Gewalt im Sport und der "Fall Fuhr": Das droht Vereinen, wenn sie nicht handeln

Augustdorf. &bdquo;Wir müssen dagegen angehen.“ Das hat Gottfried Dennebier, Vorsitzender des FuL-Kreises Detmold, bei einer Informationsveranstaltung in Augustdorf klargestellt. Es geht um das Thema psychische und sexualisierte Gewalt im Sport. Dennebier wollte diese Thematik schon &bdquo;vor zwei Jahren“ in den Fokus nehmen.

Wegen der Corona-Pandemie klappte das nicht. Mit dem &bdquo;Fall Fuhr“ ist psychische Gewalt derzeit in Lippe in aller Munde. Der inzwischen 51-jährige Ex-Bundesliga-Trainer der HSG Blomberg-Lippe (2002 bis 2018) soll – wie mehrfach berichtet – vor allem junge Handball-Spielerinnen unterdrückt und psychisch fertig gemacht haben.

&bdquo;Betroffene machen sich selber Vorwürfe" Christin Görtler, Fachkraft für Prävention sexualisierter Gewalt im Sport beim KSB Lippe, hielt einen knapp einstündigen Vortrag unter der Überschrift &bdquo;Prävention (sexualisierter) Gewalt im Sport“ und erläuterte Hintergründe. Viele fragen sich, warum betroffene HSG-Spielerinnen nicht einfach den Verein wechselten. Einige taten es, ja, andere verlängerten sogar ihre Verträge: &bdquo;Betroffene machen sich selber Vorwürfe, befinden sich in einer Abhängigkeit und meinen: Ach, so schlimm sei es doch nicht.“

Henning Stiegmann (60), Vorsitzender des VfL Hiddesen, lobte die Veranstaltung und Görtler: &bdquo;Sie hat es sehr gut gemacht. Bei uns ist das Thema Gewalt noch nicht an mich herangetragen worden, ich lehne sie – egal, ob verbal oder psychisch – ab und würde auch reagieren.“ Grundsätzlich glaube er, &bdquo;dass es im Profibereich noch eher passieren kann – ein Bauchgefühl“. Denn: &bdquo;Die Abhängigkeit ist größer, dort spielen auch finanzielle Aspekte eine entscheidende Rolle.“ Über den &bdquo;Fall Fuhr“ könne er sich kein Urteil erlauben.

Vom TSV Leopoldstal waren Vorsitzende Jennifer Martens (42) und Jugendwartin Jacqueline Dreier (34) vor Ort. Der Verein hat rund 600 Mitglieder, davon zirka 150 bis 200 Jugendliche. Martens: &bdquo;Wir fangen gerade an, Konzepte zum Thema Prävention zu erstellen, sind da mit Christin Görtler auch schon in Kontakt getreten. Viele denken, es komme bei ihnen nicht vor, aber es kann jeden treffen. Wir wollen alles getan haben, uns keine Vorwürfe machen müssen – rechtlich und moralisch.“

&bdquo;Dadurch senden wir ein Signal nach außen" Jacqueline Dreier fungiert im Verein als offizielle Ansprechpartnerin. &bdquo;Dadurch senden wir ein Signal nach außen: Unsere Augen sind geöffnet“, sagt sie. Mit dem ,Fall Fuhr habe ihr Besuch nichts zu tun, so Martens.

Das sieht bei Mark Hensch (52) vom BSV Müssen anders aus. Der Physiotherapeut der Lippe-Reha Horn-Bad Meinberg: &bdquo;Ich bin hier, weil mich das Thema interessiert, habe mit Andre Fuhr damals in Blomberg in seinen ersten Jahren hier in Lippe zusammengearbeitet – lange her. Harald Wallbaum (der damalige Manager, die Red.) wäre mit der Diskussion heute anders umgegangen. Aber Dinge wandeln und verändern sich, und das ist gut so. Als ich von den Vorwürfen gegen Andre höre, war ich schockiert.“ Klar ist für ihn: &bdquo;Umso höher die Abhängigkeit, umso größer die Gefahr.“

Carsten Kuczer (47) und Olaf Carmincke (51) engagieren sich beim SuS Pivitsheide. &bdquo;Ich bin Jugendobmann, wir wollen uns weiterentwickeln“, sagt Kuczer. Carmincke, Mitglied des Vorstandes: &bdquo;Wir tragen eine hohe Verantwortung – vor allem für Kinder und Jugendliche. Alle Positionen wollen wir nach bestem Wissen und Gewissen besetzen, eventuell müssen wir unsere Strukturen verändern oder anpassen.“

&bdquo;Durch die Vorfälle bei der HSG Blomberg-Lippe ist das Thema brisant in Lippe.“ Christin Görtler warb für das Siegel des LSB unter der Überschrift &bdquo;Schweigen schützt die Falschen – gemeinsam gegen sexualisierte Gewalt“. Sie weiß: &bdquo;Durch die Vorfälle bei der HSG Blomberg-Lippe ist das Thema brisant in Lippe.“ Den Vereinsvertretern erklärte Görtler: &bdquo;Mitglied in einem Sportverein kann jeder werden und sich dann als Trainerin oder Trainer einschleichen. Im Fokus stehen Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene sind betroffen.“

Der Zugang sei also leicht, weitere Besonderheiten des Sports sind Macht und Hierarchien, die Leistungsorientierung, dadurch entstehe eine Abhängigkeit, sowie die Körperzentriertheit (Kontakt, Kleidung, Übernachtungen auf Freizeiten, Fahrgemeinschaften). Görtler: &bdquo;Die Dunkelziffer bei den Betroffenen ist hoch. Sie müssen sich laut Studien an sieben bis acht Personen wenden, um gehört zu werden. Vereine sollten jetzt anfangen, Schutzkonzepte zu erstellen, eine Risikoanalyse machen. Ansonsten wird ihnen bei den Fördermitteln Anfang 2024 der Geldhahn zugedreht.“ Es gehe um drei große Themen: körperliche, emotionale und sexualisierte Gewalt – &bdquo;nicht nur ausgeführte, sondern auch angedrohte“.

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