Darum suchen Firmen aus OWL ihre Mitarbeiter jetzt außerhalb Europas

Bielefeld. In Ostwestfalen-Lippe arbeiten zwei Indonesier, die eine Ausbildung zum Bäcker bei Karlchens Backstube in Herford absolvieren, drei Auszubildenden von den Philippinen beim Haller Marktkauf und vier Lkw-Fahrer aus Kolumbien, die die Gesellschaft für Weiterbildung, GFW International, in Kooperation mit der TG Logistik-Consulting International mit Sitz in Bielefeld in die Region geholt hat. Mitarbeiter werden angesichts des Fachkräftemangels in immer weiter entfernten Ländern gesucht.

Es sind diese lokalen Initiativen, die es Experten zufolge unbedingt braucht. &bdquo;Die Corona-Zeit war ein massiver Beschleuniger für den Fachkräftemangel“, sagt Detlef Schmidt, Teamleiter des gemeinsamen Arbeitgeber-Services von der Agentur für Arbeit Paderborn und vom Jobcenter Kreis Paderborn. &bdquo;Gemerkt hat man das, als es wieder voranging.“ Es musste also von verschiedenen Seiten etwas getan werden: 2024 wurde das Einwanderungsgesetz geändert, wodurch die Einwanderung vereinfacht werden sollte. Zeitgleich haben Unternehmen ihre Suchen auch über Europa hinaus ausgeweitet. Das Ergebnis sieht man jetzt, wo vermehrt Menschen aus dem außereuropäischen Ausland in den Betrieben der Region arbeiten.

Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) plant außerdem die Gründung einer sogenannten &bdquo; Work-and-Stay-Agentur “, die als zentrale Anlaufstelle für Formalitäten für ausländische Fachkräfte entstehen soll, sodass die gesamte Antragstellung zentral über ein digitales Portal erfolgt. Darauf hat sich das Bundeskabinett in Berlin in diesem November bei einer Sitzung geeinigt, in der mehrere Vorhaben zur Entbürokratisierung für Wirtschaft, Verwaltung und Bürger beschlossen und zahlreiche weitere – wie eben diese neue Behörde – in Aussicht gestellt wurden.

Fachkräftemangel in OWL wird sich bis 2035 verschärfen Die Suche wird aktuell aber von der schwachen Konjunktur gebremst – es werden generell weniger Menschen eingestellt. Damit ist aber das Problem nicht behoben und es besteht Handlungsbedarf. &bdquo;Das wird sich in etwa zehn Jahren zeigen, wenn die Babyboomer in Rente sind“, sagt Susanne Schultz von der Bertelsmann-Stiftung aus Gütersloh. Die Bundesagentur für Arbeit hält jährlich 400.000 Zuwanderer aus Drittstaaten für notwendig, um dieses Defizit auszugleichen.

Wie groß das Problem schon jetzt ist, sieht man unter anderem an einer Übersicht der Agentur, die zeigt, welche Berufsgruppen in OWL Fachkräfteengpässe haben: Demnach geht es um fast alle Berufe, angefangen bei Elektrotechnikern über Mitarbeiter im Vertrieb bis zu Sozialarbeitern. &bdquo;Das konnte man schon vor vielen Jahren ausrechnen“, sagt Schmidt. &bdquo;Aber die Not musste erst so groß werden.“

Allein in OWL prognostiziert die Industrie- und Handelskammer mit Sitz in Bielefeld in ihrem Fachkräftemonitor aus diesem Sommer bis zum Jahr 2035 eine Verdopplung unbesetzter Stellen – von aktuell rund 32.000 auf bis zu 65.000. Landesweit könnte die Zahl demnach von derzeit rund 290.000 auf mehr als 610.000 steigen. Der Wirtschaft in NRW droht dann bis 2035 ein Wertschöpfungsverlust in Höhe von rund 40 Milliarden Euro.

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Vier Kolumbianer seien schon da, 30 weitere sollen im kommenden Jahr folgen. Vorbereitet werden sie von der GFW International, mit Sitz in Köln, unter anderem mit Sprach- und Kulturkursen. In Bielefeld kooperiert das Unternehmen mit Thorsten Greil, der Logistikunternehmen berät die Fahrschule Zöllner mit Standorten in Bielefeld, Lemgo und Minden, bei der unter anderem Lkw-Führerscheine gemacht werden können, sowie Transport- und Logistikunternehmen.

Tausende Kraftfahrer werden gesucht Jedes Jahr fehlen in Deutschland bis zu 100.000 Kraftfahrer, weiß Ralf Landauer von GFW. Durch die schwächelnde Wirtschaft sei der Druck zwar gerade vermeintlich nicht so groß, doch etwa die Hälfte der Fahrer sei mehr als 55 Jahre alt. &bdquo;Schon jetzt können erste Betriebe keine Aufträge mehr annehmen, weil sie die Fahrzeuge nicht besetzten können“, berichtet er. &bdquo;Dadurch entstehen erhebliche Kosten.“

Er ist sich genau wie Schultz sicher: &bdquo;Die Lösung für den Fachkräftemangel in der Logistik wird nicht kurzfristig aus dem Inland kommen.“ Um seinen Betrieb langfristig zu sichern, müsse man auch in Drittstaaten nach Mitarbeitern suchen.

Arbeitgeber aus OWL müssen &bdquo;aktiv werden“ &bdquo;Jetzt müssen mehr Arbeitgeber selber aktiv werden“, fordert Schmidt. &bdquo;Sie müssen Verantwortung übernehmen, die Mitarbeiter integrieren und sie dauerhaft mit Arbeit versehen.“ An der Betreuung scheitere es in der Praxis aber oft, weil gerade in kleineren Betrieben die Zeit oder das Geld für die Verwaltung fehle. Eine Checkliste für Arbeitgeber gebe es zwar nicht, aber verschiedene Hilfsangebote etwa von der Arbeitsagentur, die die Kommunikation begleitet oder bei der Vermittlung hilft.

&bdquo;Viele Fachkräfte, die man hier halten will, gehen wieder“, weiß Schultz. Als Ursache nennt sie hauptsächlich soziale Gründe. Auch im Hinblick auf die Bleibeperspektive entstehen darum immer mehr Projekte.

Auch Landauer berichtet, dass ihm von Unternehmen die Frage gestellt wird, ob die Mitarbeiter denn dann auch langfristig bleiben würden. &bdquo;Das liegt auch am Unternehmen selbst und daran, ob es sich um seine Mitarbeiter kümmert“, sagt er. Erst mal sei die Motivation der Angestellten aber sehr hoch. Sie kämen von sehr weit weg, würden alles aufgeben und wollten Karriere machen. Zudem sei die Bezahlung in Deutschland höher als in ihren Herkunftsländern.

Dass die Logistik-Branche bereits jetzt international ausgerichtet ist, zeigen Zahlen der IHK: Der Anteil der ausländischen Beschäftigten liegt in der Branche bei ungefähr 30 Prozent – und damit etwa doppelt so hoch wie im ostwestfälischen Durchschnitt mit einer Quote von 14 Prozent.

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