Darum zog die neue HSG-Athletiktrainerin einst als Spielerin die Reißleine

Blomberg . In ihrem Leben ist Jessica Bregazzi viel in der Welt herumgekommen. Fast immer spielte der Handball eine wichtige Rolle. Seit wenigen Wochen unterstützt die 26-Jährige den Coach des Frauenhandball-Bundesligisten HSG Blomberg-Lippe, Steffen Birkner, als Athletiktrainerin.

Von Konstanz nach Lübbecke, dazu die Aufgabe in Blomberg: Da sind in den vergangenen Wochen einige Kilometer zusammengekommen?

Jessica Bregazzi: Ja, ein paar waren es schon. Es hat aber alles gut funktioniert.

Bei der HSG Konstanz haben Sie zuletzt auch den Männer-Drittligisten trainiert, wie waren Ihre Erfahrungen?

Als Frau eine Männer-Mannschaft zu trainieren und dann noch in der 3. Liga, ist schon super selten. Ich hoffe, dass es in Zukunft mehr Trainerinnen in diesen Männer-Ligen geben wird. Für mich war es eine herausfordernde Aufgabe. Ich hatte mit meinem Team nie Probleme, da gab es nie einen respektlosen Spruch, der kam schon mal aus anderen Mannschaften.

"Vorher ausgestiegen" Nun haben Sie sich selbstständig gemacht, arbeiten auf Honorarbasis bei der HSG und beim WHV (Jugend) und beginnen voraussichtlich ab September die Ausbildung zur DOSB-Athletiktrainerin: Athletik nimmt im Handball einen immer höheren Stellenwert ein.

Ja, aber es fehlt häufig, dass Fachkräfte dafür eingesetzt werden. Aus meiner Sicht gehört ein Athletiktrainer oder eine Athletiktrainerin heute fest zum Trainerstab dazu. Sie entlasten durch Verletzungsprävention auch die Physiotherapeuten.

Sie wissen genau, was Leistungssportlerinnen und -sportler benötigen. Sie waren ja nicht nur Trainerin, sondern haben selbst gespielt. Und sind als Kreisläuferin mit Bayer Leverkusen 2013 Deutscher A-Jugend-Meister geworden...

... ich bezeichne mich selbst nicht als Deutsche Meisterin, eher als Westdeutsche Meisterin. Ich bin vorher ausgestiegen, weil ich mit dem Druck nicht klargekommen bin.

"Ein Kreislauf" Druck im Leistungssport wird häufig unterschätzt?

Immer noch.

Wie macht er sich bemerkbar?

Rückblickend auf meine Situation damals, habe ich keine Leistung mehr gezeigt. Der Druck kam über den Leistungsdruck innerhalb der Mannschaft, wenn du Nationalspielerinnen um dich herum hast. Die Trainerin übte verständlicherweise Druck aus, weil sie was erreichen wollte. Du kommst in einen Kreislauf, in dem ich mich selbst unter Druck gesetzt habe. Das Selbstvertrauen geht runter.

"Gläserne Athleten" Und es ist schwierig, aus diesem Loch herauszukommen?

In meinem Fall habe ich die Reißleine gezogen – und auch das Sport-Internat.

Diese Erfahrungen können Sie jetzt weitergeben, erst kürzlich haben sie am Center of Mental Excellence/asp ihren Abschluss zur sportpsychologischen Expertin abgelegt?

Absolut. Darum habe ich in meinem Studium den Schwerpunkt auf Kraft, Sportpsychologie und Handball gelegt.

Zumal der Druck nicht weniger wird, wenn man allein den Profisport betrachtet?

Man spricht gerne auch über den gläsernen Athleten. Man testet ihn komplett durch, damit für alles eine Grundlage gegeben ist, wo er sich verbessern kann. Es kommen Dinge dazu, wie Familie, finanzielle Sachen, soziale Medien.

"Eine Doppelrolle" In Blomberg sind Sie als Athletiktrainerin dabei, nicht als sportpsychologische Expertin?

Irgendwie nehme ich aber eine Doppelrolle ein. Die Option, mit der Mannschaft einen Workshop durchzuführen oder mit einzelnen Athletinnen zu arbeiten, steht auf jeden Fall im Raum, ist aber noch nicht fest angesetzt.

Wichtig in diesen Zusammenhängen ist die Motivation. Wie motivieren Sie die Spielerinnen?

Es ist weniger meine Aufgabe, sie zu motivieren, als den Spielerinnen Mittel an die Hand zu geben, sich selbst zu motivieren.

"Mache wieder gerne Sport" Bei Ihren Aufgaben: Bleibt Ihnen da noch Zeit für Sport?

Ich habe eine Weile gebraucht, um den Spaß am Sport wiederzufinden. Ich war als Spielerin nicht für den Leistungssport gemacht. Wenn ich jemanden gehabt hätte, der mir geholfen hätte – wie ich es jetzt mache – , mit dem Druck umgehen zu können, hätte ich vermutlich länger durchgehalten. Jetzt mache ich wieder sehr gerne Sport.

Zurück zur Athletik. Viele Hobbysportlerinnen und -sportler tun sich nach der langen Corona-Pause schwer, dass sie wieder einsteigen. Haben Sie einen Tipp auf Lager?

Man sollte sich nicht übernehmen und entspannt anfangen. Also weniger Gewichte, leichtere Läufe. Wichtiger sind Mobilisations- und Aktivierungsübungen. Übungen, die ich zu Hause oder im Büro machen kann, wie leichte Kniebeugen. Wie aufstehen, wieder hinsetzen, aufstehen, wieder hinsetzen.

Irische Nationalspielerin

Eine persönliche Frage: Ihr Nachname hört sich italienisch an.

Ja. Mein Vater David ist Ire und dessen Vorfahren kommen aus Como, von da ging es nach Dublin und dann nach Pforzheim. Dort beim Turnerbund war mein Papa unter anderem Drittliga-Trainer und ist jetzt noch im Vorstand. Meine Mutter Susanne hat 23 Jahre Handball gespielt, mein Bruder Chris war Drittligaspieler in Pforzheim. Meine Schwestern Nicola und Yvonne haben ebenfalls lange Handball gespielt.

In Irland waren Sie Nationalspielerin?

Mein Papa war Manager und Carsten Klavehn Nationaltrainer der Herrennationalmannschaft. Ich habe unter Tom OBrannigan gespielt, jetzt auch bekannt als Champions-League-Kommentator. Aber der Handball in Irland hat es gegen traditionelle Sportarten schwer.

"Ehrgeizig und stur" Wie lautet Ihr Lebensmotto?

Einfach machen. Ich bin ehrgeizig und stur, habe vieles durchgezogen, ohne darüber nachzudenken. Aber ich habe nichts bereut.

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