
Bad Oeynhausen. Im Haus von Ingrid S. (Name geändert) ist es bitterkalt. Die 52-Jährige legt ihre Winterjacke darum nur ab, wenn sie abends unter die warme Bettdecke schlüpft. Das liegt aber nicht etwa an einer defekten Heizung: Der Strom ist weg. Wegen hoher Altschulden hat der Energiekonzern Eon Westfalen-Weser der Hausbewohnerin den Strom abgestellt.
Auf dem Stromzähler in dem Einfamilienhaus prangt ein roter Aufkleber. "Anschluss gesperrt" lautet die ernüchternde Aufschrift. Ingrid S. ist verzweifelt. Zum Waschen bleibt ihr nur kaltes Wasser, die Lebensmittel verderben in der Tiefkühltruhe und ihrem Nebenberuf kann sie nicht nachgehen, da auch der Computer nicht mehr läuft.
Auf rund 1.700 Euro belaufen sich ihre Schulden gegenüber Eon mittlerweile. "Eine Summe, die ich nicht einfach aus dem Ärmel schütteln kann", so die 52-Jährige, die eigentlich mit einem weitaus geringeren Betrag gerechnet hatte. "In der letzten Rechnung war nur die Rede von 800 Euro."
Aufschlag von Zinsen und Aufwand
Das war jedoch, bevor Eon nach mehreren Mahnungen die Rechnung an einen Anwalt weitergab, der noch einmal Zinsen und Aufwand aufschlug. "Ich war arbeitslos und konnte die Stromkosten über einen längeren Zeitraum nicht bezahlen", erklärt die Betroffene die beträchtliche Summe. Natürlich sei das ein Fehler gewesen.
Nach eigenen Angaben habe sie aber nach Antritt einer neuen Stelle versucht, eine Ratenzahlung zu vereinbaren; schriftlich über das Amtsgericht Bad Oeynhausen. " 50 Euro pro Monat, zusätzlich zu den laufenden Kosten, hätte ich zahlen können." Darauf wollte sich Eon offenbar nicht einlassen, denn vom Stromkonzern habe sie trotz des Angebotes nichts gehört. "Am 21. Februar kam die Nachricht, dass mir der Strom abgestellt wird, wenn ich die Forderungen nicht begleiche."
In der Hoffnung, einen Teil des ausstehenden Betrages beim Gerichtsvollzieher begleichen zu können, ließ sie die Zeit verstreichen. Ende März war es dann so weit: Der Gerichtsvollzieher und ein Eon-Mitarbeiter standen vor der Tür. Zu ihrem Entsetzen musste Ingrid S. an diesem Tag feststellen, dass dem Gerichtsvollzieher die Hände gebunden waren. "Er darf kein Geld annehmen", so die 52-Jährige. Auch der Eon-Mitarbeiter, der ihr den Strom abgestellte, ließ nicht mit sich reden. "Er hätte nur die volle Summe akzeptiert."
Unsensible Praktiken
Vom Gerichtsvollzieher weiß sie, dass es nicht nur ihr so geht. "Er hat mir erzählt, dass er am gleichen Tag noch zwei anderen Eon-Kunden den Strom abstellen musste." Er und seine Kollegen seien mit dieser Situation selbst unzufrieden und hielten die Praktiken von Eon für unsensibel. "Ändern können sie jedoch nichts."
Konkrete Zahlen über gesperrte Stromanschlüsse veröffentlicht Eon-Westfalen Weser nicht. Nach Auskunft von Pressesprecher Thomas Renz gebe es aber keinen auffälligen Anstieg bei den Stromsperren. Dass es bei Ingrid S. soweit kommen musste ist laut Stromkonzern die Schuld der säumigen Kundin, so Renz. "Das Mahnverfahren zog sich über Monate."
Bis zum letzten Tag zu warten sei ein Fehler. Renz rät Kunden mit Stromschulden dazu, sich rechtzeitig mit Eon in Verbindung zu setzen. "Wir sind immer gesprächsbereit." Die Sperrung sei nur als allerletztes Mittel gedacht. Dass in diesem Fall keine Teilzahlung gewährt wurde, läge daran, dass der angebotene Betrag nicht der ausstehenden Summe entspräche.
Wie es jetzt weitergeht, weiß Ingrid S. noch nicht. Nur eins ist für sie klar: In ihrem ungeheizten Haus kann sie nicht bleiben.