Durchbruch beim Abbau der Bürokratie? OWL-Unternehmer bewerten Vorschläge zur Reform

Düsseldorf/Bielefeld. Der Kreis Paderborn macht vor, wie es künftig laufen soll: Ab sofort will die Behörde Bauanträge in nur drei Monaten genehmigen – vorausgesetzt, es liegen alle Unterlagen sowie positive Stellungnahmen vor. Wer nach drei Monaten keine Antwort erhalten habe, könne davon ausgehen, dass der Antrag genehmigt sei. Das ist ein Paradigmenwechsel. Und zugleich Kern einer großen Modernisierungsagenda, die Bund und Länder vor wenigen Tagen auf den Weg gebracht haben. Ist das jetzt der Durchbruch beim Abbau der deutschen Bürokratie? Wir haben große Unternehmen in OWL gefragt, was sie von den Vorschlägen halten.

Das 55-seitige Papier umfasst rund 200 Punkte. So sollen künftig viele Genehmigungs- und ein Drittel aller Berichtspflichten wegfallen. Bei Bauprojekten soll die Umweltprüfung verschlankt werden. Dokumentationspflichten sollen um die Hälfte reduziert werden.

Das in Bielefeld ansässige Unternehmen Schüco zeigt sich hoffnungsvoll. &bdquo;Wir begrüßen die Initiative von Bund und Ländern ausdrücklich und sehen in der Modernisierungsagenda einen wichtigen und richtigen Schritt auf dem Weg zum Bürokratieabbau, auch für die Bauwirtschaft“, sagt Schüco-Chef Andreas Engelhardt dieser Zeitung. Was in dem Papier &bdquo;leider nicht enthalten“ sei, sei die &bdquo;dringend notwendige“ Harmonisierung der Landesbauordnungen: Planer, Architekten, Bauunternehmen und Hersteller müssten sich dann nicht mehr mit unterschiedlichen Vorgaben in jedem Bundesland auseinandersetzen, sagt Engelhardt. &bdquo;Damit könnten Bauvorhaben schneller umgesetzt werden, da einheitliche Regeln den Genehmigungsprozess vereinfachen und beschleunigen. Dies würde sich auch in sinkenden Baukosten widerspiegeln.“

Goldbeck spricht von einem &bdquo;beherzten Ansatz“ Von einem &bdquo;beherzten Ansatz“ in die &bdquo;richtige Richtung“ für mehr Geschwindigkeit und Umsetzungsfreude in Deutschland spricht der geschäftsführende Gesellschafter der Goldbeck GmbH, Jörg-Uwe Goldbeck. Es sei jetzt aber wichtig, vor allem das dahinterliegende &bdquo;Mindset“ in Köpfe und Herzen der handelnden Beamten zu bringen. Doch auch dieser Ansatz könne nur ein Anfang sein: &bdquo;Die strukturelle Bürokratie ist in Tiefe und Breite in der Behördenstruktur verwoben und der Weg ist noch lang“, sagt Goldbeck dieser Zeitung.

Die Richtung der Modernisierungsagenda greife viele Punkte auf, &bdquo;die wir seit Jahren ansprechen“, sagt der Geschäftsführende Gesellschafter der Hagedorn Unternehmensgruppe, Thomas Hagedorn. Das betreffe zu lange Verfahren, zu viele Vorgaben und zu wenig Verlässlichkeit. &bdquo;Planungssicherheit entsteht nicht durch immer neue Regeln, sondern dadurch, dass aus Papier Umsetzung wird mit klaren Zuständigkeiten, verbindlichen Fristen und digital funktionierenden Verfahren“, sagt Hagedorn dieser Zeitung.

Wenn Genehmigungen nach drei Monaten &bdquo;wirklich gelten“ und Berichtspflichten &bdquo;spürbar wegfallen“ sollten, sei das ein &bdquo;echter Schritt nach vorn“, &bdquo;denn Papier allein baut keine Straße und revitalisiert keine Fläche“, sagt Hagedorn. Die Umsetzung durch Bund, Länder und Behörden entscheide jetzt, ob die Modernisierungsagenda ein großer Wurf werde - dort bestehe weiterhin der größte Handlungsbedarf.

Bund und Länder hatten sich auf die Agenda Anfang Dezember in der Ministerpräsidentenkonferenz geeinigt. Sie enthält viele Vorschläge, die eine Expertenkommission um die früheren Bundesminister Peer Steinbrück (SPD) und Thomas de Maizière erarbeitet hatte. Die beiden Politiker zeigten sich nach der Veröffentlichung &bdquo;wirklich optimistisch“. Es handle sich um den bisher &bdquo;weitestgehenden Beschluss“ in einer Abstimmung von Bund und Ländern.

Unternehmerverbände äußern sich kritisch &bdquo;Eckpunktepapiere, Ankündigungen und Beschlüsse von Bund und Land gab es in den vergangenen Jahren zuhauf, auf die Straße gebracht wurden sie viel zu selten“, meint hingegen der Hauptgeschäftsführer der NRW-Unternehmerverbände, Johannes Pöttering. Die Modernisierungsagenda drohe &bdquo;zur Makulatur“ zu werden, sollte die schnelle und konsequente Umsetzung der angekündigten Maßnahmen &bdquo;einmal mehr“ auf sich warten lassen. &bdquo;Unsere Unternehmen erwarten, dass die Reformen nun zügig in konkrete Gesetze überführt werden und vor allem auch spürbar bei ihnen ankommen“, sagt Pöttering.

Laut Steinbrück und de Maizière galt unter anderem das Land NRW bei der Erarbeitung der Agenda als treibende Kraft. Pöttering gießt aber etwas Wasser in den Wein. Das im November 2024 von der NRW-Landesregierung beschlossene Beschleunigungs- und Entlastungspaket sei nach mehr als zwölf Monaten bislang &bdquo;allenfalls in Ansätzen“ umgesetzt.

Die Politik müsse endlich begreifen, dass dieses Verhalten bei Unternehmen &bdquo;nur Enttäuschungen“ hervorrufe und sie immer mehr an der Veränderungsbereitschaft auf allen Ebenen der Politik zweifeln lasse. &bdquo;Umso wichtiger ist es, dass die Agenda nun um die fehlenden Bausteine ergänzt und dann als Gesamtpaket schnell und entschlossen umgesetzt wird“, sagt Pöttering. Bund und Länder haben vereinbart, Ende Juni 2026 einen ersten Bericht über die bis dahin erzielten Fortschritte zu veröffentlichen.

Durchbruch beim Abbau der Bürokratie? OWL-Unternehmer bewerten Vorschläge zur Reform

Unternehmer aus OWL: „Europa hat sich bislang unter Wert verkauft“

„Politik muss Stöpsel ziehen“: OWL-Wirtschaft fordert Tempo bei Investitionen

Staatsreform in Deutschland gelingt nur mit anderer Mentalität - auf allen Ebenen

Deutschland will mit Bürokratieabbau Milliarden sparen - klappt es jetzt wirklich?

Bund-Länder-Finanzstreit: Sondertreffen im nächsten Jahr

„Wie ein Kuckuck“: SPD wirft Wüst wegen Gipfel in Berlin Ablenkung vor

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus

0,99 € im ersten Monat

Angebot: Jahresabo nur 99 €