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Detmold

Nach 49 Jahren: Ein Ur-Lipper verlässt die Ecclesia-Gruppe

Detmold. Davon, Hauptgeschäftsführer eines der größten deutschen Versicherungsmakler zu werden, war der junge Manfred Klocke 1968 „ganz weit entfernt". Doch als ebensolcher geht der damalige Azubi der Familienfürsorge Ende April in Pension, nach 49 Jahren im Dienst der Ecclesia-Gruppe.

Das Büro ist weitgehend aufgeräumt, Umzugskisten stehen in der Ecke. Neben der Tür steht eine „frauhohe" Skulptur: Eine grazile Reiterin mit langen Armen und Beinen, auf dem Pferd stehend. Für den 64-Jährigen Sinnbild seines Berufes: „Es gilt, die Balance zu wahren." Die Balance zwischen den Kunden der Ecclesia-Gruppe und der Versicherungswirtschaft.

Die Kunden: Das sind traditionell Kirchen, Wohlfahrtsverbände oder Krankenhäuser, seit den 80er-Jahren auch Industrie und Gewerbe. „Wir sind deren Sachwalter", erklärt Klocke.

Er weiß viel zu erzählen von 49 Jahren im Beruf. Die Ecclesia habe etwa dafür gesorgt, dass beim Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche ein Haftpflichtversicherer gefunden wurde. Er hat die Baustelle noch gut vor Augen: „Wenn da einer dieser tonnenschweren Steine runtergefallen wäre..."

Er berichtet von Versicherungen für Ehrenamtler oder von der Produkthaftpflicht für Erzeugnisse aus Behindertenwerkstätten, auch von der Versicherung polnischer oder türkischer Speditionen, italienischer Krankenhäuser oder belgischer Schulen. Ziel sei immer die sachgemäße Risikoabsicherung – untrennbar verbunden damit, Schadensrisiken möglichst zu minieren.

Um für Kunden beste Verträge aushandeln zu können, muss deren Bedarf klar definiert sein. Und das geht nur, wenn die Makler die Kunden möglichst gut kennen. So sind sie heute Unternehmensberater, analysieren Abläufe und mögliche Fehlerquellen – hier hat sich die Branche seit 1968 deutlich gewandelt. Diese Analysen sind zum Beispiel in hohem Maße wichtig, um Krankenhäuser maßgeschneidert zu versichern. „Es geht um klare Abläufe. Das fängt damit an, dass OP-Instrumente gezählt werden oder dass zu operierende Gliedmaßen klar angemarkert werden." Drastische Gegenbeispiele gibt es zur Genüge.

„Wir messen anhand klarer Kriterien den Risiko-Index der Krankenhäuser, entsprechend kann die Prämie justiert werden." Mittlerweile arbeiten 15 Pflegekräfte bei der Ecclesia, analysieren Betriebsabläufe in den Klinken. Warum Pflegekräfte? „Sie sprechen die Sprache von Patienten und Ärzten." Die Datenbank der Ecclesia weist 200.000 Schäden auf – ein Pfund bei der Präventionsberatung und bares Geld für die Kunden, wenn es daran geht, Verträge auszuhandeln. Klockes Wort hat Gewicht – in Berlin wie in Brüssel.

So hat Manfred Klocke ein halbes Jahrhundert Versicherungswirtschaft im Blick, samt 1968 noch ungeahnter Internationalisierung. In dieser Zeit war er ebenso Sprecher der Mitarbeitervertretung wie Geschäftsführer. Eine Karriere habe er nie geplant, Herausforderungen stets positiv gesehen und angenommen. „Für einen Wechsel gab es nie einen Grund", sagt er zufrieden. Er ist immer noch von ganzem Herzen Makler, steckt en Detail in den Themen – auch wenn er in den vergangenen Wochen schon vieles abgegeben hat.

Und jetzt? Zwei Modellautos zieren die Fensterbank – solche Citroën- und BMW-Oldtimer besitzt und fährt Klocke im Original, dafür wird er künftig mehr Zeit haben. Das gilt auch für die beiden Enkel. Eng verbunden ist der Ur-Lipper – gebürtig in Diestelbruch, wohnhaft in Bad Meinberg – weiterhin mit dem Kindergarten Vahlhausen. Dort war er in den 70er-Jahren Zivi.

Manfred Klocke ist Vorsitzender des Trägervereins und wird es bleiben. „Dort sind Kinder mit und ohne Handicap in einer Einrichtung. Das war bei Gründung 1969 einmalig in Deutschland. Gelebte Inklusion, doch damals kannten wir das Wort noch gar nicht." Auch im Aufsichtsrat von Eben-Ezer arbeitet Klocke gerne weiter.

Information
198 Millionen Euro Umsatz

Die Ecclesia Versicherungsdienst GmbH strukturiert um. Auch Hauptgeschäftsführer Norbert Noehrbass wird 2018 ausscheiden. Die operative Verantwortung für Kundenbetreuung und Versichererbeziehung wird dann von den Geschäftfsführungen der Gruppenunternehmen getragen. Die Holding übernimmt unter der Geschäftsführung von Tilman Kay, Dr. Stefan Ziegler sowie dem Nachfolger von Noehrbass die strategische Begleitung und Weiterentwicklung im In- und Ausland. Mit 198 Millionen Euro Umsatz und 1.550 Mitarbeitern rangiert Ecclesia nach eigenen Angaben unter den 150 weltweit größten Sachversicherungsmaklern auf Platz 19.

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