Höxter/Paderborn. Als Richter Bernd Emminghaus die Verhandlung beendete, läutete er damit eine dreiwöchige Pause ein. Doch weniger als diesen Startschuss in die Ferien nehmen die Richter viel Denkstoff mit. Den lieferte ihnen vor allem eine 49-jährige Zeugin aus Detmold. Mit fester Stimme berichtete die schlanke Frau, wie sie 2011 auf eine "ganz normale Anzeige" geantwortet, schnell ihr Herz an Wilfried W. und letztlich dadurch 50.000 Euro verloren hatte. Aber vor allem beschrieb sie das Zusammenwirken beider Angeklagter als zielgerichtete Inszenierung.
Karola I. (Name geändert) war vor ihrer krankheitsbedingten Pensionierung Finanzbeamtin. Sie weiß genau, wovon sie spricht, sie weiß auch, dass sie sehr blauäugig war im Umgang mit Angelika und Wilfried W.. Von 2012 bis zu dem Tag, als die beiden Ende April 2016 verhaftet wurden, war sie mit ihnen in Kontakt. "Selbst schuld" beurteilt sie ihr Verhalten heute.
Folgt man ihrem Bericht, gab es zwischen den Angeklagten eine strikte Rollenverteilung. Wilfried W. trat als Charmeur auf, mit einer gewissen Schüchternheit, die auf Karola I. unwiderstehlich wirkte. Ganz anders Angelika W.. Sie war der böse Störenfried im Hintergrund, der kurz nach intimen Momenten auftauchte, um mit unwirschen Worten den angeblichen Bruder zum Eierverkaufen abzuholen, aber vor allem eine gewisse Drohkulisse aufbaute mit harschen Anweisungen.
So entstand eine merkwürdige Melange aus Befürchtungen, vielleicht Ängsten, aber auch Sehnsüchten, die aus der intelligenten Karola I. ein williges Opfer machte, das immer wieder seine Geldbörse öffnete. Wilfried W. etwas Gutes tun, ihm helfen und letztlich dafür sorgen, dass er von seiner angeblichen Schwester loskommt, diese Wünsche ließen Karola I. jahrelang nicht los - obschon die romantischen Treffen (drei waren es nur) schon längst Vergangenheit waren. Denn die Angeklagten hielten weiter Kontakt zu der Detmolderin - via Mobiltelefon. Während Angelika W. gewohnt abscheulich auftrat und Geld forderte, berichtete ihr Wilfried W. von seelischen Quälereien durch seine angebliche Schwester und umgarnte sie so augenscheinlich weiter. Seine täglichen SMS und Whatsapp-Nachrichten "gehörten mit zu meinem Leben", sagt Karola I.. Am Ende waren es mehr als 50.000 Euro, die sie in ihre Hoffnung steckte, womöglich doch eines Tages mit Wilfried W. zusammen sein zu können.
Warum dieser zu ihr - ganz anders als zu anderen Frauen - nur freundlich war, nicht zuschlug oder sie bedrohte, dafür hat Karola I. eine interessante Erklärung: "Ich glaube, er hat ein Gespür dafür, wie weit er bei Menschen gehen kann."