Debatte unter Christdemokraten über Zusammenarbeit mit der Linkspartei

Es ist der 27. Juni, als sich die CDU Thüringen zum Wundenlecken trifft. An dem Dienstag beraten Funktionäre in einer Vorstandssitzung über die Landratswahl in Sonneberg, bei der die CDU zwei Tage zuvor der AfD unterlegen ist. Die Parteiführung zieht daraus erneut die Konsequenz, dass es nach der Landtagswahl 2024 keine Koalition mit den Linken oder mit der AfD geben könne. &bdquo;Beide Parteien stehen für Stillstand und ideologische Blockade“, heißt es in dem Beschluss.

Das hält den CDU-Mann Mike Mohring aber nicht davon ab, wenige Tage später Gespräche mit der Linkspartei in den Raum zu werfen. Gegenüber dem Nachrichtenportal &bdquo;The Pioneer“ sprach sich der Thüringer Landtagsabgeordnete und frühere Landeschef angesichts der hohen AfD-Umfragewerte für eine Öffnung hin zu den Linken aus.

Zwar soll er selbst nicht bei der Vorstandssitzung dabei gewesen sein, obwohl er als beratendes Mitglied teilnehmen kann. Der Beschluss dürfte dennoch nicht an ihm vorbeigegangen sein. Vielleicht ist sein Vorstoß auch eine Antwort darauf.

Mohring macht sich unbeliebt Mohring macht sich dadurch noch unbeliebter als er in der CDU teilweise ohnehin schon ist. Bereits 2019 hatte Mohring mit einer ähnlichen Forderung die Gemüter erhitzt sowie eine &bdquo;Projektregierung“ zwischen CDU und Linke ausgelotet. Hinter vorgehaltener Hand ärgern sich Christdemokraten auch über die neuesten Äußerungen Mohrings, obwohl er nicht konkret von Koalitionen sprach. Seine Parteikollegen werteten die Aussagen aber so. Die Diskussion komme gerade wegen des AfD-Hochs zur Unzeit, heißt es.

Auch der Vize-Landeschef der CDU Thüringen, Christian Hirte, warnt: &bdquo;Eine solche Debatte über eine mögliche Zusammenarbeit mit der Linken schadet der CDU: Sie treibt die Wähler in die Arme der AfD, weil der Eindruck erweckt wird, die anderen Parteien seien ein Einheitsbrei“, sagt der Bundestagsabgeordnete dieser Redaktion.

Hirte war selber im Jahr 2020 als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium zurückgetreten infolge der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten in Thüringen. Hirte nannte Kemmerich in einem Gratulationstweet einen &bdquo;Kandidaten der Mitte“, obwohl der Liberale mit Stimmen der AfD gewählt worden war. Die damalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) pochte daraufhin auf den Rücktritt. Heute betont Hirte: Die CDU müsse sich vom linken und rechten Rand &bdquo;ganz klar abgrenzen“. Weiter sagt er: &bdquo;In der Thüringer CDU haben gerade erst der Landesvorstand und die Kreisvorsitzenden einstimmig beschlossen, dass wir auch nach der Landtagswahl nicht mit der AfD oder Linkspartei koalieren werden. Wer anderes fordert, vertritt eine Einzelmeinung.“

Carsten Linnemann: Abgrenzungsbeschlüsse sind klar Denn wenn es um Koalitionspartner geht, gibt es in der CDU zwei Tabus: keine Zusammenarbeit mit der Linkspartei, keine Zusammenarbeit mit der AfD. Einen entsprechenden Antrag verabschiedete die Bundespartei im Jahr 2018 auf einem Parteitag. Auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bekräftigte jüngst gegenüber der &bdquo;Bild am Sonntag“, die Abgrenzungsbeschlüsse seien klar.

Schon heute werden sie aber kreativ ausgelegt. Das Konrad-Adenauer-Haus verweist immer wieder darauf, dass dieser Beschluss nur für die Bundes- und Landesebene gilt - und für die kommunale Ebene nicht. Daran rüttelt Mohring nun, der die Abgrenzungsbeschlüsse für überholt hält.

Minderheitsregierung ist schon heute auf Opposition angewiesen Schon heute ist Thüringen schwer regierbar. Linken-Politiker Bodo Ramelow führt eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung an, die immer wieder auf Stimmen der Opposition angewiesen ist – zum Beispiel bei der Verabschiedung des Haushalts. CDU-Fraktionschef Mario Voigt, der &bdquo;konstruktive Opposition“ sein will, muss einen Kompromiss mit der Koalition finden, um sie arbeitsfähig zu halten. Das ermöglicht der Opposition zwar, Forderungen tatsächlich umzusetzen, gleichzeitig muss sie darauf achten, unterscheidbar zu bleiben. 2022 führte die Gemengelage im Haushaltsstreit dazu, dass die CDU einen Kompromiss verteidigen und gleichzeitig die Regierung kritisieren musste. Man habe &bdquo;die schlimmsten Verfehlungen von Rot-Rot-Grün verhindert“, dennoch bleibe es &bdquo;ein schlecht aufgesetzter Haushalt“, formulierte es Voigt.

Ein Blick in die Umfragen zeigt: Es könnte noch komplizierter werden. Würde heute gewählt, wäre die AfD in Thüringen deutlich stärker und die Linke deutlich schwächer – jeweils etwa 10 Prozentpunkte Unterschied nach oben oder unten. In der jüngsten Meinungsumfrage von Infratest/Dimap kommen die Rechtspopulisten aktuell auf eine Zustimmung von 34 Prozent, während die CDU 21 Prozent und die Linke 20 Prozent an Unterstützung erhält. Die SPD kommt auf 10 Prozent, die Grünen auf 5 Prozent und die FDP auf 4 Prozent. Mohring ist daher der Meinung, man sollte nicht vorher &bdquo;schon alles ausschließen“. Und er bekommt Unterstützung, beispielsweise vom Oberbürgermeister von Altenburg in Thüringen, André Naumann. Der CDU-Mann warnte seine Partei kürzlich davor, sich &bdquo;in die Bedeutungslosigkeit“ zu beschließen.

Niemand will die Büchse der Pandora öffnen Die Christdemokraten müssen sich noch in zwei weiteren Landtagswahlen im Osten behaupten, in denen die AfD laut Meinungsumfragen aktuell stärkste Kraft ist. In Brandenburg steht die AfD laut Insa bei 28 Prozent, während die CDU bei 18 Prozent und die SPD bei 21 Prozent steht. Und in Sachsen zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und AfD ab: Die Rechtspopulisten stehen dort Insa zufolge bei 28 Prozent, während die CDU bei 25 Prozent landet. Die Linkspartei hat in den Ländern im Vergleich zum Bundestrend grundsätzlich eine höhere Zustimmung, aber nicht so eine hohe wie in Thüringen: 10 beziehungsweise 9 Prozent in Brandenburg sowie in Sachsen.

Angesichts der Stärke der AfD finden die Überlegungen der CDU Zustimmung, in Ostdeutschland notfalls auch mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten: 60 Prozent aller Befragten in einem ZDF-Politbarometer fänden dies richtig. Auch bei den CDU-Anhängern äußern 50 Prozent Zustimmung, 47 Prozent lehnen dies ab.

Ungeachtet dessen handelt es sich um eine Büchse der Pandora, die viele in der CDU nicht öffnen wollen. Die Debatte über eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei &bdquo;schadet nicht nur der CDU, sondern auch unserem Land“, mahnt der Brandenburg CDU-Chef Jan Redmann. Für Redmann ist schwer vorstellbar, wie beide Parteien bei kontroversen Themen zur Einigung kommen könnte. &bdquo;Wir brauchen Partner, mit denen wir etwas umsetzen können. In der Migrationspolitik etwa, muss das Ausländerrecht klar zur Anwendung kommen, bei der Versorgung von Personen mit geringer Bleibeperspektive müssen wir dem Sachleistungsprinzip Vorrang vor Geldleistungen einräumen“, sagt er dem RND und ergänzt: &bdquo;Mit den Linken undenkbar!“

&bdquo;Die Linkspartei ist Rechtsnachfolgerin der SED“ Es gibt noch einen weiteren, nicht weniger wichtigen, Grund. Die CDU im Osten befürchte eine Gegenreaktion der Konservativen, heißt es in der Partei. Das liegt vor allem an der SED-Vergangenheit der Linken. &bdquo;Die Linkspartei ist Rechtsnachfolgerin der SED“, lautet ein erklärendes Papier der CDU zum Abgrenzungsbeschluss. Und: Die SED-Nachfolgepartei habe sich mehr schlecht als recht von dem Unrecht distanziert. Zudem sei die Linkspartei in Teilen linksextremistisch.

Christian Hirte von der CDU Thüringen lenkt den Fokus deswegen auf die eigene Partei: Die CDU müsse so stark werden, dass sie den Ministerpräsidenten stellen könne, sagt er.

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