Ukraine-Krieg: Ex-HSG-Spielerin bringt Mutter und Freundin in Sicherheit

Blomberg . 24. Februar 2022. Beginn des Krieges in der Ukraine. Ein Tag, der alles verändert. Wie das Leben von Oliver Lippert und seiner Frau Katharina, auch bekannt unter ihrem ukrainischen Mädchennamen Kateryna Valyushek.

Tausende von Kilometern ist der Mannschaftsverantwortliche des Frauenhandball-Bundesligisten HSG Blomberg-Lippe in den vergangenen Tagen unterwegs gewesen, bis nach Warschau, bis nach Budapest. Seine einzigen Ziele: seine Schwiegermutter und die beste Freundin seiner Frau nach Deutschland in Sicherheit zu bringen.

20 Minuten Zeit

&bdquo;Das ist doch selbstverständlich", sagt der 42-Jährige, es sei die Familie. Er setzte sich ins Auto und machte sich mit seiner Frau Katharina (37, ehemalige Champions-League-Spielerin und fünfmalige ukrainische Meisterin mit HC Motor Zaporozhye) in Richtung Warschau auf, wo Schwiegermutter Olga Valyushek wartete. &bdquo;20 Minuten hatte ich Zeit, alles zusammenzupacken", blickt die 56-Jährige zurück, ihre Tochter übersetzt. Wobei &bdquo;alles" aus Papieren, ein wenig Essen und einer Decke, verstaut in einem kleinen Rucksack bestand. Ein Tag, der alles verändert.

An der Seite von drei litauischen Basketballern, die für BK Zaporozhye spielen, ging es mit dem Bulli in Richtung Westen nach Lwiw. An der polnischen Grenze war Olga Valyushek auf sich allein gestellt. Mit dem Bus fuhr sie weiter nach Warschau, wo ihre Tochter und ihr Schwiegersohn sie in Empfang nahmen. &bdquo;Ich bin einfach nur traurig, dass ein Mann, ganze Familien auseinanderreißen kann", kullern bei der Erzieherin und ehemaligen Leiterin eines Kindergartens die Tränen. Ihr Mann war 2011 gestorben, zurück ließ sie nun ihre Schwester, für die die Strapazen einer Flucht aufgrund einer halbseitigen Lähmung zu groß wären. &bdquo;Sie schläft im Flur der Wohnung, schafft es nicht mehr in den Bunker."

Wenn alles vorbei sei, würde sie gerne zurück in die Heimat nach Zaporozhye, &bdquo;um beim Wiederaufbau mitzuhelfen", sagt Olga Valyushek. &bdquo;Andererseits", wird sie immer nachdenklicher und blickt zu Tochter und Schwiegersohn herüber: &bdquo;Hier ist meine Familie, hier sind meine Enkel." Nur wenige Tage später, nachdem sie in Blomberg angekommen war, machte sich Oliver Lippert erneut auf den Weg, setzte sich in den Flieger nach Budapest, traf dort Anastasiya Ovdieienko, geborene Sokol, und deren Kinder Maria (5) und Oleksandra (4). Die beste Freundin von Katharina Lippert hatte sich mit dem Auto über die Republik Moldau und Rumänien nach Ungarn aufgemacht. &bdquo;Olli" Lippert fuhr sie nach Blomberg.

In Sicherheit bringen Ein Tag, der alles verändert. Denn eigentlich wollte die 37-Jährige, die von Katharina Lippert gern als ihre Schwester bezeichnet wird, weil &bdquo;wir das ganze Leben alles zusammen gemacht haben", in der Ukraine bleiben und überließ den freien Platz im Bulli bei den litauischen Basketballern eben Olga Valyushek. &bdquo;Ich hatte gedacht, in zwei, drei Tagen ist alles vorbei. Nachdem ich mit den Kindern einen Tag im Sitzen im Bunker verbracht habe, sagte mein Mann schließlich: Nein, bringt euch in Sicherheit."

Ein Tag, der alles verändert. Schließlich blieb ihr Mann Stanislav (37), Trainer des Basketball-Teams BK Zaporozhye, zurück. Nach einer kurzen Grundausbildung nahm er zuletzt an einer Schießübung im Feld teil. &bdquo;Früher hatte er immer einen Basketball in den Händen, nun eine Waffe", schüttelt die ehemalige Spitzenhandballerin mit dem Kopf. Sie spielte einst für Motor Zaporozhye sowie in Spanien und 2008 beim russischen Klub Zvezda Zvenigorod, der die Champions-League gewann. Bei Sprachnachrichten, die ihr Mann regelmäßig schicke, seien im Hintergrund Schüsse zu hören. Mindestens viermal am Tag telefoniert die Trainerin einer Handballschule zudem mit ihren Eltern, ebenfalls (erfolgreiche) Handballer. Wenn es Sirenenalarm gibt, werde sie informiert und rufe sofort in der Ukraine an. Ein Tag, der alles verändert.

"Ich bin dankbar" Anastasiya Ovdieienko will sofort zurück zu ihrem Mann, wenn alles vorbei ist. Jetzt geht es darum, dass &bdquo;die Kinder raus sind. Wir tun alles, dass es ihnen gut geht", betonen die Lipperts, bei denen Anastasiya und ihre Töchter zunächst untergekommen waren, ehe sie zu einer befreundeten Blomberger Familie zogen. &bdquo;Ich bin sehr dankbar, dass uns hier in Deutschland geholfen wird. Als wir hier waren, haben wir Kinderspielzeug und Kindersachen bekommen", sagt die Handballerin.

Am 4. April wird die kleine Maria sechs Jahre jung. &bdquo;Das wollen wir groß feiern", betont Katharina Lippert. Die Kinder sollen auf ganz andere Gedanken kommen. Die Kleine werde auch im Schlaf mit dem Krieg konfrontiert. &bdquo;Mama, bitte, bitte weglaufen", habe sie im Traum gesagt, berichtet Katharina Lippert. Ein schrecklicher Tag hat eben alles verändert.

Schlaflose Nächte Katharina Lippert, ihre Mutter Olga und ihre Freundin Anastasiya saßen auf der Tribüne, als der Handball-Bundesligist HSG Blomberg-Lippe am Samstag die Sport-Union Neckarsulm mit 31:27 besiegte. Nach dem Spiel kam es zum Wiedersehen mit SUN-Trainerin Tanja Logvin. In Gedanken ist die gebürtige Ukrainerin, die die österreichische Staatsbürgerschaft hat, immer bei ihren Familienangehörigen in der Ukraine. &bdquo;Einfach nur schrecklich, ich kann es nicht glauben. Das darf im 21. Jahrhundert nicht sein."

Die Ereignisse wühlen die 47-Jährige auf, sie redet sich in Rage. Sie kann es einfach nicht verstehen, was passiert, dass eine Lösung mit Waffen gesucht werde. Tagelang habe sie nicht schlafen können. &bdquo;Das erste Mal in meinem Leben habe ich meinen Puls, mein Herz gehört", sagt Tanja Logvin und spricht von Angst. &bdquo;Jeden Tag, jede Nacht, eigentlich immer sei sie in Kontakt mit der Familie." Sie verweist auf &bdquo;gute Hilfsaktionen" in Neckarsulm und darauf, dass sie Angehörige und drei Familien nach Deutschland geholt habe.

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