„Jörg Zereike ist einer der besten Geschäftsführer der Liga“

Lemgo. Eine Überraschung zum Wochenstart. Handball-Bundesligist TBV Lemgo Lippe hat am Montagabend die Vertragsverlängerung mit seinen beiden Geschäftsführern verkündet. Ulrich Kaltenborn wird bis zum 30. September 2022, dem Eintritt in den Ruhestand, die Bereiche Marketing/Sponsoring/Öffentlichkeitsarbeit verantworten und dem Verein anschließend weiter beratend zur Seite stehen. Der neue Vertrag von Jörg Zereike, Geschäftsführer Finanzen/Sport, läuft sogar bis zum 30. Juni 2025. Über die Hintergründe berichtet TBV-Beiratsvorsitzenden Herbert Vogel im nachstehenden Interview.

Das ist bemerkenswert, was in Corona-Zeiten beim TBV möglich ist...

Herbert Vogel: Ich bin ein Freund davon, bei auslaufenden Verträgen schon ein Jahr zuvor Gespräche zu führen. Die beiden Geschäftsführerverträge liefen noch bis 2021. Parallel dazu kam im Sommer dann der Gehaltsverzicht.

Das ist bislang nicht öffentlich geworden. Wer hat sich daran beteiligt?

Vogel: Wir haben eine Vereinbarung mit allen Spielern bis zum 30. Juni 2021 getroffen. Gleiches gilt für Trainer und Geschäftsführung. Alle sind im Verzicht. Ich glaube, dass Geschäftsführung, Trainer und Mannschaft eine solide Einheit sind und die Spieler verstanden haben, weshalb wir das machen mussten.

Nämlich?

Vogel: Nur unter den Voraussetzungen von Gehaltsverzicht und Coronastaatshilfen werden wir die Saison überstehen. Außer Kurzarbeitergeld haben wir noch keine Unterstützung erhalten. Die Coronahilfe wird zum 31. Oktober beantragt.

Warum nun also die vorzeitigen Verlängerungen?

Vogel: Wir befinden uns allesamt in einer der größten Krisen, auch in der Sportwelt. Wenn wir den Menschen etwas nehmen, müssen wir auch fair sein und ihnen eine Perspektive geben. Das haben wir mit den beiden Geschäftsführerverträgen getan. Ich denke, dass uns die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie bestimmt zwei Jahre stark beschäftigen werden. In solch einer Zeit benötigt jedes Unternehmen einen guten Controler, der mit Geld umgehen kann. Ich glaube, dass Jörg Zereike kaufmännisch einer der besten Geschäftsführer in der Liga ist. Er hat während seiner Bundesligazeit BWL an der Uni studiert. Das schaffen nicht so viele. Während der Zeit bei Itelligence habe ich selber erlebt, wie er sich im weltweiten Controlling bewegt hat. Unser Verein lebt davon, dass wir gute Spielerverträge abschließen.

Wie ist das zu interpretieren?

Vogel: Gut heißt, dass die Verträge nicht zu kurz oder zu lang sind. Dafür muss man ein gewisses Verhandlungsgeschick haben. Jörg Zereike ist zudem gut vernetzt und hat sich in den vergangenen Jahren eine Menge erarbeitet. Unter diesen Voraussetzungen wollten wir fair sein und mit dem langfristigen Angebot ein Zeichen setzen. Wir haben auf dieser Position weiter Kontinuität und können sehen, ob wir ab 2022 eventuell mit einem Geschäftsführer agieren.

Im Bereich Marketing, Vertrieb, Sponsoring hat der TBV ja bereits im Frühjahr erste Weichen gestellt. Wie ist neue Ausrichtung angelaufen?

Vogel: Wir haben mit Steffen Tegeler, Jannis Becker und Christoph Theuerkauf ein junges, dynamisches Team, das von Ulrich Kaltenborn noch zwei Jahre intensiv begleitet wird und von seinen Erfahrungen und Kenntnissen profitieren kann. Für Uli ist der TBV eine Herzensangelegenheit. Er war ja schon lange ehrenamtlich im Beirat tätig und ist engmaschig im Raum Lippe und mit unseren Sponsoren vernetzt. Ich denke, dass man in einer großen Krise unbedingt in Vertrieb und Marketing investieren sollte. Das zeichnet auch erfolgreiche Unternehmen aus.

Gibt es bereits erste Erfolge?

Vogel: Wir müssen die Entwicklung abwarten. Im Vertrieb ist ja nicht unbedingt Kurzfristigkeit angesagt. Da muss man Geduld haben. Noch schwerer ist es, in Corona-Zeiten Sponsoren zu finden. Daher können wir nur bitten, weiterhin den TBV Lemgo Lippe zu unterstützen. Wer weiß schon, wie lange wir ohne Zuschauer auskommen müssen. Unsere einzige Chance, die nächsten zwölf Monate zu überstehen, ist die Rückendeckung unserer Sponsoren und Unterstützer.

Gleichwohl müssen sie in dieser schwierigen Situation weitere wichtige perspektivische Entscheidungen treffen. Mit Isaias Guardiola, Andreas Cederholm und Bobby Schagen wurde bereits verlängert.

Vogel: Wir haben uns das genau überlegt. Auf Halbrechts wollten wir Kontinuität. Isas Vertrag haben wir parallel zum Vertrag seines Bruders verlängert. Von Andreas Cederholm sind wir alle positiv überrascht worden, wie gut er sich bei uns eingefügt hat.

Bjarki Mar Elisson ist durch seinen Torjäger-Titel sicher teurer geworden?

Vogel: Das genau ist unser Problem. Wir würden uns wünschen, dass wir ihn halten können. Im wesentlichen ist das ein finanzieller Aspekt. Bjarki ist ein Topspieler, der dem TBV sehr gut getan hat. Wir würden ihn gerne weiter bei uns sehen.

Auch Jonathan Carlsbogård soll bei &bdquo;großen" Klubs auf dem Zettel stehen.

Vogel: Bei ihm gilt ähnliches wie bei Bjarki: Wir wollen bis Weihnachten weitere Weichenstellungen treffen. Aber wir beschäftigen uns nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich mit 2021/2022. Da müssen wir weiterhin auf jeden Cent aufpassen.

Gab es in den vergangenen, schwierigen Monaten auch einen Lichtblick?

Vogel: Ja, und zwar nicht nur in den zurückliegenden Monaten. Der Kreis Lippe hat in den vergangenen zwei Jahren durch diverse Renovierungen intensiv an der Infrastruktur der Phoenix-Contact-Arena gearbeitet. Stichwort: Beleuchtungsanlage, Lautsprecheranlage, Flatscreens. Die Phoenix-Contact-Arena ist technisch auf einem wirklich guten Stand in Relation zu vielen anderen Hallen in Deutschland. Umso bedauerlicher ist es, dass wir gerade ohne Zuschauer spielen müssen.

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