Nato-Generalsekretär Mark Rutte hat sich vor Donald Trump in den Staub geworfen. Der durch schwierigste Koalitionen erfahrene frühere niederländische Regierungschef hat dem 79-Jährigen gehuldigt, seinen Alleingang bei der völkerrechtlich fragwürdigen Bombardierung des Irans gefeiert, die Vereinbarung zur historischen Aufrüstung innerhalb der Nato als seinen persönlichen Erfolg geadelt – ihn in einem Wort zum Allergrößten erklärt. Das ist schleimig und anbiedernd.
Aber mit diesem US-Präsidenten gilt nicht mehr, was Jahrzehnte eine selbstverständliche gemeinsame Wertebasis war. Normal war gestern. Nicht einmal die Beistandspflicht, Artikel fünf des Nato-Vertrags und damit die gegenseitige Lebensversicherung bei einem Angriff auf einen Mitgliedstaat, ist mit Trump wirklich garantiert. Und man muss es so deutlich sagen: Die beim Gipfel in Den Haag von den Nato-Staaten vereinbarte massive Anhebung der Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsprodukts bis 2035 hilft Europa natürlich nicht für den Moment.
Denn bis auf Weiteres kann die Freiheit in Europa nicht ohne die – vor allem nukleare – Abschreckung durch die USA gegen ein bedrohliches Russland verteidigt werden. Das ist peinlich für Brüssel bis Berlin. Schon US-Präsident Barack Obama hatte mehr Eigenverantwortung der Europäer verlangt, weil Washington Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr die Rolle des Weltpolizisten übernehmen wollte.
Donald Trump wie ein kleines Kind gelobt

Für US-Bürger, die bei weitem kein so sicheres Sozial- und Gesundheitssystem wie vor allem Deutschland haben, ist Europa weit weg. Innenpolitisch hat auch das weitverbreitete Gefühl von Vernachlässigung dazu geführt, dass ein radikaler Sprücheklopfer wie Trump an die Macht gekommen ist und die Demokratie im Inland wie im Ausland mit Füßen tritt.
Der Preis für Trumps Wohlwollen ist, ihn wie ein kleines Kind überschwänglich für seinen Teil der gemeinsamen Sandburg zu loben, damit er den schönen Bau beim nächsten Gegenwind nicht zertrümmert. Der Begriff „Drecksarbeit“ könnte hier eher zutreffen als für die israelischen und US-amerikanischen Bomben auf Teheran, die auch Zivilisten getötet und womöglich das iranische Atomprogramm gar nicht wie behauptet für Jahre in Schutt und Asche gelegt haben.
Der Lohn ist, dass die transatlantische Militärallianz weder hirntot ist, wie es Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vor dem russischen Krieg gegen die Ukraine befürchtet hatte. Noch ist sie obsolet, wie Trump einmal behauptete. Sie schlägt stattdessen mit diesem kürzesten Gipfel ihrer Geschichte einen langen Weg des Wandels ein. Das ist auch Rutte zu verdanken.
Kriegstreiber Putin versteht nur die „Sprache der Stärke“
Gelingt das Vorhaben, ist es die Geburtsstunde einer neuen Nato, eine Rettung der Stärke bei der Wahrung von Frieden in Europa. Scheitern wird es, wenn die europäischen Nato-Partner – Verzeihung für die Wortwahl – den Schuss immer noch nicht gehört haben, sich gemeinsam unverletzlicher und eben unabhängiger von den USA machen zu müssen.
Trump wird nicht ewig Präsident bleiben, aber es ist nicht gesichert, dass die USA nach ihm wieder auf den Pfad der gemeinsamen Werte kommen. Und ganz unabhängig davon muss eine Europäische Union von 450 Millionen Menschen plus Großbritannien in der Lage sein, sich selbst besser zu wehren.
Kanzler Friedrich Merz hat leider recht, dass der Kriegstreiber Wladimir Putin nur die „Sprache der Stärke“ versteht. Solange Deutschland und die Nato daraus nicht Trumps favorisiertes Recht des Stärkeren ableiten, sondern immer nur die Stärke des Rechts verteidigen, bleibt die Welt zumindest halbwegs in Ordnung.