Der Darts-Hype in Lippe: "Wir sind immer on fire - auch ohne WM"

Kreis Lippe . Was eine Weltmeisterschaft und der Erfolg eines deutschen Spielers doch auslösen kann. Der Einzug von Gabriel Clemens bei der WM hat dafür gesorgt, dass Darts von einem Tag auf den anderen in aller Munde ist. Kostümierte Fans unterstützten ihn direkt im Londoner &bdquo;Ally Pally", viele weitere drückten vor dem Fernseher die Daumen, die Einschaltquoten gingen in die Höhe. Eine Sportart erlebt einen Boom. Auch in Lippe?

Beispiel Wüsten. Knapp 600 Mitglieder verzeichnet der heimische SV, und im Besprechungsraum am Sportplatz, in dem etliche Trophäen ihren Platz gefunden haben, laufen die ersten Arbeiten. Hier soll demnächst eine neue Abteilung eine Heimat finden. Darts ist eben auch im Bad Salzufler Stadtteil angesagt.

"WM als Beschleuniger" An die 30, 35 Leute sind es, die drei-, viermal im Jahr privat ein Turnier spielen, berichten der neue Vorstandsvorsitzende Berthold &bdquo;Berti" Conrads (51) und Frederic Voss (19), der als stellvertretender Fußball-Jugendobmann tätig ist und selbst in der zweiten Mannschaft kickt. Die Idee, eine eigene Darts-Sparte ins Leben zu rufen, hatte Frederic Voss bereits im September, Oktober vergangenen Jahres. &bdquo;Die WM wirkte dann als Beschleuniger", sagt Conrads, der die Fußball-A-Junioren trainiert, und er ergänzt: &bdquo;Das war eine durch und durch charmante Idee. Wir sind ein Mehrspartenverein, warum also nicht?" Schon jetzt sei das Interesse groß, viele fragen, wann es denn losgehe.

Klare Intention &bdquo;Die WM war eine Entscheidungsstütze. Darts hat eine große Nachhaltigkeit. Junge und ältere, 20- und 60-Jährige spielen zusammen", freut sich Frederic Voss. Bevor der Startschuss in Wüsten zeitnah fallen soll, muss erst einmal der Besprechungsraum renoviert und fertiggestellt werden. &bdquo;Wir funktionieren ihn komplett um", macht &bdquo;Berti" Conrads klar. Die Intention, das betonen beide Darts-Anhänger ausdrücklich, ist es, auch am offiziellen Spielbetrieb teilzunehmen.

Voss unterstreicht den Mehrwert von Darts, und dass es Sport ist. Er verweist dabei allen voran auf die mentale Komponente: &bdquo;Das ist eine Geschichte, die unterschätzt man." Und so packen sie es beim SV Wüsten an, eine neue Abteilung zu gründen. &bdquo;Das ist keine Schnapsidee", sagt Berthold Conrads zum Abschluss.

Liga zu aufwendig Beispiel Hörste : &bdquo;Es läuft sehr gut", antwortet Rob van den Beuken auf die Frage, wie sich die Darts-Abteilung im RSV Hörste , der 517 Mitglieder zählt, entwickelt hat. Und zwar so gut, dass am Freitag und am Samstag erneut ein Einladungsturnier mit rund 70 Teilnehmern (keine Ligenspieler ) im Hörster Krug ausgetragen wird. &bdquo;Wir sind keiner Liga angeschlossen und spielen intern verschiedene Events. In einer offiziellen Liga wäre es zu aufwendig", stellt der 54-jährige, gebürtige Niederländer heraus. Etwa 30 Mitglieder hat die Sparte, die meisten kommen aus verschiedenen anderen Abteilungen des Vereins. Gespielt wird im Jugendraum am Sportplatz.

"Freunde treffen" Beispiel Brüntrup : Im Bereich Breitensport ist Darts beim SV SW Brüntrup zu finden. Das Team mit dem Namen &bdquo; Steelers ", das keinem Ligaverband angehört, hat sich 2017 gegründet und spielt in der freien OWL-Liga. &bdquo;Es macht viel Spaß, Freunde zu treffen und Pfeile zu werfen. Es ist ein kameradschaftliches Verhältnis. Man kennt sich unter den Darts-Leuten", berichtet Roy Wangert . Der 40-jährige Fußballer trainiert momentan das Frauenteam des FC Donop / Voßheide in der Landesliga. Überhaupt sind auf der Spielerliste der &bdquo; Steelers " weitere Kicker zu finden.

Beispiel Klüt : Gleich vier Dartscheiben samt &bdquo; Oche ", also einer Abwurflinie, schmücken das Vereinsheim des RSV Detmold-Klüt . Darts ist hier eine große Nummer, seit die Abteilung sich im Jahr 2020 gegründet hat. Mittlerweile nehmen die Pfeilewerfer am Spielbetrieb des Nordrhein-Westfälischen Dartverbandes ( NWDV ) teil – und das erfolgreich.

"Anders als im Fußball" Nach dem Titelgewinn in der Kreisliga stehen die Lipper in der Bezirksklasse erneut auf einem Aufstiegsrelegationsplatz. &bdquo;Diese kameradschaftliche Atmosphäre zwischen den Gegnern, das geht fast ins Familiäre, ganz anders als im Fußball", sagt Ralf Stöffgen , stellvertretender 2. Vorsitzender des RSV und ein Fürsprecher dieser Abteilung. Mit sechs, sieben Aktiven hatte Steeldarts zum Start eine Heimat in Klüt gefunden. Abteilungsleiterin Cindy Arndt (46) bezeichnet es als &bdquo;Experiment", das durchaus eine Erfolgsgeschichte ist. Denn 33 Spielerinnen und Spieler sind derzeit gemeldet, von denen 29 am offiziellen Spielbetrieb teilnehmen.

Ab in die Kneipe &bdquo;Wenn, dann wollten wir es vernünftig machen und beim NWDV spielen", sagt ihr Mann und Teamkapitän Andreas Arndt (56), der erste Erfahrungen vom E-Darts und danach vom Steeldarts beim in Leopoldshöhe-Greste beheimateten 1. DC Bielefeld mitbrachte. Der Sport habe &bdquo;Double AA", so sein Spitzname, auch geholfen, als er vor rund zehn Jahren auf dem Weg zum Auto bei Glatteis ausgerutscht und sich einen dreifachen Handgelenksbruch an der linken Hand zugezogen hat. Danach sei bei ihm das Schmerzsyndrom Morbus Sudeck ( CRPS ) diagnostiziert worden, und er sei in ein Loch gefallen. Mit der Folge, dass der Hochregalstaplerfahrer seinen Job verlor. &bdquo;Meine Frau hat mich angetrieben und in die Kneipe geschickt – zum E-Dart spielen", erinnert sich der Rechtshänder.

"Darts ist Sport" Er war dem Darts wieder verfallen und legte sich weiteres Zubehör zu. &bdquo;Darts hat mir geholfen, wieder unter Menschen zu kommen", sagt Arndt rückblickend. Auch einen Beruf übt er seit 2017 im Sicherheitsdienst wieder aus. Bleibt die Frage, ob denn Darts überhaupt Sport sei. Da sind sich die Arndts rasch einig: &bdquo;Auf jeden Fall. Nach einem langen Turniertag tun einem schon die Knochen weh", betont Cindy Arndt, die sich freut, im RSV Detmold-Klüt für Darts eine sportliche Heimat gefunden zu haben.

Die Faszination für Darts hält an. &bdquo;Wir sind immer ,on fire – auch ohne WM", sagt sie. Und Ralf Stöffgen ergänzt: &bdquo;Wir haben den Hype quasi seit 2022, seitdem haben wir immer mehr Neuzugänge." So schicken die Klüter inzwischen eine zweite Mannschaft in der Kreisliga ins Rennen, für die auch Abteilungsleiterin Cindy Arndt spielt. Entsprechend fällt die Antwort nach der Zukunft von Darts kurz und knapp aus: &bdquo;Rosig."

Eine Sportart mit Potenzial Ein Kommentar von Oliver König

Man nehme eine Dartscheibe, drei Pfeile, zwei Spieler, die von kostümierten Fans gefeiert werden, und man nehme die richtige Zeit zwischen Mitte Dezember und Anfang Januar. Wenn dann noch ein Deutscher über sich hinauswächst und bei einer Weltmeisterschaft sensationell ins Halbfinale einzieht, dann ist der Winter-Cocktail gemixt. Darts ist von einem Tag auf den anderen hierzulande in aller Munde. Der Erfolg eines gewissen Gabriel Clemens aus Saarwellingen hat es bis in die Tagesschau geschafft, und der Pfeilewerfer selbst stellte sich den Fragen im Aktuellen Sportstudio.

Eine Sportart hat ihre Chance in Deutschland genutzt. Die Fußball-WM war aus schwarz-rot-goldener Sicht mit einem Debakel geendet, und auch die Vierschanzentournee der Skispringer verlief nicht nach Plan. Darts ist mehr als nur das stumpfe Werfen auf eine Scheibe. Gerade im Profibereich, wenn 3000 und mehr Fans die Spieler schon mal aus der Fassung bringen. Eine Darts-Weltmeisterschaft ist gleichzeitig ein Event, und deshalb auch vor der eigenen Haustür beliebt.

Bereits vor zwei Jahren hat die Sportredaktion in einem Kommentar getitelt: &bdquo;Es braucht mehr als nur eine WM". Eine Schlagzeile, die weiter Bestand hat. Denn: Wie nachhaltig der Clemens-Erfolg für die deutsche Darts-Szene tatsächlich sein wird, muss sich erst noch zeigen. Schon ganz andere Sportarten sind nach einem Boom bei einem großen internationalen Turnier anschließend wieder tief gefallen. Darts hat Potenzial. Das gilt es jetzt auszuschöpfen.

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