Möstl küsst die Harz-Kugel: So knackt der TBV Lemgo Lippe den Deutschen Meister

Berlin. Am Samstagabend war es noch ein Scherz. Auf der Champions Gala vor 2000 geladenen Gästen im Hotel Estrel an der Sonnenallee posierten die Füchse Berlin mit einem weißen Porzellanteller statt der geklauten Meisterschale. Am Sonntagabend, vor 8201 zahlenden Zuschauern in der Max-Schmeling-Halle, war Berlins frisch gekürter Mannschaft des Jahres nicht mehr zum Lachen zumute. Der TBV Lemgo Lippe stürmte mit 34:33 (16:14) erstmals seit 2009 wieder den Fuchsbau und hat den Deutschen Meister mit 21:7 Punkten in der Tabelle überholt.

&bdquo;Das ist ein sehr, sehr schöner Moment, weil es eine der wenigen Hallen war, in der ich als Trainer noch nicht gewonnen habe", war Florian Kehrmann nach dem fünften Auswärtssieg &bdquo;unglaublich stolz". Während die Füchse zwei Tage nach dem 38:34 in der Champions League gegen One Veszprem im Estrel über den roten Teppich schritten (allerdings ohne Gidsel und Andersson) bereitete sich die TBV-Crew im Innside Melia-Hotel gewissenhaft auf die bevorstehende Meisterprüfung vor. Am Sonntagmittag stießen dann noch Co-Trainer Matthias Struck und Torhüter Linus Borreck zum Kader. Der junge THL-Keeper musste als Vertreter des erkrankten Urh Kastelic seinen Sweater jedoch nicht ausziehen.

Wagner trifft achtfach Constantin Möstl brannte am Prenzlauer Berg vor Ehrgeiz und hatte mit zwölf Paraden gehörigen Anteil an den &bdquo;Big Points" des TBV Lemgo Lippe. Speziell in der Schlussphase, als die angeschlagenen Füchse (ohne Milosavljev, Lichtlein, Wiede, Herburger und Prantner) wild um sich bissen. Beim 31:29 parierte er zunächst den zweiten Siebenmeter von Tim Freihöfer. Und als er dem quirligen Tobias Grøndahl eineinhalb Minuten vor Schluss den 32:32-Ausgleich verwehrte, küsste der Lemgoer Hexer verzückt mehrfach den verklebten Spielball.

In der wilden Crunchtime traf Hendrik Wagner clever zum 33:31, doch Gidsel lief direkt zum 33:32 durch. Auch als Tim Suton 54 Sekunden vor dem Abpfiff eine Zeitstrafe kassierte, spielte der TBV im Angriff weiter voll auf Sieg. Die Situation entschärfte sich etwas, als sieben Sekunden später auch Berlins Max Darj nach Videobeweis auf die Strafbank musste. Als Hendrik Wagner vom Kreis mit seinem achten Treffer zum 34:32 traf, war die Überraschung perfekt. Langhoffs Anschluss kam für die Füchse zu spät.

&bdquo;Glaube versetzt Berge" Constantin Möstl zeigte sich am Dyn-Mikrofon &bdquo;stolz und glücklich". Bereits auf der Hinfahrt im Bus sei etwas zu spüren gewesen. Möstl: &bdquo;Wir haben immer dran geglaubt. Und Glaube versetzt halt Berge. Vorne spielen wir bis auf den letzten Pass und schießen ein dreckiges Tor – das macht dann auch was mit den Köpfen."

Trainer Florian Kehrmann bezeichnete das Verhalten in Drucksituationen als &bdquo;herausragend". Ebenso würdigte er auch die &bdquo;unglaubliche Leistung" der Füchse, angesichts der extrem hohen Belastung. Bemerkenswert war, dass die Berliner nur in den ersten zehn Minuten in Führung lagen. Nach dem 6:5 zog der TBV den Vorteil auf seine Seite, als Möstl den ersten Strafwurf von Freihöfer abwehrte und Hutecek ins leere Tor traf. Dann schlug die Hochphase der Top-Player mit vier Gidsel-Treffern und vier Suton-Toren. Stark präsentierten sich zudem die Lemgoer Außen. Leve Carstensen (6) und Bobby Schagen (2) verzeichneten keinen Fehlwurf.

Auch nach dem 16:14-Halbzeitstand blieb der TBV stabil. &bdquo;Wir hatten den Vorteil, dass wir etwas mehr wechseln konnten. Auch mit vier Rückraumspielern haben wir mit verschiedenen Auftakthandlungen immer wieder andere Reize gesetzt. Wichtig war, dass wir Berlin nicht richtig ins Tempo kommen ließen. Wir hatten immer die Kontrolle, mussten aber zwischen der 40. und 55. Minute im Angriff immer ein Tor machen, weil uns in der Abwehr der Zugriff fehlte. Hinten raus fällt dann das entscheidende Tor im Sieben-gegen-Sechs. Dann kommt noch eine Parade oder ein abgefangener Ball. Für uns war es ein guter Zeitpunkt. Wir konnten uns lange auf dieses Spiel vorbereiten, während Berlin direkt aus dem Veszprem-Spiel kam. Aber man muss das auch erstmal auf die Platte bringen", analysierte Kehrmann.

Füchse-Trainer Nicolej Krickau bezeichnete das Ergebnis als &bdquo;leider total verdient". Nach dem Sieg gegen Veszprém habe man das Up and Down im Showbiz gesehen. &bdquo;Das ist ein wirklich schlechtes Ergebnis für uns, aber wir müssen erst einmal auf unsere Leistung und unseren Prozess schauen. Lemgo hat unfassbar diszipliniert gespielt. Wenn sie dann noch effektiv sind, dann wird das Tempospiel herausfordernd. Unsere Anzahl unprovozierter Fehler im Angriff war zu hoch, um ein Bundesliga-Topspiel zu gewinnen", bemängelte er bei der dritten Heimniederlage die fehlende Effektivität.

Statistik Füchse Berlin: Ludwig, Joppich (n.e.); Darj, Andersson (6), Arino (n.e.), Grøndahl (4), Gidsel (8), Freihöfer (5/1), Cehte, Pichiri, Langhoff (5), West av Teigum (2), Günther (n.e.), Marsenic (3).

TBV Lemgo Lippe: Möstl, Borreck (n.e.); Hutecek (4), Theilinger, Zehnder (1/1), Mudrow, Simak, Schagen (2), Carstensen (6), Nyfjäll (1), Suton (6), Willecke (2), Versteijnen (4), Wagner (8), Faust (n.e.).

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