München. Vor 10.298 Zuschauern im Münchner „SAP Garden" war alles angerichtet. Im Supercup-Spiel wollte Frauenhandball-Bundesligist HSG Blomberg-Lippe gegen den Thüringer HC endlich ein Finale gewinnen. In der Vorsaison hatte das Birkner-Team im Pokal- und im Meisterschaftsfinale zweimal gegen HB Ludwigsburg den Kürzeren gezogen. Und es sah richtig gut aus - aber nur bis zur 20. Minute. Am Ende setzte sich der THC mit 31:30 (10:14) durch. Die Ausgangslage: Nachdem der amtierende Deutsche Meister und Pokalsieger HB Ludwigsburg, der in den vergangenen Wochen in große finanzielle Schwierigkeiten geraten ist, vom Ligaverband HBF ausgeschlossen wurde, musste sich die HSG Blomberg-Lippe kurzfristig auf einen neuen Gegner einstellen. Der Vizemeister und Vizepokalsieger traf auf den Liga-Dritten der vergangenen Saison, Thüringer HC. Der THC hatte den Supercup zuletzt 2018 gewonnen, als er im Finale den VfL Oldenburg mit 35:23 bezwang. Auch 2016 (22:21 gegen den HC Leipzig) und 2015 (24:22 gegen den Buxtehuder SV) kam der Sieger aus Thüringen. Für die HSG hingegen war es die Premiere bei einem Supercup-Finale. Blomberg musste auf die beiden langzeitverletzten Amber Verbraeken und Marie Michalczik verzichten. Dafür stand die isländische Nationalspielerin Diana Dögg Magnusdottir im Kader, die sich am vergangenen Wochenende beim Nelken-Cup am Knie verletzt hatte. Gewöhnen muss man sich in dieser Saison daran, dass mit Melanie Veith, Lara Lepschi und Nicole Roth drei Torhüterinnen zum Spieltagskader gehören. „Mit der Nationalmannschaft waren wir im Winter schon in der Halle als Zuschauer beim Basketballspiel. Schon da fand ich die Atmosphäre sehr beeindruckend. Ich hoffe, dass es beim Supercup ähnlich wird", meinte Blombergs Rückraumspielerin Nieke Kühne in einem Interview mit dem offiziellen Hallenmagazin. Und tatsächlich bot der „SAP Garden" eine tolle Kulisse von 10.298 Zuschauern mit einer herausragenden Atmosphäre - ein echtes Spektakel. Die erste Halbzeit: Blombergs Trainer Steffen Birkner schenkte Nicole Roth zunächst im Tor das Vertrauen. Die Torhüterin war erst kurzfristig aus Ludwigsburg an die Ulmenallee gewechselt. Es entwickelte sich eine kuriose Anfangsphase, in der die Unparteiischen nach vier Minuten bereits drei Siebenmeter gepfiffen hatten. Blomberg nahm von Minute zu Minute das Heft in die Hand und glänzte durch einen sehenswerten Treffer nach dem anderen. Ob der Dreher von Andrea Jacobsen, ob der Knallerwurf von Nieke Kühne in den Knick, ob der Tempogegenstoß von Laura Rüffieux nach Pass von Nicole Roth - die spielfreudige HSG lag nach 20 Minuten komfortabel mit 13:4 in Führung. „Da hatten wir anderthalb Hände am Pokal", meinte Blombergs Mannschaftsverantwortlicher Oliver Lippert hinterher. Sie zeigte die nötige Geduld, eine glänzende Abwehrarbeit mit einer bestens aufgelegten Nicole Roth, die zur Pause sechs gehaltene Bälle auf dem Konto hatte. Doch: Der Kontrahent zeigte sich kämpferisch und kam selbst immer besser ins Spiel. Weil die HSG gleich drei Siebenmeter in der ersten Halbzeit ungenutzt ließ, in der Offensive zum Ende hin die Geduld verlor und der THC auf Sieben-gegen-Sechs umstellte, war dieser nach einem 6:1-Lauf beim 10:14-Pausenrückstand wieder in Schlagweite. „Blomberg ist super reingekommen. Der THC hat schon viele Karten gezogen, sich jetzt aber rangerobbt", meinte Bundestrainer Markus Gaugisch in der Pause vor dem Fernsehmikrofon. Die zweite Halbzeit: Ein völlig anderes Bild im zweiten Durchgang. Von Anfang an übernahm der Thüringer HC das Kommando und nutzte jede Schwäche der HSG gnadenlos aus. Halbzeitübergreifend geriet sie seit der 20. Minute in einen 1:8-Lauf. Die Siebenmeterschwäche blieb, und beim 21:20 (45.) schaffte der THC seine erste Führung im Spiel. Blomberg verlor völlig den Faden, wurde in der Offensive immer ungeduldiger. Es musste viel zu viel für seine Tore arbeiten. Und hinten entstanden für den Gegner vor allem auf Außen immer wieder Lücken. Darüber hinaus rückte THC-Torhüterin Laura Kuske mit insgesamt elf Paraden in den Blickpunkt. Beim 31:28 war das Supercup-Endspiel zugunsten des THC entschieden. Das Fazit: Blomberg spielte 20 Minuten groß auf und ließ den Ball gut laufen. Dazu kam eine ausgezeichnete Effektivität, eine aggressive Deckung samt einer guten Torwartleistung von Nicole Roth. Doch dann war der Traum vom Titel ausgeträumt. Der Thüringer HC hatte sich nach dem 4:13 gefangen, während die HSG vor allem von der Siebenmetermarke große Schwächen offenbarte und viermal vergab. Die zweite Halbzeit gehörte dann klar dem THC, der es immer wieder mit dem Sieben-gegen-Sechs versuchte - und damit total erfolgreich war. Blomberg war jetzt nur noch durch Einzelaktionen gefährlich. Zu wenig in einem Finale um den Titel. Die Stimmen: „Wir sind enttäuscht. Wir spielen eine sehr gute erste Halbzeit, dann stellt der THC auf Sieben-gegen-Sechs um, und wir finden keine Lösungen mehr. Ich nehme die Niederlage auf meine Kappe, weil wir die Lösungen nicht mehr gefunden haben. Egal, was wir auch versucht haben. Vielleicht muss der Trainer mutiger sein", zeigte sich Blombergs Trainer Steffen Birkner vor dem Mikrofon der übertragenen Sender selbstkritisch. Im LZ-Gespräch meinte der Coach: „Vielleicht hätte ich mutiger ins 5:1 gehen sollen, vielleicht einen Personalwechsel mehr vornehmen sollen, um die Abwehr zu stärken. Ich ärgere mich, dass wir als Trainerteam die eine oder andere Personalentscheidung hätten treffen müssen." Beim 6:1-Lauf des THC sei sein Team ins Nachdenken gekommen. Birkner: „Diese Niederlage tut weh." Er lobte die 18-jährige Farelle Njinkeu für ihre Leistung auf Rechtsaußen, und auch Nieke Kühne und Andrea Jacobsen hätten einen guten Job gemacht. „Und die ersten 20 Minuten dürfen wir nicht vergessen", meinte ein enttäuschter Trainer. Blombergs Geschäftsführer Jan-Henning Himborn hatte die Niederlage noch nicht verdaut: „Das kannst du so schnell nicht verdauen. Die Niederlage war unnötig. Die ersten 20 Minuten waren super. Dann unterbrechen wir das Sieben-gegen-Sechs-Spiel von Thüringen zu wenig. Und wir vergessen das Tempospiel. Dann ist das Selbstvertrauen weg und dann kommt einiges zusammen. Am Ende ist es eine reine Kopf-Geschichte. Die beste Spielerin: Rikke Hoffbeck Petersen vom Thüringer HC wurde zur besten Spielerin der Partie gewählt. In einer Pressemitteilung der Handball-Bundesliga Frauen (HBF) wird sie wie folgt zitiert: „Wir müssen froh sein, dass es nach diesem Start nur 10:14 zur Pause stand, denn der Anfang war katastrophal. Aber wir kämpfen bis zum Ende und haben es geschafft, diesen Titel zu gewinnen." Die Statistik - HSG Blomberg-Lippe: Veith (31.-48.), Lepschi (bei einem Siebenmeter), Roth; Rüffieux (2), Jacobsen (5), D. Magnusdottir (n.e.), Kühne (6/1), Mühlner (4), Vegué (2/2), Jaron (n.e.), Bucher, Tietjen (n.e.), Sandberg, Hauf (3), E. Magnusdottir (1), Njinkeu (7). Thüringer HC: Lovgren-Hallberg, Kuske; Nooitmeer (2), Hendrikse, Heider (1), Holm, Niederwieser, Scheib (1), Hoffbeck Petersen (9), Aizawa (2), Ott, Szabo, Reichert (9/3), Hanfland (2), Kuczora (5). Schiedsrichter: Ramesh und Suresh Thiyagarajah. Siebenmeter: 7/3:4/3 (Vegué scheitert dreimal an Kuske, Mühlner wirft neben das Tor – Veith pariert gegen Reichert). Zeitstrafen: 6:2 (Mühlner 2, Rüffieux, Kühne,Vegué, Jacobsen – Nooitmeer 2). So geht’s weiter: Die HSG Blomberg-Lippe eröffnet die Bundesliga-Saison 2025/26 mit einem Heimspiel. Sie trifft am Samstag, 30. August, zur neuen Heimspiel-Anwurfzeit um 17 Uhr den Buxtehuder SV. Transparenzhinweis: Dieser Text wurde fortlaufend aktualisiert.