„Ich liebe Ziele“: Mentaltrainerin unterstützt lippische Handballvereine

Kreis Lippe . Silvester, Neujahr, Vorsätze: Wie sieht es aber mit Zielen im Sport aus? Die aus Asemissen stammende Merle Berg (24) ist Sport-Mentaltrainerin und stellte sich den Fragen der Sportredaktion.

Lohnt es sich, sich als Sportlerin und Sportler zum Jahreswechsel Ziele zu setzen?

Merle Berg: Da gibt es keine klare Antwort. Ich arbeite gerne mit Zielen, Ausrichtungen und Visionen. Das hilft bei der Motivation. Ich selbst brauchte das als Sportlerin auf jeden Fall. Andere wiederum setzt das unter Druck. Wenn man am Anfang der Saison eine Ausrichtung hat, ist das die Grundlage für Teambuilding, also die Frage: Was vereint uns? Das Ziel ist dabei ein Faktor.

Sie kommen aus dem Handball und helfen Vereinen, deshalb bleiben wir bei dieser Sportart. Zum neuen Jahr ist etwa eine Halbserie gespielt, wie sieht es da mit Zielen aus?

Merle Berg: Ähnlich. Der Jahreswechsel bietet sich an, ohne Panik zu analysieren: Was hat funktioniert, was nicht? Was müssen wir schaffen, unsere Ziele zu erreichen? Das hält die Spannung, die Aktivierung hoch.

Das hört sich nach einem Plädoyer für Ziele an.

Merle Berg: Ja, es kommt aber auf das System an.

System?

Merle Berg: Die Vereinsphilosophie. Das Ziel sollte einer Mannschaft nicht aufgedrängt werden, sie muss involviert sein. Das führt zur Identifikation und ist am effektivsten für das Team, den gesamten Staff. Es geht im Mannschaftssport nicht um Einzelne, sondern das Teamziel steht im Vordergrund.

Der Kreuzbandriss, eine klassische Verletzung im Handball. Viele laborieren zurzeit daran, wie sieht es da mit Zielen zum Jahreswechsel aus?

Merle Berg: Aus eigener Erfahrung, ich habe mir vor einem Jahr einen Kreuzbandriss zugezogen, weiß ich, dass Ziele wichtig sind. Aber es ist vor allem wichtig, Etappen zu haben. Die Handballerin oder der Handballer wird aus ihrem, aus seinem Sport herausgerissen, sie sollten sich nun nicht an Zeiten festbeißen. Was mich stark gemacht hat: Die Arbeit an Grundlagen, das Selbstvertrauen wird aufgebaut. Es gibt eine Identität außerhalb des Handballs, sonst tust du dich schwer in der Reha.

Der Trainer hat auch Ziele, gerade zur Halbzeit einer Saison.

Merle Berg: Da geht es um Analysen – spielerisch, taktisch. Aber auch um Selbstreflexion. Was lief gut, was nicht? Was können wir anpassen? Er sollte gnädig und differenziert sein und Ruhe bewahren. Das geht nur, wenn man Vertrauen in sich und in seine Spieler hat und vom Verein den Rückhalt bekommt. Deshalb sind die Philosophie und das Vertrauen eines Vereins wichtig, und dass alle Beteiligten persönlich an sich arbeiten und auch in einer Krise auf sich selbst vertrauen. Davor steckt viel Arbeit, aber die lohnt sich total.

Neues Jahr, neues Glück – viele denken in diesen Tagen an einen Vereinswechsel.

Merle Berg: Wenn Ziele gesetzt worden sind, hat man eine gute Grundlage, um Entscheidungen zu treffen. Ansonsten sind es die eigenen Werte, wie zum Beispiel, dass ich weiter mit meinen Freunden zusammenspielen möchte. Oder ist es mir wichtiger, eine andere Rolle und Verantwortung zu übernehmen, um dann zu wechseln. Auch bei dieser Frage gilt: Die eine richtige Antwort gibt es nicht.

Ziele sollten in jedem Fall realistisch sein, oder?

Merle Berg: Auf jeden Fall. Es gibt die sogenannten Smartkriterien: spezifisch, messbar, anerkannt und akzeptiert, realistisch und terminiert. Mit ihnen arbeite ich im Hintergrund. Wichtig ist für mich viel mehr, individuell vorzugehen, statt mich an festgeschriebene Kriterien zu halten. Ich nutze Ziele als Wegweiser. Ich liebe Ziele. Wenn ich versuche, Sportlerinnen und Sportlern, Vereinen, Trainern zu helfen, dann sind sie ein effektiver Faktor. Es gibt auch viele andere, und ich mache das, was funktioniert.

Ziele sind das eine, Träume das andere. Wie sieht es mit Träumen im Sport aus?

Merle Berg: Da funktioniert jeder anders. Aber: Ein Profisportler hatte doch immer den Traum, Profi zu werden, oder?

Wie sehen denn Ihre eigenen Ziele zum Jahreswechsel aus?

Merle Berg: Eine gute Frage. Ich möchte meine Klienten so gut wie möglich nach ihren Bedürfnissen unterstützen. Dass die Mannschaften, dich ich unterstütze, eine erfolgreiche Saison spielen. Ich selbst möchte mich im Bereich Team-Psychologie weiterentwickeln, wo kann ich vielleicht noch mehr herausholen. Ein, zwei Publikationen meiner Doktorarbeit möchte ich veröffentlichen. Und ich möchte endlich wieder Tennis spielen.

Persönlich Merle Berg, 24, hat in Bielefeld ihren Bachelor in Sportwissenschaften mit Schwerpunkt Psychologie geschrieben und ihren Master in &bdquo;angewandter Sportpsychologie“ an der Martin-Luther-Universität in Halle/Saale mit Auszeichnung (1,0) abgeschlossen. Im dritten Semester hat sie eine Ausbildung zur Sport-Mentaltrainerin absolviert. Zurzeit schreibt sie ihre Doktorarbeit. Mit 19 Jahren hat Merle Berg das Handball-Männer-Team der Ahlener SG im Abstiegskampf der 3. Liga unterstützt. Nach der ersten Sitzung gelang der ASG ein Unentschieden gegen den Drittplatzierten. &bdquo;Ich sage nicht, ich komme hier hin und es läuft alles. Aber das war seinerzeit ein Erfolgserlebnis für mich“, berichtet die ehemalige Handballerin, die sich als sportpsychologischer Coach selbstständig gemacht hat.

Bei der TSG A-H Bielefeld fing Merle Berg in der D-Jugend mit Handball an. Sie wechselte zum TuS Brake/Bielefeld, wo sie mit den Ex-Blombergerinnen Ndidi Agwunedu, Patricia Lazarevic oder Franziska Rolf zusammenspielte. Mit der A-Jugend der Ahlener SG spielte sie in der Bundesliga, weitere Stationen waren Handball Bad Salzuflen und TV Verl.

Ihre Eltern Axel und Dorothee sind dem Sport ebenfalls eng verbunden. Ihr Vater Axel war als Co-Trainer und Physiotherapeut bei der TSG A-H Bielefeld tätig und schaffte unter Trainer Wolfgang Herz, der Patenonkel von Merle Berg, seinerzeit den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Ihre Mutter ist Rock’n’Roll-Tänzerin, und beide spielen Tennis. Ihre beiden Halbschwestern sind dem Sport nicht so eng verbunden, während ihr Bruder Basketball beim BC Leopoldshöhe spielt.

Die Mentaltrainerin ist in Asemissen, wo ihre Eltern wohnen, aufgewachsen. Mittlerweile ist ihre Heimat Bielefeld. Merle Berg spricht in einer Videoreihe des Handballverbandes Westfalen über &bdquo;sportpsychologische Grundlagen“ und zeichnet zusammen mit Josefine Schneiders (Handballerin bei Mainz-Bretzenheim) für den Podcast &bdquo;Handball inside – Harz am rechten Fleck“ verantwortlich. Sie unterstützt als Sport-Mentalcoach den Handball-Bundesligisten TBV Lemgo Lippe und hat im Rahmen ihrer Masterarbeit einen Workshop bei der HSG Blomberg-Lippe gehalten. Als Expertin unterstützt sie viele Vereine, wie unter anderem den TuS Müssen-Billinghausen.

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