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Leichtathletik

Linda Stahl beim LZ-Besuch: "In jedem Fall höre ich auf."

Detmold. Die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro (5. bis 21. August) sollen der krönende Abschluss einer großen Karriere werden. Die Blomberger Speerwerferin und Ausnahmeathletin Linda Stahl (30) beendet in diesem Jahr ihre sportliche Laufbahn. Vor ihrem Flug nach Rio kam sie zu ihrem LZ-Besuch "sehr gerne" mit ihrem A 3 (Aufschrift: "Linda Stahl, Team Rio 2016") aus Leverkusen nach Detmold.

Doch Stahl, die sich gewohnt locker und sympathisch gab, muss sich noch gegen die interne Konkurrenz in Deutschland behaupten. Mit Katharina Molitor (Weltmeisterin 2015), Christina Obergföll (Weltmeisterin 2013) und Christin Hussong (U23-Europameisterin 2015) kämpft die Lipperin um drei Olympia-Plätze. Auf LZ-Wunsch brachte Stahl ihren kleinen Koffer im Großbritannien-Design ins Medien Centrum Giesdorf mit. Darin bewahrt sie ihre Medaillen (unter anderem Gold bei der EM 2010, Bronze Olympia 2012) und andere Erinnerungsstücke auf. Stahl sprach bei zwei Gläsern Cola ("Ich kaufe sie selber nicht ein, trinke sie aber immer gerne, wenn sie mir jemand anbietet.") über...

Information
Persönlich

Linda Stahl erblickte am 2. Oktober 1985 in Steinheim das Licht der Welt und wuchs in Blomberg auf. 2003 wechselte sie von ihrem Heimatverein LG Lippe-Süd zu Bayer Leverkusen. In Münster und dann in Köln studierte die Speerwerferin Humanmedizin, 2014 bestand sie das letzte Staatsexamen und erhielt ihre Approbation als Ärztin. Ihre größten Erfolge sind der Triumph bei den Europameisterschaften 2010 in Barcelona (66,81 Meter) und Bronze bei Olympia in London gewesen (64,91 Meter). Zudem gewann Stahl 2007 in Debrecen Gold bei den U23-Europameisterschaften (62,17 Meter). 2010 bekam sie den "Felix" als Sportlerin des Jahres des Landes Nordrhein-Westfalen, 2012 das Silberne Lorbeerblatt von Bundespräsident Gauck. Seit 2013 engagiert sich die Ausnahmeathletin als Vizepräsidentin des Kreissportbundes Lippe, obwohl sie in Leverkusen lebt. Hier arbeitet sie als Ärztin in der Klinik für Urologie.

... den Zika-Virus: Von dieser Thematik habe ich nicht mehr Ahnung als andere, ich arbeite in der Urologie. Ich vertraue den Verantwortlichen und konzen-triere mich auf das Speerwerfen. Die Sportlerin und die Ärztin trenne ich. Als bei den jüngsten Wettkämpfen ein Arzt ausgerufen wurde, bin ich nicht aufgestanden, habe mich aber versichert, dass jemand zum Helfen da war. Das ist mein gutes Recht, finde ich.

... die Vorbereitung auf Rio: Ich liege im Plan, war im Trainingslager in Belek, Südafrika, Portugal und Kienbaum. Kleinere Verletzungen gab es immer wieder, aber das kenne ich ja. Es läuft wie immer, ich gebe 100 Prozent.

... ihren Trainer Helge Zöllkau: Unter ihm trainiere ich schon sehr, sehr lange. Es gibt keinen, der besser ist. Deshalb gab es nie einen Gedanken, den Coach zu wechseln. Wir sind eingespielt, das hat natürlich Vor- und Nachteile.

... die Rivalen Molitor, Hussong und Obergföll: Katharina Molitor sehe ich seit zwölf Jahren jeden Tag beim Training. Wir sind in jeder Hinsicht verschieden - Charakter, Trainingsplan, Wurf-Stil. Trotzdem ist es kein Problem, wenn wir uns mal ein Zimmer teilen. Mit Christin Hussong würden Katharina und ich nicht zusammen ins Trainingslager fahren, wenn wir sie nicht ausstehen könnten. Beim Abendessen sitzen wir am selben Tisch. Christina Obergföll ist viel mit ihrem Mann Boris Obergföll, Bundestrainer der Männer, und dessen Kader unterwegs.

... die Olympia-Quali-Chancen: Wir sind alle auf einer Linie und meisterten die Norm von 62 Metern bereits. Obergföll hatte mit knapp 65 Metern einen Ausreißer nach oben. Alles läuft auf die Deutschen Meisterschaften am 18. und 19. Juni in Kassel hinaus. Wenn niemand über 68, 69 oder 70 Meter wirft, fahren die ersten Drei der DM zur Europameisterschaft nach Amsterdam (6. bis 10. Juli), denke ich. Sie haben dann auch die besten Chancen für Olympia. Das Prozedere ist: Bundestrainerin Maria Ritschel schlägt vor, der Bundesausschuss für Leistungssport nominiert am 13. Juli. Klar ist auch: Wer es nach Rio schafft, ist eine Medaillenkandidatin.

... ihren Abschied: Das Karriereende steht fest. Auch wenn ich Rio verpasse. 2014 habe ich mit meinem Chef im Klinikum die Vereinbarung getroffen, dass in zwei Jahren Schluss ist. Ich bin für die Trainingslager freigestellt worden, die Sporthilfe übernahm das Gehalt. Für mich war das also kein Problem, aber meine Kollegen mussten für mich einspringen. Damit ist bald Schluss. Außer bei einer Weltmeisterschaft habe ich überall mindestens eine Medaille gewonnen.

... Physiotherapie und Schmerzen: Ich lasse mich momentan jeden Tag eine Stunde behandeln. Von Oktober bis Januar schmerzt der Nacken, im Trainingslager der Ellenbogen und ab März eigentlich alles. Ich nutze Physiotherapie schon immer etwas intensiver als vielleicht andere, aber brauche das auch.

... einen sportlichen Grundsatz: Ich betrete jedes große Stadion nur einmal. Als wir 2015 zu einer Reise in Rio waren, wollte ich das Stadion lieber noch nicht live erleben. Erst zu Olympia will ich rein. Deshalb reizen mich die WM in London 2017 und die EM in Berlin 2018 auch nicht mehr. Da war ich bereits 2012 beziehungsweise 2009, und das waren tolle Erlebnisse.

... ihren Karrierehöhepunkt: Ganz klar: London 2012. Das Leben im Olympischen Dorf ist toll, der Zusammenhalt unter den Athleten groß. Du siehst andere Leute und Sportarten. Jeden Tag waren bei den Leichtathletik-Veranstaltungen schon morgens um 10 Uhr 80.000 Leute im Stadion. Ein Highlight war auch die Siegerehrung. Deshalb steht diese Bronze-Medaille auch vor Gold in Barcelona bei der EM 2010. Außerdem ist es viel einfacher, mal einen rauszuhauen, wenn du kein Medaillenanwärter bist. Seit 2010 erwartet jeder in jedem Wettkampf 65 Meter von mir. Die jugendliche Leichtigkeit ist weg.

... Tiefpunkte: Dass ich Olympia 2008 verpasst habe, war in dem Moment schwierig. Zwei Zentimeter fehlten zu den geforderten 60,50 Metern. Nach Ablauf der Quali-Frist warf ich dann 66,06 Meter. Doch aus der Saison zog ich viel Motivation, genauso wie aus 2011, als mir eine Rückenverletzung einen Strich durch die Rechnung machte. Im Nachhinein war alles gut, denn die jeweilige Siegerinnen warfen über 70 Meter.

... das Engagement beim Kreissportbund: Es ist kein Vorgriff auf meine Zeit nach dem Leistungssport. Wilfried Starke, den ich für den fähigsten Mann überhaupt für das Amt des Präsidenten halte, wollte mich 2013 in seinem Team haben. Ich bin sehr heimatverbunden, kenne mich im Bereich duale Ausbildung gut aus und bewege mich in der Sportszene. Zudem verjünge ich das Präsidium etwas und halte die Frauenquote hoch. Ich probiere, so oft es geht, an den Sitzungen teilzunehmen.

... das KSB-Präsidentenamt: Ich strebe es nicht an. Zum Leistungssport kann ich viel sagen, aber das operative Geschäft kenne ich zu wenig. Abgesehen davon hätte ich gar nicht die Zeit.

... den Sport in Lippe: Das Paradebeispiel für mich sind die Stabhochspringer der LG Lippe-Süd mit Trainer Olaf Hilker, die auch international wahr genommen werden. Du brauchst Verrückte wie Olaf, dessen Weg nicht gradlinig war. Früher trainierte ich mit ihm Speerwerfen, dann machte er die Stabhochsprunggruppe auf. Es gibt keinen Masterplan. Trainer und Athleten entscheiden in Absprache zusammen. Solche Modelle funktionieren.

... die Pläne für die Zukunft: Ich glaube gar nicht, dass ich so viel Zeit gewinne. Die Flexibilität, die ich bisher genieße, habe ich künftig nicht mehr. Ich höre immer wieder von ausgebrannten Assistenz-Ärzten. Den September habe ich noch unbezahlten Urlaub, danach konzentriere ich mich voll auf meinen Job. Die Facharztausbildung zur Urologin dauert insgesamt fünf Jahre, wenn du Vollzeit arbeitest. Durch den Sport habe ich in den vergangenen 24 Monaten bei meiner Teilzeitstelle ungefähr ein Jahr geschafft.

... eine Rückkehr nach Lippe: Sie ist im Moment kein Thema, ich habe immerhin einen Facharztvertrag in Leverkusen. Außerdem freue ich mich auf meine netten Kollegen im Klinikum Leverkusen. Vorstellbar ist das natürlich in einigen Jahren. Meine Familie lebt hier, und mein Herz schlägt für meine Heimat.

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