Nach Weltkrieg: Augustdorfer Kaserne diente jahrelang Tausenden Menschen als Unterkunft

Augustdorf. Ehemalige Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und Flüchtlinge, darunter auch viele Kinder - sie alle lebten jahrelang in der späteren Bundeswehrkaserne in Augustdorf. Ein &bdquo;Dorf im Dorf“ schildert es Stephan Meyer, Leiter der Militärgeschichtlichen Sammlung (MGS), die sich auf dem Gelände befindet. Was kaum bekannt ist: Das Lager wurde erst rund zwölf Jahre nach Ende des Zweites Weltkrieges aufgelöst. Hauptmann Meyer leitet seit April 2023 das Museum und kennt sich mit der Geschichte der Kaserne bestens aus.

Als die alliierten Armeen im Jahre 1945 Deutschland von der Naziherrschaft befreiten, fanden sie im späteren Gebiet der drei westlichen Besatzungszonen etwa 6,5 bis 7 Millionen sogenannte &bdquo;Displaced Persons“ vor. Menschen, die infolge des Weltkrieges aus ihrer Heimat durch Kriegseinwirkungen und deren Folgen geflohen, vertrieben oder verschleppt worden waren, darunter auch Zwangsarbeiter. Bis zu 10.000 Menschen, darunter auch Kinder mit und ohne Eltern, lebten in Augustdorf teilweise jahrelang auf dem eigentlich militärischen Gelände.

Kaserne entstand Die Kaserne war in den Jahren 1936/37 gebaut worden und wurde zuerst als &bdquo;Nordlager“ bezeichnet. Hier waren rund 1000 Personen eines Landwehrbataillons untergebracht. 1939 wurde das Areal erweitert. Im Rahmen der Mobilmachung übernahm es im Jahr 1944 die SS, die paramilitärische Organisation im Dritten Reich, die von Heinrich Himmler geführt wurde und Angst und Schrecken verbreitete.

Nach der Befreiung von Augustdorf durch die Amerikaner übernahm das britische Militär das &bdquo;Hutted Camp“ bis zum Jahr 1950. Was nur wenige wissen: Nach Auflösung des Kriegsgefangenen-Lagers Stalag 326 in Stukenbrock fanden auch diese Menschen zunächst in Augustdorf eine Bleibe. Bis zu 10.000 waren es zu Höchstzeiten nach Aussage von Stephan Meyer. Später kam das Gelände unter die deutsche Bundesverwaltung und wurde in &bdquo;Neues Lager“ umbenannt.

&bdquo;Dorf“ unter Selbstverwaltung Wer waren die Lagerbewohner? Neben früheren Kriegsgefangenen aus Russland waren es zunächst Zwangsarbeiter, die nicht in ihre Heimat zurück wollten. Dazu kamen Flüchtlinge aus den früheren deutschen Ostgebieten wie Preußen und Schlesien. Die Bewohner lebten in Holz- und Steinbauten, von denen heute nur noch wenige übrig geblieben sind, darunter ein Schlauchturm. &bdquo;Es war wie ein kleines Dorf im Dorf“, erzählt der Museumsleiter. &bdquo;Es gab Sportplätze, eine Schule sowie eine Kirche, und natürlich wurden die Menschen verpflegt. Ein sogenannter &bdquo;Kommandant“, meist ein polnischer Offizier, habe das Lager verwaltet, das ansonsten keinen Leiter hatte.

Das Verhältnis zur Augustdorfer Bevölkerung sei in ersten zwei Jahren nach 1945 angespannt gewesen, weiß der 58-Jährige. Es gab häufige Plünderungen seitens der Kriegsgefangenen, und an einem Tag geriet das Schloß Lopshorn in Brand. Die Augustdorfer Wehr habe das Feuer löschen wollen, so Meyer, der britische Kommandeur habe dem aber nicht zugestimmt - so brannte das Schloss ab.

Tafel mit Lagerstärke Vor sieben Jahren wurde durch Zufall im Keller des Bundeswehrdienstleitungszentrums eine Tafel gefunden, auf der die jeweilige Lagerstärke mit Kreide aufgezeichnet worden war. Aufgeführt wurden auch schwangere und stillende Mütter sowie Heimkinder aus Polen, Lettland, Estland, Litauen und Jugoslawien. Die russischen Kriegsgefangenen seien schnell in ihre Heimat zurückgeführt worden, erzählt Stephan Meyer, nicht so die Zwangsarbeiter, die nicht in eine ihnen inzwischen fremde Heimat zurückwollten oder Angst vor Repressionen hatten.

Nach 1947 habe sich die Bewohner-Struktur geändert, und es seien mehr Flüchtlinge gekommen, berichtet der Leiter. Viele der Lagerbewohner blieben in Deutschland oder wanderten in Nachbarländer oder Amerika aus. 1950 kam das Lager unter deutsche Verwaltung. Zu diesem Zeitpunkt lebten hier 2250 heimatlose Ausländer, darunter 600 Kinder. Der letzte der früheren Bewohner verließ das Lager im September 1958. Die ersten Einheiten der Bundeswehr wurden ab 1957 in der Kaserne stationiert.

Die Militärgeschichtliche Sammlung Die Militärgeschichtliche Sammlung der Panzerbrigade 21 in Augustdorf (MGS Augustdorf) ist ein Teil des Museums- und Sammlungsverbundes der Bundeswehr. Durch die museale Darstellung der deutschen Geschichte bilden die Einrichtungen einen Beitrag zur historischen und politischen Fortbildung der Angehörigen der Bundeswehr. Außerdem informieren sie interessierte Gruppen nach Anmeldung kostenlos über den Wandel in den Wechselbeziehungen zwischen Gesellschaft, Staat und Militär.

Der Aufbau der Sammlung begann im Jahre 2002, nachdem die Kaserne auch das letzte ihrer ehemals drei Panzerbataillone und zusätzlich auch das Panzeraufklärungsbataillon der 7. Panzerdivision aufgrund von Truppenreduzierungen verloren hatte. Anlässlich des Augustdorfer Soldatentags im Jahre 2004 öffnete die MGS erstmals ihre Türen für die breite Öffentlichkeit.

Im ehemaligen Stabsgebäude des Panzeraufklärungsbataillons 7 werden auf einer Fläche von fast 700 Quadratmetern rund 1700 Exponate zur lippischen und insbesondere Augustdorfer Militärgeschichte ausgestellt. Außerdem werden in der Außenanlage 15 Großgeräte, die einst als Gefechtsfahrzeuge in der Brigade Verwendung fanden, präsentiert. Weitere Infos, auch zur Anmeldung von Gruppen, unter: mgs-augustdorf.info

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