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„Star Wars: Outlaws“ im Test: Hoffnungsvolle Abkehr von der Ubisoft-Formel

David Wellenfang

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So muss eine Star-Wars-Open-World aussehen: Die Spielwelt strotzt vor Details aus der weit, weit entfernten Galaxie. - © Ubisoft/Massive
So muss eine Star-Wars-Open-World aussehen: Die Spielwelt strotzt vor Details aus der weit, weit entfernten Galaxie. (© Ubisoft/Massive)

Hier eine unvollständige Liste der Spiele, an die wir während des Prologs von „Star Wars Outlaws“ denken mussten: „Uncharted“, „Assassin’s Creed“, „Splinter Cell“, „Knights of the Old Republic“, „Mass Effect 2“… Mechaniken aus all diesen Spielen finden sich in der knappen Stunde, die uns in das vom Studio Massive entwickelte und von Ubisoft vertriebene Open-World-Abenteuer einführt.

Das klingt nach Kritik, nach uninspiriertem Neuaufguss von anderswo Bewährtem. Und man kann das beim Spielen auch so empfinden. Warum wir trotzdem immer weiterspielen wollen, verraten wir euch im Test.

Worum geht’s in „Star Wars: Outlaws“?

Die zu Spielbeginn noch ziemlich häufige Schleicherei kann man später zugunsten offener Feuergefechte auch sein lassen. - © Ubisoft/Massive
Die zu Spielbeginn noch ziemlich häufige Schleicherei kann man später zugunsten offener Feuergefechte auch sein lassen. (© Ubisoft/Massive)

Unsere Heldin Kay Vess ist als Schmugglerin zwar begabt, aber noch ein bisschen grün hinter den Ohren. Sympathisch, stolpert aber auch mal über das überbordende Selbstvertrauen. Hat hier jemand „Han Solo“ gesagt? Die Parallelen sind wahrscheinlich gewollt. Jedenfalls endet unser erster Auftrag gleich mal damit, dass einer der mächtigsten Syndikatsbosse des „Star Wars“-Universums uns und unsere zottelige Kumpelkreatur Nix galaxieweit zum Abschuss freigibt. Immerhin: Sein Schiff dürfen wir ihm klauen und damit später auch selbst durchs All fliegen. Aber erst mal heißt es untertauchen – auf der nächstbesten Welt: Toshara. Dort geraten wir dann schnell in den nächsten Schlamassel, denn die Syndikate der Pykes, Hutts und von Crimson Dawn sind natürlich auch hier aktiv. Fortan versuchen wir, uns mit verschiedenen Aufträgen, Überfällen, Raubzügen und Suchmissionen mit allen möglichst so zu arrangieren, dass uns nicht jede Patrouille ständig vom Speeder schießt. Denn was wir dem einen Gutes tun, verärgert womöglich den anderen. Je nach Ruf schalten wir neue Gegenstände und, sagen wir, Optionen frei, um in der Spielwelt zurechtzukommen.

Die Planeten, die wir erkunden dürfen, sind von der Größe her vergleichbar mit dem größten aus „Star Wars: Jedi Survivor“, Koboh. Zwar kann man mit dem eigenen Schiff ohne Ladepausen jederzeit zwischen den Planeten reisen. Man muss ich das Ganze trotzdem eher wie das Erkunden sehr großer, einzelner Level vorstellen.

Was hat uns gefallen?

Mit unserem in Gauner-Manier, nun ja, ergaunerten Raumschiff "Trailblazer" können wir zwischen verschiedenen Planeten reisen und uns in Dogfights messen. - © Ubisoft/Massive
Mit unserem in Gauner-Manier, nun ja, ergaunerten Raumschiff "Trailblazer" können wir zwischen verschiedenen Planeten reisen und uns in Dogfights messen. (© Ubisoft/Massive)

Gefallen hat uns, dass sich „Outlaws“ erstaunlich wenig wie eine Ubisoft-Open-World anfühlt. Die fast schon zur Karikatur gewordene Riesenmap voller Quest- oder Erkundungsmarker sucht man hier vergebens. Bis zur dritten Spielstunde können wir die Map nicht mal aufrufen. „Outlaws“ will, dass wir seine Welt erkunden. Eigenständig, ohne größeres Händchenhalten. Wir sollen uns hier fremd fühlen, ein kleines Rädchen im großen „Star Wars“-Universum – wenn überhaupt.

Diesem Grundgedanken ordnet „Outlaws“ die Spielmechaniken erstaunlich konsequent unter. Über viele der spannendsten Orte und Aufgaben stolpern wir eher, als dass wir zielgerichtet danach suchen. Wer in den offenen Arealen die Augen offenhält, entdeckt nicht nur Höhlen samt Syndikatsverstecken, sondern manchmal gleich ganze abgestürzte Raumfrachter.

Statt sofort die hier zu erledigende Aufgabe einzublenden, lässt uns das Spiel erst mal selbst knobeln, was es hier zu finden gibt. Von der simplen Schatzsuche bis zur planetenumspannenden Quest-Reihe kann alles drinstecken, wenn wir mal wieder irgendetwas Neues finden.

Genauso lohnt es sich, in Gesprächen vernünftig hinzuhören. Manche der wunderbar starwarsigen Gestalten sagt uns nämlich, wo wir sie künftig finden werden. Eine Quest wird dazu aber nicht immer vermerkt. Verschlägt uns unsere Reise irgendwann später an den besagten Ort, geht die Quest-Reihe trotzdem weiter. Und das Gefühl, dieses „Geheimnis“ selbst entdeckt zu haben, schlägt jeden abgehakten Location-Marker auf der Map eines „Assassin’s Creed“ um mindestens einen Kossalflug.

Wer viel erkundet, wird mit versteckten Orten wie diesem Raumschiff-Wrack belohnt – und mit allem, was wir darin finden. - © Ubisoft/Massive
Wer viel erkundet, wird mit versteckten Orten wie diesem Raumschiff-Wrack belohnt – und mit allem, was wir darin finden. (© Ubisoft/Massive)

Sogar das Talentsystem funktioniert innerhalb dieser „Find your own adventure“-Logik. Neue Skills lernen wir von sogenannten Experten, indem wir kleinere Aufgaben erledigen. Aber die Experten müssen wir zunächst ganz allein finden, durch das Belauschen eines Gesprächs, ein liegengelassenes Datenpad oder am Ende eines Rettungsauftrags. Das fühlt sich unendlich viel belohnender an, als wenn das Spiel zu Beginn einfach drei Hauptaufträge ins Logbuch gekippt hätte, die uns den Weg weisen.

Das Beste: So haben wir auch nach etlichen Stunden immer noch das Gefühl, dass das nächste Abenteuer oder die nächste mächtige Fähigkeit nur einen aufmerksamen Blick entfernt ist.

Ubisoft legt seine berüchtigte „Formel“ also noch nicht vollständig ad acta, sondern reduziert sie um alles, was sich spätestens nach 10 Stunden nach Arbeit anfühlt. Und das muss man bei so viel resultierendem Spielspaß einfach mal neidlos anerkennen.

Was hat uns nicht gefallen?

Für die Feuergefechte braucht Kay eine gute Strategie – besonders wenn unsere Gegner beschildet sind. - © Ubisoft/Massive
Für die Feuergefechte braucht Kay eine gute Strategie – besonders wenn unsere Gegner beschildet sind. (© Ubisoft/Massive)

Bis man in „Outlaws“ realisiert, was wir hier für ein Spiel vor uns haben und wie es gespielt werden will, vergeht blöderweise erst mal eine ganze Weile. Die verpflichtenden Schleicheinsätze zu Beginn sind womöglich eh nichts für alle. In jedem Fall fühlt man sich aber noch viel zu sehr wie die Anfänger-Schurkin, die Kay zu diesem Zeitpunkt nun mal ist.

Mit Nix können wir beispielsweise anfangs nur eine Wache ablenken. Dutzende Stunden später können wir, wenn wir denn den richtigen Experten finden, unserem Kumpel beibringen, dass eine ganze Gruppe harter Syndikatshunde seinem Charme erliegt. Plötzlich sind auch völlig gegnerüberlaufene Areale machbare Herausforderungen. Das ist im Grunde konsequent und fühlt sich im Erfolgsfall unheimlich belohnend an.

Findet man aus irgendwelchen Gründen keinen Zugang zu solchen Game-Changer-Fähigkeiten, kann „Outlaws“ sich bis zuletzt anfühlen, als wäre man ein Ewok, der von einem Rancor-Nest ins nächste fällt.

Dass Kays Abenteuer außerdem das eines Niemands ist, ohne Einfluss auf den großen Sternenkrieg, ist innerhalb der Logik des Spiels zwar nachvollziehbar. Die Rebellen, auf die wir früh im Spiel treffen, sind für Kay auch nur eine von vielen Gangs, deren Machtspiele ihr Leben ständig durcheinanderbringen.

Das Imperium ist zwar omnipräsent, aber auch nichts, was man mal eben im Alleingang auseinandernimmt. Die Spielwelt ist besonders in den Städten zwar vollgepackt mit „Star Wars“-Elementen, aber die Planeten selbst könnten so auch in einem „Mass Effect“ vorkommen. In manchen Abschnitten könnte das Spiel dann auch einfach „Open World: The Game“ heißen.

Die Schießereien haben uns übrigens persönlich nur genervt, sodass wir wohl oder übel alles durchschleichen mussten. Aber egal ob durch Blastertod oder den Sturz von einer Klippe: Wer innerhalb einer Mission ins Gras beißt, darf nicht selten von vorne anfangen. Das geht 2024 einfach besser.

Dieses Motiv zieht sich durchs ganze Spiel. Es gibt Teile, die für sich oder auch im Zusammenspiel super sind. Und es gibt Teile, die sind einfach ärgerlich und reißen uns aus dem ansonsten meist stimmigen Flow.

Unser Fazit zu „Star Wars: Outlaws“

Wir können es nicht anders sagen: „Star Wars: Outlaws“ hat uns schwer überrascht. Anstatt die Ubisoft-Formel auf das Universum von George Lucas zu klatschen, wagt Entwickler Massive in kreativer Hinsicht den Bruch mit dem Mainstream-Angebot der vergangenen Jahre.

In der Führungsetage börsennotierter Spiele-Publisher herrschte ja offenbar lange die Ansicht vor, man müsse Spieler in Open Worlds nur lange genug so unkompliziert wie möglich das Gefühl von Fortschritt vermitteln, um sie über Hunderte Stunden (und kostenpflichtige DLC) an sich zu binden.

„Outlaws“ lässt uns die vielen Geheimnisse seiner Welt deutlich selbstständiger erforschen – auch auf die Gefahr hin, dass uns etwas entgeht. Aber wenn sich eine Notiz in irgendeinem völlig übersehbaren Wohnhaus zu einem mehrstündigen Abenteuer auswächst, wir unterwegs einen neuen Experten für unsere Fähigkeiten finden und obendrein noch eine von drei Zugangskarten für einen irgendwo (ohne Questmarker!) versteckten Schatzraum der Pykes finden, dann kommt echtes Open-World-Fieber auf.

Dass „Outlaws“ ein Entwicklerstudio und einen Publisher hinter sich hat, der zu diesem dringend nötigen, aber eben auch hervorragend umgesetzten Schritt bereit war, ist ein Glück für alle, bei denen eine „Star Wars“-Open-World schon immer ganz oben auf dem Wunschzettel stand.

„Star Wars: Outlaws“ ist erschienen für Playstation 5, Xbox Series und PC, freigegeben ab 16 Jahren und kostet rund 80 Euro.

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