Peking - Helmut Digel ist seit mehr als 20 Jahren deutsches Mitglied im Council des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF. Vor Beginn der WM vom 22. bis 30. August in Peking kamen neue Doping-Vorwürfe gegen die IAAF, die in einer ARD-Dokumentation erhoben wurden, höchst ungelegen.
«Wenn kurz vor der WM unsere Sportart mit Doping in Verbindung gebracht wird, ist das ein Schatten», sagte Digel im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Wie die ARD über eine IAAF-Liste mit Blutdopingdaten von rund 5000 Athleten berichtete, findet er «empörend». Die Daten selbst seien aber «alarmierend».
Auf dem IAAF-Kongress am 19. August wird ein neuer Präsident gewählt. Kandidaten sind die früheren Weltklasseathleten Sergej Bubka und Sebastian Coe. Wer wird Nachfolger des Senegalesen Lamine Diack?
Helmut Digel: Beide haben sehr gute Chancen. Bubka hat überraschend konkrete und praxisnahe Projekte offeriert. Sie haben die Entwicklungsländer im Blick und wie man kleinere Nationen mit ihren zum Teil desolaten Leichtathletik-Strukturen an die besseren Länder heranführen kann. Coe hat auch den Entwicklungshilfebereich forciert. Das wird der Schlüssel zum Erfolg sein, weil die kleinen Länder die Mehrheit der Stimmen haben. Und die werden dem die Unterstützung geben, der bereit ist, am meisten für sie zu tun. Was ihre Führungsqualitäten angeht, hat Coe einen Vorteil. Als Organisator der Olympischen Spiele in London hat er gezeigt, mit einem professionellen Team arbeiten und sich selbst zurücknehmen zu können.
Es gibt Doping-Vorwürfe gegen die IAAF, die in einer ARD-Dokumentation erhoben wurden. Die IAAF soll dopingverdächtige Blutproben vertuscht haben. Fällt dadurch ein Schatten auf die WM?
Digel: Ja, ohne Zweifel. Wenn kurz vor der WM unsere Sportart mit Doping in Verbindung gebracht wird, ist das ein Schatten. Ich bin aber in vielerlei Hinsicht empört über die ARD, weil ich glaube, das, was in der Berichterstattung über die IAAF Blutdatenbank gemacht wurde, journalistisch nicht akzeptabel ist. Die ARD-Dokumentationen haben dennoch ihre Verdienste, weil sie mit ihrer Berichterstattung auf umfassende Doping-Probleme in Russland und Kenia aufmerksam gemacht haben.
Es gibt deshalb Untersuchungen der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA und der Ethikkommission der IAAF.
Digel: Der Auftrag erfolgte bereits vor einem Jahr. Diese Kommissionen müssten nun endlich darüber Bericht erstatten, was sie bis heute nicht getan haben. Was geschieht mit diesen Verbänden oder mit einem russischen Sportminister Mutko, der Äußerungen macht, die nicht nachzuvollziehen sind? Der so tut, als wäre alles eine deutsche Erfindung. Kenia und Russland gehören auf den Prüfstand.