Der 61-Jährige sitzt in einem Fahrzeug mit einer Gesamtlänge von mehr als 16 Metern. Es ist an vielen Tagen sein Arbeitsplatz und sein Wohnzimmer. &bdquo;Tatort in der ARD habe ich seit Jahren kaum gesehen. Das ist die Zeit, in der ich mich oft fertigmache, sagt Lewald . Sonntags herrscht bis 22 Uhr Fahrverbot. Nur mit Sondergenehmigung – beispielsweise, um eine Fähre zu kriegen – kann man &bdquo;auf Achse“ sein. Und außerdem muss Lewald am Sonntag vor der Arbeit zusehen, dass die richtige Portion Schlaf im Körper angekommen ist. &bdquo;Nachmittags vielleicht noch mal drei Stunden. Die Jalousie runter“, sagt er. Essen? &bdquo;Nicht unbedingt. Eher Kaffee und Zigaretten.“

Bis Fulda oder Würzburg kommt der Trucker an einem Sonntag. Dann sind drei oder vier Stunden um und eine Pause steht an. Lewald : &bdquo;Nachts ist natürlich wenig Verkehr, also auch weniger Staus. Morgens in der Früh wird es mehr, die Pendler, die Monteure“. Die Dunkelheit mache seinen Augen nichts aus. &bdquo;Ich fahre in der Nacht oder am Tag gleichermaßen gerne.“ Truckerromantik hin oder her: Truck Stop sind längst Vergangenheit. Lewald schwört auf Radio. &bdquo;WDR 4. Nachts sind im Radio viele Sender wie SWR 4 oder Bayern 4 in einem Programm zusammen geschaltet. Da muss ich keine Sender suchen.“ In den Pausen fährt er lieber einen Autohof an. &bdquo;Ist günstiger als auf der Raststätte und in der Regel liegen diese Parkplätze nur einen Kilometer weit entfernt.“

Kampf um die Zeit Die Story mit dem Gasgrill auf der Ladefläche? Lewald winkt ab: &bdquo;Nur wenige Fahrer machen das noch. Aber selbst die gemeinsamen Stunden von Lkw-Fahrern, die als Gruppe zusammensitzen – alles weitestgehend ob dem Takt und dem Kampf um die Zeit längst Vergangenheit. Außerdem bekommen wir 28 Euro Spesen am Tag, wenn wir tagelang von zu Hause weg sind. Die kann ich auch ausgeben.“ Und bei den Getränken? &bdquo;Cola, Wasser, Kaffee, jüngere Fahrer auch mal ein Red Bull.“ Wer länger unterwegs ist, denkt zudem an eine Dusche. Vor Jahren waren die sanitären Bedingungen an Rastplätzen mal ein Thema in den Gazetten. Mittlerweile scheint Ruhe eingekehrt. Lewald lobt beispielsweise Euro-Rast in Hamm-Uentrup . &bdquo;Umgebaut, ich hole mir den Schlüssel und nehme mein Duschgel mit. Alles gut organisiert und sauber dort.“

Bei der veränderten Struktur in der Logistiklandschaft – der Faktor Zeit hat eine hohe Priorität – steht unterwegs ohnehin das Management im Vordergrund. Baustellen müsse man einkalkulieren. Ab 15.30 Uhr werde es eng auf den Parkplätzen der Rasthöfe. Und länger als 4,5 Stunden am Stück darf man nicht hinterm Lenkrad sitzen. Außerdem, so Lewald , müsse der Fahrer im Blick haben, wann die Ware sinnvollerweise beim Kunden ausgeladen werden kann. &bdquo;Es kann ja sein, dass ich möglichst um 6 Uhr morgens im Allgäu irgendwo an der Rampe stehen sollte.“ Stand- und Wartezeiten sind zu vermeiden: Zeit ist – immer noch – Geld.

Lärm kann er ausblenden Um stets optimal zu agieren, ist eine Kommunikation mit dem Arbeitgeber stets zeitnah zu führen. Lewalds Chef ist Stefan Pieper, der seine Spedition in Lemgo-Hörstmar hat. Über GPS oder Handy halten Pieper und sein Disponententeam mit den Fahrern Kontakt. An die Zeiten ohne Handy, also an Münztelefone und gelbe Zellen wollen weder Pieper noch Lewald länger zurückdenken. Bliebe noch die Frage nach dem Wohnzimmer im Arbeitszimmer, also die Zugmaschine und was sie innen bietet. &bdquo;Fernseher, Musik, ein Bett, Stauraum, einen Wasserkocher...“, so der Lkw-Fahrer. Die Geräuschkulisse auf Parkplätzen, wenn rund um seinen Laster alle anderen Laster ankommen und wegfahren, kann der Fan von Borussia Mönchengladbach übrigens ausblenden. &bdquo;Alles gut isoliert und eine Frage der Gewöhnung.“

Und was erfreut das Truckerherz beim Fahrzeug selbst? Lewald : &bdquo;Drehmoment. Ob es 450 oder 500 PS sind, ist nicht so entscheidend. Drehmoment, beispielsweise an den Kasseler Bergen.“ Über Klimaanlage oder Standheizung muss er nicht nachdenken, alles längst Standard bei Pieper in Hörstmar . Ein kleines &bdquo;Schnipsel“ der Truckerromantik indes ist auch in der modernen Gegenwart geblieben: Uwe. Ein Vorname auf Blech, ein Nummernschild vorne an der Windschutzscheibe. Und ein Gladbach-Schal oben einmal quer durchs Führerhaus. Lewald : &bdquo;Auch beim Kunden eher von Vorteil. Die wissen, was sie rufen müssen, wenn sie mich meinen...“

Kriterien beim Kauf Stefan Pieper, Spediteur in Hörstmar , weiß, was Lastwagen heute so verbrauchen. Pieper: &bdquo;25 bis 30 Liter Diesel.“ Die großen Hersteller seien Unternehmen wie Volvo, MAN, Scania oder Iveco. Der Preis für eine neue Zugmaschine sei nicht das einzige Kriterium beim Neukauf. Pieper: &bdquo;Wir wollen heutzutage eher Service.“ Die Preise seien ob der Rohstoffverknappung, der Inflation und durch die Energiekrise angezogen. Pieper meint ausgemacht zu haben, dass neue Zugeinheiten in der heutigen Zeit rund 20 Prozent mehr kosten als vor drei Jahren. Große Vorteile habe übrigens die Euro-Umstellung vor mehr als zwei Jahrzehnten gebracht. Pieper: &bdquo;Früher mussten wir den Fahrern quasi mehrere Tüten mit fremden Währungen mitgeben.“ Und: Wird viel aus den Lastern gestohlen? Pieper: &bdquo;Nicht unbedingt, aber Vandalismus ist ärgerlich. Kriminelle, die nachts einen Halbmond in die Plane schneiden, um nachzusehen, was wir geladen haben.“

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